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Pfarrer Carlo Yachouh ist für die syrisch-aramäische Gemeinde zuständig:Die syrisch-aramäische Gemeinde: eine große offene Familie

Warum die muttersprachlichen Gemeinden als Angebot für Menschen aus dem Ausland so wichtig sind, wird bei einem Besuch der syrisch-aramäischen katholischen Gemeinde in Saarbrücken deutlich.
Pfarrer Carlo Yachouh (Foto: Sarah Schött)
Datum:
18. Juli 2019
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Saarbrücken - Über 100 Menschen sind in der Kirche St. Jakob in Saarbrücken zusammengekommen. Ihre Herkunftsländer – unterschiedlich, ihre Glaubensrichtungen auch. Unter ihnen sind Katholiken, aber auch Orthodoxe. Was sie vereint: die arabische Sprache. „Die Messe mache ich auf Arabisch, nur die Wandlung ist auf Syrisch“, erklärt Pfarrer Carlo Yachouh. Der 40- Jährige ist für die syrisch-aramäische Gemeinde zuständig. Er hat die Aufgabe des 2017 verstorbenen  Pfarrers Joseph Alkhoury übernommen. Yachouh kommt aus dem Libanon, aus der Hauptstadt Beirut. Dort lebte und arbeitete er in einem Kloster. Dass er jetzt hier ist, bedeutet ihm viel – auch wenn er nie geglaubt hätte, einmal so weit weg von seiner Heimat zu sein.

„Mein Patriarch hat mich gefragt, ob ich nach Deutschland gehen möchte. Ich habe gesagt: Wenn du in mir jemanden siehst, der den Menschen in Deutschland dienen kann, bin ich bereit, das zu tun.“
 

Gemeindemitglieder aus vielen Nationen

Anfangs sei es für ihn hier schwierig gewesen. Zum einen kannte er die Sprache nicht, zum anderen war die Ausgangssituation besonders. „Vater Joseph hat mehr als zehn Jahre hier verbracht, und die Leute waren mit ihm verbunden. Es ist nicht leicht, wenn jemand stirbt, an seinen Platz zu treten. Einige akzeptieren dich, andere nicht.“ Doch Yachouh versucht, für alle da zu sein. Denn seine Gemeinde könnte unterschiedlicher nicht sein: Syrer, Iraker, Libanesen, Jordanier, Palästinenser. Er betreut sie in Messen in Trier, Koblenz, Saarlouis und Saarbrücken.

Die ersten Leute sind schon über eine Stunde vor Beginn des Gottesdienstes da. Im vorderen Teil der Kirche bereitet sich ein Chor vor, denn jede Messe wird durch Gesänge mitgestaltet. Daneben hat sich eine Gruppe Kinder zusammengefunden, die ein Lied proben – eine Überraschung für den Muttertag. Da es nur einmal im Monat eine Messe gibt, nutzen sie diese für ihre kleine Aufführung.

Im hinteren Teil der Kirche findet eine Art Katechese statt. Dima Mestrih erklärt den Kindern den Kreuzweg – auf Deutsch. „Nicht alle Kinder verstehen Arabisch. Manche verstehen es zwar, sprechen es aber nicht. Oft mache ich es zweisprachig auf Arabisch und Deutsch, damit alle Kinder zuhören können. Dann kommen ja auch noch dialektale Unterschiede hinzu, weil wir aus verschiedenen Ländern kommen. Wenn ich Deutsch spreche, ist das egal.“

Die 37-Jährige ist seit fünf Jahren in Deutschland, sie stammt aus Syrien. Wie alle in der Gemeinde Mitwirkenden macht sie ihre Aufgabe ehrenamtlich. „Es macht uns sehr viel Spaß, und wir machen es von ganzem Herzen. Denn es bedeutet uns viel, wir sind wie eine kleine Familie. Wenn man aus einem fremden Land kommt und man trifft jemanden aus dem gleichen Land, der die gleiche Sprache spricht, hat man eine Verbindung, selbst wenn man sich nicht kennt.“

Das Angebot einer muttersprachlichen Messe bedeutet den Menschen viel. Zum einen ermögliche es, die Kinder mit der Kultur der Herkunftsländer vertraut zu machen, erklärt Mestrih. Aber es sei auch ein anderes Glaubensgefühl. „Am Anfang konnten wir nicht gut Deutsch, aber wir wollten auch beten. Und wenn man in einer fremden Sprache betet, hat man nicht das gleiche Gefühl wie wenn man in der Muttersprache betet. Wir haben natürlich auch Deutsch gelernt, gehen regelmäßig dort zur Kirche wo wir wohnen. Aber die arabische Sprache, das hat auch was mit dem inneren Gefühl des Glaubens zu tun.“

Yachouh findet es wichtig, den Kindern noch etwas über Jesus zu erklären. Denn in Deutschland, so sagt er, lerne man in der Schule darüber nur wenig. Das geht einher mit einer anderen Wahrnehmung. „Die Leute sind Christen, aber sie wissen nichts von Jesus. Aber ohne ihn kann ich doch kein Christ sein.“

Das ist auch einer der Gründe, warum er unbedingt die deutsche Sprache lernen will.  „Ich möchte dieses Land, die Deutschen entdecken. Für mich ist es ein Geheimnis, wie sie denken. Das möchte ich herausfinden, denn ich habe viele Fragen. Und ich bin glücklich, wenn ich die Sprache gut genug kann, um diese Fragen zu stellen. Ich möchte ein Gespräch, das tief ist. Mit der Zeit wird das kommen.“ Der Kontakt mit anderen sei für ihn sehr wichtig, und der Schlüssel dazu sei die Sprache. „Den anderen verstehen, heißt ihn respektieren. Deshalb strenge ich mich wirklich an.“

Die Messe ist vom Ritus her der lateinischen ähnlich. Kleine Unterschiede gibt es aber trotzdem. Handkommunion sucht man hier vergebens und auch der Friedensgruß ist anders gestaltet „Bei uns gibt man sich nicht einfach die Hand.“  Der Priester gibt den Friedensgruß vom Altar an die Messdiener. Diese holen ihn dort quasi ab und bringen ihn zu den Besuchern in die Bänke. „Nicht einer dem anderen, sondern alle bekommen ihn vom Altar“.

Beim Vaterunser ertönen dann in der Kirche plötzlich auch vertraute Worte. Nach der arabischen Version wird es auf Deutsch gebetet. Nach und nach möchte Yachouh gerne weitere deutsche Texte integrieren. Warum er das tut? „Damit unsere Messe nicht nur für die Leute ist, die arabisch verstehen, sondern auch für alle anderen.“ Denn prinzipiell ist der Gottesdienst für alle Interessierten offen. Was man hier nicht will, ist eine Parallelgesellschaft. Auch wenn einige Menschen Probleme haben, sich zu integrieren, was Yachouh aber verstehen kann.
 

Den Menschen dienen statt sie zu verurteilen

„Natürlich habe ich hier auch Leute getroffen, die vergessen, dass es ein Bistum gibt, das ihnen einen ausländischen Priester zur Verfügung stellt. Aber diese Leute sind in einer speziellen Situation. Sie haben viel verloren, manche sich selbst.“ Er habe viele Häuser besucht, und in jedem gebe es eine Geschichte. Manche seien hier, obwohl sie es gar nicht wollten. „Aber wo sollen sie hingehen. In vielen ihrer Herkunftsländer  gibt es Bomben und Tod.“

Die Leute, die er begleite, seien in gewisser Hinsicht in ihrem Inneren verletzt, was für viele die Integration erschwere. „Wenn jemand dann Dinge sagt, die nicht gut sind, respektiere und verstehe ich das. Ich bin hier, um ihm zu dienen, nicht um ihn zu verurteilen.“

Doch natürlich sind es nicht nur traurige Situationen, auf die der Priester trifft. Er bereitet auch Taufen vor oder begleitet Paare vor der Eheschließung. Als er durch die Kirche geht, hüpft ihm ein kleines Mädchen lachend und winkend entgegen. Das sind die schönen Momente, die er erlebt. „Weißt du“, sagt er, „ich bin seit 14 Jahren Priester und seit etwa einem Jahr in Deutschland. Dieses eine Jahr bedeutet mir so viel, wie die 14 davor zusammen.“

(Sarah Schött/Paulinus)