Kreuzweg :Ein Kreuzweg mit Geschichte
Püttlingen - „Ein Grafiker hier meinte: ,Malen konnte sie gewiss nicht. Aber sie bringt es fertig, einen unglaublichen Ausdruck und Emotionen in diese Bilder hineinzulegen‘“, erzählt Pfarrer Hans Georg Müller (61), Rector Ecclesiae (Kirchenrektor) des Klosters Heilig Kreuz in Püttlingen. Diese Emotionen sind stark mit der Geschichte von Katharina Katzenmaier verbunden, wie Schwester Theodolinde mit bürgerlichem Namen hieß.
„Katharina Katzenmaier war Gemeindehelferin auf der Ritterstraße in St. Bonifatius und hat sich von Anfang an vehement gegen die Ideologie des Nationalsozialismus eingesetzt“, weiß der Pfarrer. Ihr Einsatz bringt sie ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. „Es gibt ihre Autobiografie ,Vom KZ ins Kloster‘, in der sie sehr konkret beschreibt, wie sie im KZ behandelt wurde.“
Da sieht man richtig die Menschlichkeit und den gegenseitigen Trost
Schwester Mercy Marattukulam Varghese, Oberin im Püttlinger Kloster
Auszüge aus diesem Buch ergänzen die Kreuzwegdarstellungen. „Sie beschreibt sehr klar alle Schikanen. Diese Erfahrung hat sie aber nicht gebrochen, sie blieb ihrem Glauben treu“, so Müller. Katharina Katzenmaier überlebt das KZ und entscheidet sich, Ordensfrau zu werden. Sie tritt den Benediktinerinnen bei und setzt sich im Alter von 80 Jahren nochmal mit ihrer Geschichte auseinander – daraus entstehen die Kreuzwegstationen. „Sie interpretiert Ereignisse, gibt aber auch Hoffnungsbilder von Auferstehung und Lebensdeutung. Sie versucht, ihre Emotionen und Empfindungen, alles, was sie im KZ erlebt hat, in die Bilder zu legen.“
Die Originale befinden sich in Mannheim. Im Kloster ausgestellt sind gerahmte Fotografien der 18 Stationen, die Fotografenmeisterin Marion Sänger angefertigt hat.
Jeder muss sein Kreuz tragen
Katzenmaier hat jeder Station einen Titel gegeben. Die Lieblingsstation von Schwester Mercy Marattukulam Varghese (45), Oberin im Püttlinger Kloster, ist die mit dem Titel „Stärke“. Sie stellt dar, wie Jesus seiner Mutter begegnet. „Da sieht man richtig die Menschlichkeit und den gegenseitigen Trost“, sagt sie. Pfarrer Müller schätzt unter anderem die Station „Duldsamkeit“, die in regulären Kreuzwegen nicht vorkommt. Sie zeigt Jesus von hinten, das Kreuz auf den Schultern. „Jeder von uns muss das eine oder andere Kreuz tragen, aber die Station sagt uns: Nur Mut. Es ist eine Duldsamkeit, die etwas mit Treue und Ausdauer zu tun hat“, deutet der Priester.
Die klassischen Kreuzwegstationen werden bei Schwester Theodolinde ergänzt durch eher deutende Stationen mit Titeln wie eben „Duldsamkeit“ und auch „Würde“. Am Ende hat sie noch zwei deutende Stationen eingearbeitet. Eine steht für „Hoffnung“ und zeigt einen Engel am Grab. „In all der Misere gibt es Hoffnungsengel. Nicht nur die am Ostertag, sondern auch die Engel ohne Flügel“, erklärt Pfarrer Müller.
Kreuzweg ist etwas Zeitloses
Die letzte Station, „Verstehen“, bildet alle Stationen ab, am Ende steht Christus. Schemenhaft zeigt sie Schwester Theodolinde selbst und die Gesichter von geschorenen KZ-Insassen. Das Bild drückt für Pfarrer Müller das Besondere des Kreuzwegs der Benediktinerin aus: dass sie ihre Lebensgeschichte hineingelegt hat. „Sie reflektiert ihre schmerz- und leidvolle Erfahrung und begreift: Ich muss diesen Kreuzweg gehen, aber der Herr trägt mich und geht mit mir.“
Ein Kreuzweg sei nichts einmal Geschehenes, sondern etwas Zeitloses. Das wird deutlich im Gebet von Schwester Theodolinde aus ihrer Autobiografie, das die letzte Station ergänzt: „Herr Jesus Christus, es fällt schwer, sich mit einer Vergangenheit zu beschäftigen, die belastet und drückt. Doch wer vor der Vergangenheit die Augen schließt, wird blind für die Gegenwart. Wer sich der Gräuel und Menschenverachtung nicht erinnern will, wird anfällig für neue Ansteckungsmöglichkeiten. Hilf uns, die Gefahren der Zukunft zu erkennen, und gib uns Kraft, Gegenwart und Zukunft verantwortlich zu gestalten.“