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Friedrich-Schlomo-Rülf-Medaille für Herbert Jochum:Ehrung für „aufrichtigen Freund“ und jüdisch-christlichen Brückenbauer

Für seine Verdienste um die Verständigung und Versöhnung von Christen und Juden im Saarland hat die Christlich-Jüdische Arbeitsgemeinschaft des Saarlandes (CJAS) Professor Herbert Jochum die Friedrich-Schlomo-Rülf-Medaille verliehen.
Patrick Wilhelmy, Thomas Altmaier, Christine Unrath, Evgenij Mrinski, Herbert Jochum, Annegret Jochum, Ricarda Kunger und Roland Rixecker (von links)
Datum:
7. März 2024
Von:
Ute Kirch

Saarbrücken – Für seine Verdienste um die Verständigung und Versöhnung von Christen und Juden im Saarland hat die Christlich-Jüdische Arbeitsgemeinschaft des Saarlandes (CJAS) Professor Herbert Jochum am Dienstagabend, 5. März, die Friedrich-Schlomo-Rülf-Medaille verliehen. Der 86-Jährige gehört zu den Pionieren und bedeutendsten Persönlichkeiten des christlich-jüdischen Dialogs in Deutschland. Die Auszeichnung ist nach dem früheren Saarbrücker Rabbiner benannt und zeichnet in unregelmäßigen Abständen Personen, Institutionen und Initiativen aus, die sich insbesondere um die Verständigung zwischen Juden und Christen verdient gemacht haben. Rülf wanderte 1935 nach Palästina aus, kehrte aber 1951 nach Saarbrücken zurück, um beim Wiederaufbau der jüdischen Gemeinde zu helfen. 

Der katholische Theologe und Judaist Herbert Jochum ist seit 57 Jahren katholischer Vorsitzender der 1954 gegründeten CJAS. Die Vorsitzende der Synagogengemeinde Saar Ricarda Kunger nannte Jochum bei der Feier im Festsaal des Saarbrücker Rathauses „unseren treuesten Verbündeten, unseren engsten, aufrichtigsten Freund“: „Wie kein Zweiter im Saarland haben Sie zur Verständigung zwischen Juden und Christen beigetragen.“ Durch sein Wirken habe Jochum dazu beigetragen, dass Menschen im Saarland mehr über das Judentum erfahren. So zählen zu den Verdiensten des Geehrten hunderte Vorträge und Seminare zu jüdischer Geschichte, Philosophie, Kultur und Religion, zum Thema Antisemitismus, zur Geschichte des Staates Israel und zum Nahostkonflikt. Er organisierte über 40 Gruppenreisen – auch für Schülerinnen und Schüler – nach Israel, erforschte das Leben und das Werk Rülfs, dessen Erinnerungen er herausgab, und war Ideengeber des seit 2013 nach dem Rabbiner benannten Platzes in der Saarbrücker Innenstadt. Jochum kuratierte mehrere bedeutende Ausstellungen. „Ecclesia und Synagoga“ über das Verhältnis von Christentum und Judentum in der kirchlichen Kunst zeigt konfliktreiche Verhältnis dieser beiden Religionen und war in mehr als70 deutschen Städten sowie mehreren europäischen Ländern zu sehen. Darüber hinaus setzte er sich für den Erhalt der 16 jüdischen Friedhöfe im Saarland und deren Erforschung ein. 

Versuch, den Zivilisationsbruch der Schoah zu verstehen

Der Geschäftsführer der Synogogengemeinde Saar Evgenij Mrinski überreicht Professor Herbert Jochum die Friedrich-Schlomo-Rabbiner-Rülf-Medaille.

Die Laudatio hielt Professor Roland Rixecker, der Beauftragte der Landesregierung für jüdisches Leben im Saarland und gegen Antisemitismus. Er nannte Jochum einen Brückenbauer, dessen Wegmarken Bildung und Begegnung seien. „Ihr Ursprung war eine tiefe Irritation: Wie kann man das Schicksal der jüdischen Menschen unter der Gewalt- und Willkürherrschaft der Nationalsozialistischen Zeit, den Zivilisationsbruch der Schoah verstehen? Wie kann man als Christ das Geburtstrauma des Christentums verstehen, das seine Identität durch die Diffamierung und Entwürdigung des Judentums gewonnen hat? Die Fragen haben Sie immer stärker beschäftigt. Ihr Wissen wuchs, Ihr Verständnis schwand immer mehr“, sagte Rixecker. In der frühen Bundesrepublik seien die Verbrechen verdrängt worden: „Sie aber wollten sehen und wissen und sich zur Wahrheit und zum Verständnis quälen.“  

Yedida Kaouly-Rülf, die Tochter Friedrich Schlomo Rülfs, hatte ein Grußwort für die Feierstunde geschickt, das der jüdische CJAS-Vorsitzende Evgenij Mrinski, verlas: „Niemand hat die Auszeichnung mehr verdient. Dahinter steht jahrzehntelange Arbeit, endlose Liebe und Energie für die CJAS.“ Der Komponist Tzvi Avni (geb. 1927), ein enger Freund Jochums, der 1935 als Siebenjähriger Saarbrücken verlassen musste, hob in seinem Grußwort, das Dr. Daniel Maoz verlas, besonders die Wiederbelebung der Erinnerung an das Leben und Wirken Rabbiner Rülfs als Verdienst hervor: „Was die Menschen heute über ihn wissen, ist Dein Verdienst.“  

 

"Preis verpflichtet zum Weitermachen"

Professor Herbert Jochum

Herbert Jochum erinnerte in seinen Dankesworten an die Epochen der 2000-jährigen Geschichte von Juden und Christen, in denen ein friedliches Miteinander möglich war. „Die ersten Christen waren jesusgläubige Juden“, berichtete er. So hätten im ostsyrischen Raum Juden und Christen bis ins 5. Jahrhundert gemeinsame Gottesdienste gefeiert. „Menschen in der Karolingerzeit sahen in Juden die Nachfahren der Propheten – sie hatten ein positives Bild.“ So seien auf der deutschen Kaiserkrone nicht Jesus, sondern David, Salomo und Ezechias zu sehen. „In der Gestaltwerdung Europas hat das Judentum eine große Bedeutung“, so der Professor. Weitere Beispiele seien etwa, dass in der frühen Neuzeit Theologen begannen, Hebräisch zu lernen. 1926 kam es zur Gründung der „Priesterlichen Vereinigung der Freunde Israels“ im Vatikan, die sich für eine Versöhnung zwischen Christen und Juden einsetzen. Die Vereinigung bestand allerdings nur zwei Jahre. „Dieser Tradition und den Beispielen des guten Zusammenlebens sollten wir folgen“, appellierte der Preisträger. Doch dies sei gerade heute nicht einfach. „Wir leben in emotional geladenen Shitstorm-Zeiten, in denen fast jeder in Deutschland zum Beispiel ein Experte für den Nahostkonflikt ist, ohne irgendetwas zu wissen. Man kann sich nur wundern“, sagte Jochum. Die wenigsten von ihnen hätten jemals mit einem Juden gesprochen, hätten aber ein festes Bild im Kopf. „Das Bild kann sich durch Begegnung verändern. Die Synagogengemeinde präsentiert sich durch Veranstaltungen in der Öffentlichkeit. Sie reichen uns die Hand – trotz allem, was war – ergreifen wir sie!“ 

Nach 57 Jahren wolle er sich allmählich zurückziehen, Jochum wisse die CJAS in guten Händen. Der Sache wird er jedoch verbunden bleiben. „Ruhestand ist nicht angesagt. Dieser Preis verpflichtet mich weiterzumachen und dieser wichtigen Aufgabe, wie man heute wieder merkt, wie notwendig sie ist, dass Juden und Christen sich versöhnen nach einer so langen und schrecklichen Geschichte.“ 

Christlich-jüdische Arbeitsgemeinschaft des Saarlandes:Verleihung der Friedrich-Schlomo-Rülf-Medaille an Prof. Herbert Jochum

Für seine Verdienste um die Verständigung von Juden und Christen im Saarland hat die Christlich-Jüdische Arbeitsgemeinschaft des Saarlandes (CJAS) Professor Herbert Jochum die Friedrich-Schlomo-Rülf-Medaille verliehen.
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