Kirche, Kommune, Vereine und Wohlfahrtsverbände arbeiten eng vernetzt:Hand in Hand für die Flut-Betroffenen in Kordel
Kordel – Abgeschnitten von der Außenwelt, die Dorfstraßen voller Schutt und Schlammmassen, Häuser durch die Flut zerstört, Trinkwasser- und Stromversorgung ausgefallen: So sah es vor einem Jahr in Kordel aus. Bei der Hochwasserkatastrophe vom 14. und 15. Juli 2021 war der Eifelfluss Kyll wie auch die Ahr oder die Sauer nach starken Regenfällen rapide angestiegen, von 70 Zentimetern auf fast acht Meter, und hatte den eigentlich idyllisch in einem engen Tal gelegenen Ort geflutet. 225 Häuser wurden beschädigt, 600 der rund 2.300 Bewohner Kordels waren betroffen, viele von ihnen hatten keine Hochwasserversicherung. Die Zerstörungsgewalt des Wassers ließ viele Menschen in Kordel fassungslos zurück.
Gemeindereferentin Dagmar Meyer, 46, erinnert sich ein Jahr nach der Flutkatastrophe noch sehr genau an die ersten Tage zurück: „Es gab sofort eine unglaubliche Solidarität der Menschen untereinander, jeder packte mit an, half betroffenen Nachbarn oder auch Fremden. Von außerhalb reisten viele Helfer an, aus den umliegenden Dörfern kamen ganze Gruppen zu Fuß durch den Wald, weil die Straßen ja abgeschnitten waren.“ Mit Pfarrer Mario Kaufmann und einer kleinen Gruppe von Ehrenamtlichen machte auch Meyer sich auf den Weg durch die Straßen Kordels; Haus für Haus klapperten sie mit Papier und Stift ab, um aufzuschreiben, was die Leute am dringendsten benötigten. „Wir besorgten Kabeltrommeln, Kühlschränke, Gaskocher oder Lampen, aber vor allem waren wir da, um den Leuten beizustehen, ihnen zuzuhören“, sagt Meyer. Von Anfang an waren auch Wohlfahrtsverbände wie die Caritas, das Deutsche Rote Kreuz, die Malteser, der Arbeiter-Samariter-Bund oder die Diakonie an Ort und Stelle, um den Menschen in unterschiedlicher Weise zu helfen. Welche Hilfsangebote in den folgenden Monaten geschaffen wurden und welch enges Netzwerk aus Haupt- und Ehrenamtlichen entstanden ist – das mag einer der wenigen positiven Aspekte bei all den schrecklichen Folgen der Flut sein, sind sich Meyer und ihre beiden Kolleginnen von der Caritas-Fluthilfe, Katharina Schettle und Rachel Thull, einig.
„Zuhören, Da-Sein, Miteinander-Aushalten“
Die 27-jährige Rachel Thull arbeitet seit September 2021 als eine von zwei Fluthilfekoordinatorinnen im Fluthilfeteam des Caritasverbands Trier. Besonders wichtig sei in den ersten Wochen die „aufsuchende Hilfe“ gewesen: „Wir haben Flyer und Plakate verteilt, die Betroffenen einzeln besucht und in diesem Rahmen Haushaltsbeihilfen und Härtefallhilfen geleistet. Das tun wir bis heute. Inzwischen kommt auch die Wiederaufbauhilfe hinzu.“ Die Bedürfnisse der Leute hätten sich mit den Wochen ausgeweitet; so seien etwa viele überfordert mit den komplizierten Antragsverfahren auf finanzielle Hilfen gewesen. Bis heute steht in solchen Fällen das Fluthilfeteam der Caritas beratend zur Seite oder vermittelt Kontakte zu Anlaufstellen für Hilfen des Bundes und der Verbandsgemeinde oder anderen sozialen Organisationen. Besonders wichtig seien die persönlichen Gespräche, das „Zuhören, Da-Sein, Miteinander-Aushalten.“ Herbst und Winter seien für viele eine harte Zeit gewesen – es fehlten mancherorts Heizungen, und psychisch riss die Weihnachtszeit viele Wunden auf. Nach einigen Monaten habe man den Leuten deutlich angemerkt, dass sie sich eine Art von Normalität und Möglichkeiten zur Begegnung wünschten. „Wir haben dann geschaut, wer ist wo schon unterwegs, und wie können wir uns bestmöglich vernetzen“, sagt Thull.
Enge Zusammenarbeit unterschiedlicher Organisationen sehr wertvoll
Das bestätigt auch Meyer: „Am Anfang funktionierten die Leute einfach, es dominierte die reine Aufräumarbeit, das Organisieren. Doch dann hat sich die gute Zusammenarbeit der Wohlfahrtsverbände, des Vereins „Zukunft für Kordel“ und der Ehrenamtlichen als unglaublich wertvoll erwiesen. Wir konnten durch den Einsatz unserer Ehrenamtlichen wie Inge Hostert oder Maria Birkel-Jacob Leute erreichen, die wir sonst als kirchliche Mitarbeitende nicht kennen, und sie auf Hilfsangebote wie den DRK-Bus auf dem Netto-Parkplatz oder Veranstaltungen aufmerksam machen“, erzählt Meyer. Alle hätten an einem Strang gezogen, ob Ortsbürgermeister Medard Roth oder der Direktor der Grundschule Marco Bamberg, der seine Räume für Treffen zur Verfügung stellte. Zusammen organisierten die in der Fluthilfe Beteiligten im April eine Veranstaltungsreihe im Bürgerhaus mit mehreren Bastel- und Spielenachmittagen für Kinder und Jugendliche und Café-Treffs für Erwachsene, die sehr gut angenommen wurden und den Menschen wieder geselligen Austausch ermöglichten. Gerade solche Begegnungsräume seien enorm wichtig, weiß die 30-jährige Sozialarbeiterin Katharina Schettle. Der langwierige Wideraufbau und das Warten auf Beihilfen zehre an den Nerven, hinzu kämen die Verluste persönlicher Besitztümer oder der sozialen Infrastruktur im Dorf. Deshalb verstärke seit dem Frühjahr auch eine Psychologin das Fluthilfeteam der Caritas. Ob bei Hausbesuchen oder gemeinsamen Spaziergängen können sie und ihre Kollegin am meisten erspüren, was die Menschen benötigen, berichtet sie.
Und wie ist die Stimmung heute? „Wir merken, dass die Menschen in Kordel den Willen haben, wieder Leben in ihren Ort zu bringen; sie gehen sehr stark mit der Katastrophe um“, ist Thulls Eindruck. „Die Leute brauchen viel Durchhaltekraft. Dabei versuchen wir, so gut wie möglich zu unterstützen und auch noch langfristig Hilfen anzubieten“, ergänzt Meyer. Die enge Zusammenarbeit wollen sie auf jeden Fall in Zukunft beibehalten und auch in Zukunft Projekte in den von der Flut betroffenen Gebieten anstoßen, ob in Kordel, Ehrang oder an der Sauer.
(sb)