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Aufführung von Tanzprojekt des Dekanats Saarbrücken beim Festival Perspectives:Einer Minderheit eine Stimme geben

Einen Tag vor der offiziellen Eröffnung des Festival Perspectives hatte das Tanzprojekt "Fara Voce - Ohne Stimme" seine große Aufführung in Spichern, kurz hinter der französischen Grenze.
Eine der unheimlichsten Szenen des Stücks: Mit weißen Kitteln und Mundschutz werden die Jugendlichen in der schwarzen Kleidung 'begutachtet'.
Datum:
1. Juni 2017
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Spicheren – Regungslos steht eine Gruppe Jugendlicher auf der Bühne. Einige sitzen auf dem Boden. Sie halten sich gegenseitig fest. Aus den Boxen ertönt eine Stimme, die immer wieder ein Wort wiederholt: „Zigeuner!“ In verschiedenen Sprachen. Plötzlich löst sich ein Mädchen aus der Gruppe. Sie geht um die anderen herum, versucht Kontakt aufzunehmen, doch alle stoßen sie weg.

So beginnt das Tanzprojekt „Fara Voce – Ohne Stimme“, das Heiner Buchen, Pastoralreferent des Dekanats Saarbrücken mit Choreografin Daniela Rodriguez zur Musik von Carsten Thiele ins Leben gerufen haben. Das Projekt, das im Rahmen des Festival Perspectives aufgeführt wurde, befasst sich mit Roma und Sinti. „Wir wollen mit diesem Stück einer Minderheit in Europa eine Stimme geben und soweit es uns möglich ist, auch ein Stück Würde zurückgeben. Denn das ist eine Gruppe von Menschen, die nicht beachtet wird“, erklärt Heiner Buchen kurz vor der Aufführung. Entstanden ist das Stück im Sommer 2016, als sich fast 60 Jugendliche aus Frankreich, Deutschland, Bosnien und Rumänien in der rumänischen Stadt Targu Jiu zwei Wochen lang getroffen hatten, um miteinander zu leben, zu tanzen und nachzudenken, wie es auf der Homepage des Projekts heißt. Jetzt haben sich 54 von ihnen auf dem Sportplatz im lothringischen Spichern für acht Tage getroffen, um das Stück noch einmal zu überarbeiten. „Wir sind ein Ensemble geworden, das sich verändert und wandelt und auch das Stück, das wir heute aufführen ist anders als die Uraufführung in Rumänien. Die Jugendlichen hatten hier noch mehr Möglichkeiten, ihre eigenen Interpretationen in die Szenen hineinzufügen“, so Heiner Buchen.

Diese Szenen sind so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Gerade noch haben die Jugendlichen zusammen ausgelassen zu lebhafter Musik ausgelassen und fröhlich im Kreis getanzt, da stehen sie plötzlich still da. Die Musik ist in den Hintergrund verschwunden. Stattdessen sprechen zwei der Jugendlichen Beleidigungen gegen Roma und Sinti in Mikrofone, die von der Decke hängen: „Zigeuner sind schmutzig!“ Wieder in verschiedenen Sprachen. Die Hälfte der Jugendlichen trägt schwarze Kleidung. Die anderen tragen weiße Kittel und Mundschutz. Sie schieben die dunkel gekleideten Jugendlichen hin und her. Sie positionieren sie nach Belieben und verdrehen ihre Arme wie die von Puppen.

In Spichern haben die Jugendlichen nicht nur für ihren Auftritt geprobt, sondern sich auch intensiv mit den Roma und Sinti auseinandergesetzt, wie Anthony Mejeh (17), einer der Jugendlichen berichtet: „Wir hatten verschiedene Workshops zur Kultur der Roma und Sinti. Einmal haben wir uns mit einer Sinti getroffen: Helene Meerstein. Sie hat die Kriegszeit miterlebt, musste fliehen und lebt jetzt in Forbach. Sie hat uns erzählt, wie das Leben als Sintizza war und ist.“

Am Ende ihres Auftritts bebte der Sportplatz in Spichern: minutenlangen unter dem tosenden Applaus, mit dem die alle, die an dem Stück und dem Projekt mitgewirkt hatten, gefeiert wurden. Die Aufführung fand einen Tag vor der offiziellen Eröffnung des Festival Perspectives, dem deutsch-französischen Festival für Bühnenkunst, vor ausverkauftem Haus statt.

Das Projekt wird unter anderem auch aus Mitteln der Bischof-Stein-Stiftung und der Monsignore-Gammel-Stiftung gefördert.

Dominik Holl