„Europa hat eine besondere Mission“
Luxemburg/Trier – „Europa hat eine besondere Mission: Im Aufeinandertreffen der Kulturen, Ideologien und wissenschaftlichen Revolutionen den Menschen als offen für den anderen zu bewahren. Der Mensch, der darauf bedacht ist, den Dialog und das Teilen zu pflegen und der sich dem Gemeinwohl verpflichtet sieht.“ Das haben die Bischöfe der Euregio in einem Brief anlässlich der anstehenden Europawahl verdeutlicht. Sie richten sich darin an die Bürgerinnen und Bürger Europas, um „ihre Überzeugungen und Sorgen“ zu teilen und alle Europäer zur Teilnahme an der Europawahl am 26. Mai einzuladen. Bei einer Pressekonferenz am 29. April in Luxemburg stellten die zur Euregio gehörigen Diözesen Aachen, Lüttich, Metz, Nancy, Namur, Trier, Troyes, Verdun und das Erzbistum Luxemburg den Hirtenbrief vor. Das Bistum Trier vertrat Domvikar Dr. Hans Günther Ullrich, Leiter der Abteilung Ehrenamt, Bildung und Gesellschaft im Bischöflichen Generalvikariat.
Die Europäische Union befinde sich in einer tiefen Krise, verfüge aber gleichzeitig über wichtige Vorteile, um dieser entgegenzutreten, betonen die Bischöfe. „Europa ist nicht aus einer gewalttätigen und unmittelbaren Revolution entstanden, sondern aus einer allmählichen Verwandlung unter der Wirkung gemeinsamer Prinzipien, die die neue Gesellschaft hervorgebracht haben.“ Das Bewusstsein für dieses gemeinsame Erbe wiederzugewinnen und die Beiträge der Europäischen Union in ihrem täglichen Leben wahrzunehmen – dazu wolle die Euregio die Bürger und Bürgerinnen einladen. Durch die Teilnahme an den Wahlen könne sich jeder einsetzen für eine Zukunft, die vom Dienst am Gemeinwohl aller Völker Europas geleitet werde.
Die Bischöfe sehen vor allem sechs Herausforderungen für das heutige Europa. Erstens die Solidarität: Die Europäische Union müsse der Unterstützung von Menschen Vorrang einräumen, die angesichts eines Liberalismus im Finanzwesen, der den Menschen verachtet, in Schwierigkeiten geraten sind. Zweitens die diplomatische Solidarität, um Frieden zu fördern und Terrorismus zu bekämpfen. Drittens die Achtung des menschlichen Lebens in all seinen Phasen. Viertens die Sorge für die Umwelt mit Blick auf eine integrale Ökologie, die den Menschen ins Zentrum der Schöpfung stellt, in seiner Beziehung zu anderen Menschen und Geschöpfen.
Fünftens die Migrationsfrage: Die Migranten verließen ihr Land aus wirtschaftlichen Ursachen oder auf der Suche nach Sicherheit und müssten das Mittelmeer zum Teil unter Lebensgefahr überqueren. „Europa muss in einem von allen seinen Mitgliedstaaten angenommenen und abgesprochenen Ansatz dafür sorgen, dass es die Migranten mit Respekt vor ihrer Würde aufnimmt und gleichzeitig ihre Notsituation mit der gebotenen Geduld und Empfindsamkeit meistert, damit die ergriffenen Maßnahmen nicht zu Spannungen in den Aufnahmeländern führen“, unterstreichen die Bischöfe. Sechstens gelte es, dem demografischen Wandel und Beschäftigungsproblemen angemessen zu begegnen: „Verschiedene Länder sind nicht in der Lage, ihren Einwohnern eine sichere Arbeitsstelle anzubieten, andere stehen vor einem demografischen Rückgang und haben Schwierigkeiten, freie Stellen zu besetzen. Eine abgestimmte Politik könnte die derzeitigen Schwierigkeiten überwinden.“
Um diese Probleme zu lösen, müssten die Länder der Europäischen Union offen sein für den Dialog zwischen ihren von einer großen Vielfalt geprägten Mitgliedstaaten. Diese Aufgeschlossenheit bedeute nicht, dass jedes Land seine Identität verliere. „Im Gegenteil, jedes an seiner eigenen Kultur reiche Land lässt das andere einen Teil der europäischen Identität entdecken“ so die belgischen, französischen, deutschen und luxemburgischen Bischöfe. Die Antwort auf die Probleme bestehe darin, neue Beziehungen zwischen den Völkern und ein gemeinsames Projekt aufzubauen.
(sb)
Der Brief als PDF zum Nachlesen.
Hinweis: Auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, haben am 6. Mai 2019 einen gemeinsamen Wahlaufruf zur Europawahl veröffentlicht, den Sie unter dieser Linkadresse finden.