Blinde Tonpost-Mitarbeiterin berät „Garten der Sinne“ in Merzig in Sachen Barrierefreiheit:Ein Garten zum Ertasten und Riechen
Merzig – Das satte Grün der Wiesen und Bäume, die facettenreiche Farbpracht der Blumenwelt – die meisten Menschen entdecken die Natur im „Garten der Sinne“ in Merzig zuerst mit den Augen. Bei Nicole Hemmerling ist dies anders. Seit einer Erkrankung mit sechs Jahren ist die heute 40-Jährige blind. Ein Gartenbesuch lohnt sich für Blinde und Sehbehinderte dennoch, ist die Mitarbeiterin in der Abteilung Jugend des Bischöflichen Generalvikariats überzeugt. Statt der Augen schickt sie ihre anderen Sinne auf Entdeckungsreise durch die Natur. Neben den Geräuschen wie dem Rauschen der Blätter im Wind, den Schritten auf dem Kiesboden, dem Summen der Insekten oder dem plätschernden Wasser im Wassergarten, sind es die unterschiedlichen Düfte, die ihre Wahrnehmung dominieren. Auch der Tastsinn spielt dabei eine große Rolle, Blätterformen und ihre Struktur lassen sich durch Berühren erkennen. Als Redaktionsmitglied der „Tonpost“ des Bistums Trier, bei der Hörzeitschriften produziert werden, nimmt sie die Geräusche und ihre Wahrnehmung für einen Beitrag auf.
Doch wie muss ein Garten gestaltet sein, damit er den Bedürfnissen von Blinden und Sehbehinderten entspricht? Vor dieser Frage steht derzeit der „Garten der Sinne“ in Merzig. „Wir wollen unseren Tastgarten neu gestalten und hier noch barrierefreier werden“, sagt die Leiterin des Projektbüros Gärten ohne Grenzen, Ulrike Heffinger. Sie hat Nicole Hemmerling eingeladen, damit sie ihr aus erster Hand wertvolle Hinweise gibt, bevor die Umbauten beginnen. „Wir sind dankbar um jeden Tipp und wollen uns gut informieren, man kann da ja – bei noch so gutem Willen – auch schnell Blödsinn machen“, sagt Heffinger. Schon bei der Gründung des Gartens im Jahr 2002 habe die Barrierefreiheit eine große Rolle gespielt, erklärt sie. So ist ein Rundgang durch alle elf von Hecken eingerahmten Gartenzimmer stufenfrei möglich. Jedes Gartenzimmer steht unter einem anderen Motto, das auch die verschiedenen Sinne anspricht. So dominieren im Rosengarten die Düfte, im Klanggarten können Besucher per Hand oder Schlägel verschiedene Klangelemente zum Tönen bringen. Ein Barfußpfad über Kiesel, Tannenzapfen, abgerundetes Glas oder Holz ist für alle gleichermaßen ein Erlebnis. Auch ein Gang durch das 900-Meter-lange Hecken-Labyrinth eigne sich für Blinde und Sehbehinderte, sagt Nicole Hemmerling: „Die Hecken geben einem an beiden Seiten die notwendige Orientierung.“
Im Tastgarten sind das Abpflücken der Pflanzen, das Riechen und das Schmecken ausdrücklich erlaubt. Nicole Hemmerling lässt hintereinander Fenchelkraut, Pfefferminzblätter und Salbei durch die Finger gleiten und hält sich die Kräuter unter die Nase. „Vorsicht, hier ist die Yucca-Palme, die ist gemeingefährlich spitz“, warnt Ulrike Heffinger. Im Beet nebenan wächst Frauenmantel. „Die Blätter sind wie Kelche geformt, in denen noch der Tau steht“, sagt Hemmerling tastend. Noch wachsen alle Pflanzen in Beeten am Boden. „Wir wollen bei der Renovierung einen Teil der Pflanzen in Hochbeete setzen, die auch von Rollstühlen unterfahren werden können und Schilder in Brailleschrift sowie weitere Klangelemente anbringen“, sagt Heffinger. Nur die besonders hochgewachsenen Pflanzen sollen weiter in den Boden eingesetzt werden. Ein Vorhaben, das Nicole Hemmerling begrüßt: „Wichtig ist auch eine gute Wegeführung, an der sich Blinde und Sehbehinderte auch mit dem Blindenstock orientieren können.“ Hier könnten Rillen oder in den Boden eingelassene Indikatoren sinnvoll sein, seien aber nicht überall ein Muss: „Es muss ja auch finanzierbar bleiben“, zeigt Hemmerling Verständnis. So könnte es auch genügen, wenn die in den Boden eingelassenen Beete mit Steinen oder Metallrahmen eingefasst seien. Auch mit Naturstein umrandete Kieswege könnten gut ertastet werden. „Die Schilder sollten in Höhe der Beete angebracht sein und etwas angeschrägt sein. So sind sie besser mit den Fingern zu ertasten“, regt Hemmerling an. Am Eingang des Gartens könne sie sich gut einen taktilen Übersichtsplan des Gartens vorstellen, der alle Gartenzimmer mit kurzer Erläuterung vorstellt.
Von Überlegungen, Erläuterungen zum Garten via Audiospur anzubieten, habe man Abstand genommen, sagt Ulrike Heffinger. „Das widerspricht unserem Empfinden von Naturerlebnissen, wenn technische Geräusche die Geräusche der Natur überlagern.“ Dies sieht auch Nicole Hemmerling so: „Man darf die Geräuschkulisse auch nicht überladen, sodass es ein Zuviel an Geräuschen gibt.“ Ganz auf zusätzliche Geräusche müsse aber dennoch nicht verzichtet werden. So könne etwa der Meditationsgarten um Relaxstühle und Klangelemente in den Bäumen erweitert werden. „Die Musik könnte nur zeitweise zu hören sein und zur Entspannung während des Besuchs einladen.“ Nicole Hemmerling will nun auch den Kontakt zu anderen Anlagen herstellen, etwa einem Ferienhaus für Blinde, das bereits eine sehr gut gestaltete Außenanlage habe. Ist die Ideensuche abgeschlossen, soll die Renovierung starten und der neue Tastgarten im kommenden Sommer fertig sein.
(uk)