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KAB diskutiert mit Arbeitskammer-Referentin über ungleiche Verteilung der Sorgearbeit:Equal Care Day – Fürsorge sichtbar machen

Mit dem internationalen Aktionstag „Equal Care Day“ wird auf die ungleiche Verteilung und die mangelnde Wertschätzung von Fürsorgearbeit aufmerksam gemacht.
Datum:
4. März 2021
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Saarbrücken – Mit dem internationalen Aktionstag „Equal Care Day“ wird auf die ungleiche Verteilung und die mangelnde Wertschätzung von Fürsorgearbeit aufmerksam gemacht. Unter dem Titel „Viel Verantwortung – wenig Wertschätzung“ hat die Katholische Arbeitnehmer Bewegung (KAB) im Saarland am Dienstag, 2. März, im Rahmen ihrer Gesprächsreihe „KAB im welt:raum“ gemeinsam mit der Referatsleiterin Frauen- und Gleichstellungspolitik der Arbeitskammer, Getrud Schmidt, über Gründe und Lösungswege diskutiert.

Erst seit 2016 erinnert der „Equal Care Day“ in Schaltjahren am 29. Februar und in allen anderen Jahren am 1. März an die ungleiche Verteilung der Sorgearbeit. So verdienen Frauen in Deutschland rund 20 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Gleichzeitig leisten Frauen deutlich mehr unbezahlte Sorgearbeit als Männer. Sie investieren im Durchschnitt 1,5 Stunden pro Tag mehr in Haushalt, Kinderbetreuung, Pflege und Ehrenamt. Der sogenannte Gender Care Gap beträgt etwas mehr als 50 Prozent. Diese Zahlen stammen, so berichtet Gertrud Schmidt, aus dem zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung von 2017.

Die Ursprünge hierfür liegen in der Industrialisierung im 19. Jahrhundert, als sich erstmals die Trennung zwischen der öffentlichen Sphäre der Erwerbsarbeit und der privaten Sphäre der Familie herausgebildet hat. Von da an wurden Männer für die bezahlte Erwerbsarbeit außer Haus zuständig gesehen, Frauen für die Familienarbeit und den Haushalt. Letzteres zählte dann auch nicht mehr als Arbeit, es entstand die Vorstellung, Frauen widmeten sich diesen Tätigkeiten aus Liebe. Dieses gesellschaftliche Ideal hatte in der Bundesrepublik seine Blüte in den 1950er und 60er Jahren.

Gertrud Schmidt, Foto: Pasquale d`Angiolillo/Arbeitskammer

Diese rigide Trennung von männlicher Erwerbs- und weiblicher Hausarbeit ist heute aufgebrochen. Doch nach wie vor wird die Haus- und Familienarbeit der Erwerbsarbeit untergeordnet. Die Beteiligung von Männern an der Sorgearbeit steigt zwar, doch im Vergleich übernehmen Frauen dennoch einen größeren Anteil. Junge Paare ohne Kinder hielten die gleiche Arbeitsaufteilung für wichtig, sagt Schmidt: „Der Kipppunkt ist das erste Kind. Selbst egalitärste Paare erfahren dann ganz oft eine Retraditionalisierung der Rollen.“ Frauen verdienten in der Regel weniger, blieben länger zu Hause und arbeiteten danach vermehrt in Teilzeit, was sich im Alter auf deutlich geringere Rentenbezüge auswirke. Hinzu komme das Ehegattensplitting und die ungünstige Steuergruppe V, die viele vor die Frage stelle, ob es sich überhaupt noch lohne zu arbeiten, wenn parallel dazu die Kinderbetreuung bezahlt werden müsse. „Aber selbst wenn die Bereitschaft besteht, die Arbeit hälftig aufzuteilen, muss es auch genügend Kitas geben, die das möglich machen“, sagt Schmidt. Hier seien auch Betriebe gefordert, die Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit und Familie zu verbessern, etwa durch eigene Kinderbetreuung. In anderen Ländern, insbesondere in Skandinavien, seien die Sozialsysteme anders strukturiert, was sich dann in gendergerechtere Einstellungen widerspiegle.

Die Frauenerwerbsquote steige in ganz Deutschland, auch im Saarland. Doch liege das Saarland hier deutlich unter dem Bundesschnitt an vorletzter Stelle. Dies habe auch viel mit der saarländischen Vergangenheit zu tun, die dominiert war von Bergbau, Stahl und Fahrzeugbau meint Schmitt: „Das waren gut bezahlte Männerbranchen. Man konnte es sich leisten, dass die Frau nicht arbeitet.“

Die unterschiedliche Wertschätzung von Männer dominierten Berufen zeige sich bis heute: „Während man zur Ausbildung zur Erzieherin eine Berufsschule besucht, gibt es in Männer dominierten Berufen das duale Studium mit einer Ausbildungsvergütung“, sagt Gertrud Schmidt. „Automechaniker arbeiten körperlich schwer, aber auch Krankenschwestern, bei denen zudem noch große Voraussetzungen an die Empathie gestellt werden.“ Im Gehalt spiegle sich diese Verantwortung nicht wider. „Die Lösung kann nicht sein, dass Frauen einfach die Berufe wählen sollten, die besser bezahlt sind. Es braucht in unserer Gesellschaft auch jemanden, der sich kümmert und in die Pflege geht“, sagt Schmidt. Zudem zeigten Studien, dass ein steigender Frauenanteil in einem Beruf zu einem gleichzeitigen Absinken des Lohnniveaus führe. Dies liege jedoch nicht daran, dass die Löhne beider Geschlechter in diesem Bereich sinken. Vielmehr arbeiteten dann mehr Frauen mit konstant niedrigeren Verdiensten in dem Beruf.

Auf einen Blick:

https://equalcareday.de/was-ist-care/#02067c6820cfcef59

Hintergrund:

Die Diskussion über den Equal Care Day war der Auftakt der diesjährigen Gesprächsreihe der KAB im welt:raum, die alle 14 Tage, dienstags um 18 Uhr, digital stattfindet. In den nächsten Monaten sind folgende Veranstaltungen geplant:

16. März: „Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk – Brauchen wir das oder kann das weg?“ Gespräch mit dem Theologen und Journalisten Stefan Weinert

30. März: Stressbewältigung im Alltag. Gespräch mit der Heilpraktikerin für Psychotherapie Ingeborg Weiland.

13. April Befristete Arbeitsverträge – Immer wieder die Luft anhalten. Gespräch mit Tanja Lauer, ver.di

27. April: Digital abgehängt? Wie ein zweites Leben für Computer Menschen digitale Teilhabe ermöglicht. Gespräch mit Harald Kreutzer vom Verein weltveränderer e.V.

11. Mai: 1700 Jahre freier Sonntag. Gespräch mit Egbert Ulrich von der Sonntagsallianz Saarland.

25. Mai: Verschwörungserzählungen. Gespräch mit Nicola Rosendahl von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Rheinland-Pfalz

8. Juni: Hunde als Menschenpartner. Gespräch mit Jutte Dietzen.

Weitere Infos: www.Kab-trier.de und www.facebook.de/KAB.Treff

(uk)