Plakate von Jugendlichen zum Thema Demokratie bald in Stadtbücherei und auf Werbeflächen ausgestellt:„Es geht darum, gehört zu werden“
Saarburg – Mit Kopfhörern auf den Ohren steht Desire konzentriert über einen Tisch im Jugendzentrum (JUZ) Saarburg gebeugt. Vor ihr ein großes weißes Plakat, auf das die 17-Jährige schon mit Bleistift zwei Mädchen vorgezeichnet hat – eines mit Kopftuch und eines mit dunkler Hautfarbe – die ein Banner mit dem Schriftzug „Individualität statt Uniformität“ in die Höhe halten. Am Nebentisch tauchen gerade die beiden elfjährigen Freundinnen Anna und Camille die Pinsel in dickflüssige Acrylfarbe und malen an einem Buch weiter, über das sie in großen Lettern „Bildung ist mehr aus Schule“ geschrieben haben. Auf einem dritten Blatt entsteht währenddessen eine Erdkugel, die von den Worten „Klimawandel jetzt stoppen!“ umrundet wird. Die fertigen Werke werden nicht nur im JUZ ausgestellt, sondern sind Teil der bistumsübergreifenden Aktion „#Demokratie Wählen“. Die Abteilung Jugend im Bistum Trier hatte die Aktion ins Leben gerufen, um angesichts von Verschwörungserzählungen und populistischen Tendenzen ein Zeichen für die Demokratie und eine offene und menschenfreundliche Gesellschaft zu setzen.
Über den Sommer hatten die Fachstelle für Kinder- und Jugendpastoral Trier, weitere Fachstellen und Gruppen im Bistum Trier junge Menschen dazu aufgerufen, sich mit ihren Forderungen und Wünschen angesichts der anstehenden Bundestagswahl zu beschäftigen und diese kreativ zu Papier zu bringen. Für die Plakatwand-Aktion wurden große Werbeflächen in Trier, dem Kreis Trier-Saarburg und anderen Städten im Bistum angemietet, wo die Meinungen und Positionen der jungen Leute vom 10. bis 20. September öffentlich zu sehen sein werden. Zusätzlich werden die Originale ab dem 9. September in der Stadtbücherei Trier ausgestellt.
Eine unpolitische Jugend? Ein Klischee…
Die Jugend sei entgegen gängiger Klischees durchaus politisch, erklärt Jacqueline Maron, Leiterin des JUZ Saarburg. „Sie sind nicht unbedingt parteipolitisch unterwegs, aber sie haben ihre Themen und ihre Wünsche. Was wir häufig in Gesprächen heraushören ist, dass sie sich oft nicht ernst genommen fühlen, weil sie als unwissend oder nicht reif genug abgetan werden. Es frustriert natürlich, wenn sie ihre Anliegen nirgends anbringen können.“ Schwerpunkte seien neben dem Thema Klimawandel auch die Bildungspolitik und die Digitalisierung. „Sie sprechen von Bildungsdruck, von fehlenden technischen Voraussetzungen für einen digitalen Unterricht“, sagt Maron. Die elfjährige Anna macht das an einem Beispiel deutlich: „Wir schleppen manchmal bis zu zwölf Kilo im Schulranzen mit uns herum, da würden wir uns wünschen, dass man mehr mit Tablets arbeitet. Und der Fernunterricht während der Lockdowns war auch für viele Schüler schwierig, die Zuhause keine oder langsame Computer oder Laptops hatten.“
Dass auch junge Leute durchaus an den Entscheidungen interessiert sind, die Politiker jetzt über ihre Zukunft treffen, bestätigt auch der 19-jährige Tobias, der seit drei Wochen seinen Bundesfreiwilligendienst am JUZ Saarburg leistet und beim Projekt mit von der Partie ist. „Es geht jungen Leuten um das Thema selbst. Daraus kann die Politik auch lernen, keine Personendebatten zu führen, sondern wirklich inhaltlich zu diskutieren.“ Kirchliche und kommunale Jugendarbeit wie am JUZ schätzt Tobias dabei besonders. „Hier kommen Kinder und Jugendliche mit ganz unterschiedlichen sozioökonomischen Hintergründen zusammen. Da findet ständig Meinungsaustausch statt, auch wenn es um politische Themen geht. Sie finden hier ein Forum, wo keiner diskriminiert wird. In meinen Augen ist das eine wichtige Sozialisierungsinstanz, die Jugendliche abseits von Familie und Schule nochmal mit ganz anderen Ansichten, Meinungen und Eindrücken zusammenbringt.“
Sich Gehör verschaffen für Demokratie, Solidarität und Toleranz
Auch schon Kinder und Jugendliche könnten sich für ihre Ziele und Zukunftsforderungen engagieren, sagt die 24-jährige Susanna, die selbst seit drei Jahren das Jugendforum in Saarburg leitet, das am JUZ angesiedelt ist. „Wer mag, kann sich hier einbringen, mit entscheiden, welche Projekte realisiert werden, aber sich auch mit politischen Forderungen vor Ort einsetzen. Das ist nur eine Möglichkeit – es gibt noch viel mehr, wo auch schon Jüngere ausprobieren können, wie Mitsprache und Beteiligung funktionieren.“ Auch die Sozialen Medien böten ein weites Feld an Möglichkeiten, sich einzusetzen – etwa über Petitionen oder direkte Nachrichten und Kommentare an Politiker und Parteien. „Demokratie ist ein hohes Gut, sie ist nicht selbstverständlich. Das sehen wir ja, wenn wir uns in der Welt umschauen. Toleranz, Solidarität, Gleichberechtigung, das sind alles demokratische Werte für die es lohnt, sich einzusetzen. Demokratie heißt für mich, dass die eigene Stimme Gewicht hat und zählt. Es geht darum, sich Gehör zu verschaffen.“
Bei der Plakatwandaktion in der Region Trier und Saarburg sind viele unterschiedliche Jugendgruppen beteiligt, darunter etwa Jugendliche von Schweicher Schulen, vom Jugendzentrum am Weidengraben in Trier, vom Caritas-Bauspielplatz Trier-West, von der Katholischen Landjugendbewegung, von der Katholischen Studierenden Jugend (KSJ) oder vom Turnverein Hermeskeil. Weitere Plakatwände werden in Traben-Trabach, Wittlich, Bernkastel-Kues, Cochem, Morbach, Andernach, Mayen und Ahrweiler ausgestellt. Zudem sollen Bilder unter dem Hashtag #DemokratieWählen in sozialen Netzwerken gepostet werden. Mehr Informationen zur Plakatwand-Aktion #DemokratieWählen gibt es unter anderem auf: www.fachstellejugend-trier.de.
(sb)