Überarbeitete Regelwerke zu Umgang mit sexuellem Missbrauch und zu Prävention :Größere Verbindlichkeit – Ausweitung des Anwendungsbereiches
Bonn/Trier - Zu Beginn des kommenden Jahres treten die neue „Ordnung für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger und schutz- oder hilfebedürftiger Erwachsener durch Kleriker und sonstige Beschäftigte im kirchlichen Dienst“ und die „Rahmenordnung – Prävention gegen sexualisierte Gewalt an Minderjährigen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ in allen (Erz-)Diözesen in Kraft. Beide Dokumente wurden vom Ständigen Rat der Deutschen Bischofskonferenz am 18. November 2019 beschlossen.
Die Regelungen der bisherigen „Leitlinien“ wurden überarbeitet und werden künftig als eine für alle (Erz-)Diözesen einheitliche „Ordnung“ Geltung haben. Sie wird – nach der Inkraftsetzung durch den jeweiligen Diözesanbischof und der Veröffentlichung im Amtsblatt – zu einem in jeder (Erz-)Diözese gleichlautenden diözesanen Gesetz.
Perspektive der Betroffenen ist berücksichtigt
Besondere Berücksichtigung findet die Perspektive der Betroffenen sexuellen Missbrauchs – so ist unter anderem die Beteiligung Betroffener an Prozessen zum Umgang mit sexuellem Missbrauch ausdrücklich vorgesehen. Die Einbindung externer und unabhängiger Fachberatungsstellen ist ausdrücklich vorgesehen. Die neue Ordnung spricht zudem durchgängig von „Betroffenen“ anstelle von „Opfern“. Auch auf den Zusatz „mutmaßlich“ wird auf Wunsch von Betroffenen verzichtet. Damit soll deutlich werden, dass Personen, die Missbrauchshandlungen melden, nicht mit einer misstrauischen, sondern einer zugewandten Haltung begegnet wird. Der Geltungsbereich der Ordnung umfasst alle kirchlichen Stellen und Einrichtungen der jeweiligen (Erz-)Diözese sowie alle kirchlichen Rechtsträger, die der bischöflichen Gesetzgebungsgewalt unterliegen.
Die Rahmenordnung Prävention wird ebenfalls in den Amtsblättern der (Erz-)Diözesen veröffentlicht. Unter anderem unterschiedliche gesetzliche Vorgaben in den einzelnen Bundesländern machen in der Regel diözesanspezifische „Ausführungsbestimmungen“ erforderlich, die die konkreten Vorgaben zur Präventionsarbeit in der (Erz-)Diözese festlegen. Ausdrücklich werden als Adressaten der neugefassten Rahmenordnung Prävention auch die Neuen Geistlichen Gemeinschaften, kirchlichen Bewegungen und Initiativen benannt. Damit werden sie verbindlicher als bisher zu Präventionsmaßnahmen verpflichtet. Neu enthalten sind die Begriffe der „sekundären“ und „tertiären“ Prävention. Sie unterstreichen den mehrdimensionalen Ansatz von Prävention: Prävention im Sinne der Rahmenordnung will mit geeigneten Maßnahmen sexualisierten Übergriffen vorbeugen (primär), die Gewalt erkennen und beenden (sekundär) und das Geschehene aufarbeiten und ausreichend Schutz und Hilfe in Form einer nachsorgenden Prävention (tertiär) anbieten.
Erfahrungen und Erkenntnisse der letzten Jahre sind eingearbeitet
Der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für Fragen des sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Bereich und für Fragen des Kinder- und Jugendschutzes, Bischof Dr. Stephan Ackermann, sieht die neuen Dokumente positiv: „Die beiden Regelwerke sind aufgrund zahlreicher Rückmeldungen und Hinweise zum zweiten Mal gründlich überarbeitet worden. In der aktuellen Fassung spiegeln sich die Erfahrungen und Erkenntnisse wider, die wir den letzten Jahren gewonnen haben. Diese haben sowohl zu einer Ausweitung des Anwendungsbereichs wie auch zu einer größeren Verbindlichkeit geführt. Dafür bin ich dankbar. Denn das dient der noch konsequenteren Aufdeckung von Fällen sexualisierter Gewalt und einem wirksameren Schutz von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die sich anderen im Raum der Kirche anvertrauen.“
Die „Ordnung für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger und schutz- oder hilfebedürftiger Erwachsener durch Kleriker und sonstige Beschäftigte im kirchlichen Dienst“ sowie die „Rahmenordnung – Prävention gegen sexualisierte Gewalt an Minderjährigen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ sind unter www.dbk.de auf der Themenseite Sexueller Missbrauch verfügbar.
Hintergrund
Bereits bei der Verabschiedung der „Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger und erwachsener Schutzbefohlener durch Kleriker, Ordensangehörige und andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ und der „Rahmenordnung – Prävention gegen sexualisierte Gewalt an Minderjährigen und erwachsenen Schutzbefohlenen im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ im August 2013 wurde für beide Regelwerke eine Geltungsdauer von fünf Jahren sowie eine Überprüfung vor der Verlängerung der Geltungsdauer vereinbart. Um die Ergebnisse der im September 2018 veröffentlichten Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ („MHG-Studie“) und das im Mai 2019 veröffentlichte Motu proprio Vos estis lux mundi von Papst Franziskus bei der Überarbeitung entsprechend zu berücksichtigen, wurden die Leitlinien und die Rahmenordnung Prävention bis zum 31. Dezember 2019 verlängert und werden nun zum 1. Januar 2020 durch die beiden neuen Regelwerke ersetzt. Nach fünf Jahren ist jeweils eine Evaluation beider Regelwerke vorgesehen.
(red)