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Bistümer Trier und Limburg starten Forschungsprojekt – Psychiatrieseelsorgerin Luzia Schreiner berichtet aus ihrem Arbeitsalltag:Herausforderungen in der Psychiatrieseelsorge

Die Bistümer Trier und Limburg starten ein Forschungsprojekt für Mitarbeitende im seelsorglichen Dienst in psychiatrischen Einrichtungen. Luzia Schreiner berichtet aus ihrem Arbeitsalltag.
Psychiatrieseelsorgerin Luzia Schreiner (Foto: Robert Herschler)
Datum:
13. Jan. 2021
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Trier – „Zunächst ist es wichtig, einfach da zu sein“, entgegnet Luzia Schreiner auf die Frage, was ihren Beruf als Psychiatrieseelsorgerin ausmacht. Den Kontakt mit psychisch Erkrankten suchen, Beziehung anbieten und ihnen als Teil des therapeutischen Teams zur Seite stehen: All das prägt den Alltag der 61-Jährigen, die seit 20 Jahren hauptberuflich in der Krankenhausseelsorge im Mutterhaus der Borromäerinnen Trier arbeitet. Dabei kommt sie immer wieder mit ethischen Fragestellungen in Berührung, erlebt Therapie-Erfolge ebenso wie Abbrüche oder Zurückweisungen. Um bedarfsgerechte Fort- und Weiterbildungsmodule für Mitarbeitende im seelsorglichen Dienst in psychiatrischen Einrichtungen zu entwickeln, kooperieren nun die Bistümer Trier und Limburg mit der Goethe-Universität Frankfurt in einem Forschungsvorhaben.

Das Praxisforschungsprojekt „Ethik in der Psychiatrieseelsorge“ mit einer Laufzeit von drei Jahren nimmt die ethischen Herausforderungen im Kontext der Psychiatrieseelsorge gezielt in den Blick. „Ein solches Forschungsprojekt und Qualifikationsvorhaben ist im deutschsprachigen Raum bislang einmalig“, erklärt Esther Braun-Kinnen, zuständig für das Aufgabenfeld der Krankenhausseelsorge im Bischöflichen Generalvikariat Trier. In ihrem Arbeitsalltag kämen Seelsorgerinnen und Seelsorger nicht umhin, zu ethischen Problembereichen in der Psychiatrie Stellung zu beziehen, so Braun-Kinnen, etwa wenn es um Zwangsmaßnahmen gehe.

„Jeder Mensch hat ein Recht auf seine Krankheit“

Die Psychiatrieseelsorgerin Luzia Schreiner gibt ein Beispiel: „Im Gespräch mit einem Menschen, der an einer Krankheit leidet, aber keine Krankheitseinsicht hat, wird es schwierig.“ Immer wieder würden deshalb Therapie und Medikamente verweigert. Dadurch könne sich der Zustand des Patienten verschlechtern oder chronifizieren. „Ich muss das dann aushalten und zulassen, denn jeder Mensch hat ein Recht auf seine Krankheit“, erklärt die gebürtige Österreicherin. Dann erlebe sie schon mal, dass Patienten in ihrer Krankheit die über lange Zeit aufgebauten Beziehungen abbrechen und sich isolieren. „Jeder Mensch hat ein Recht darauf,  sich nicht helfen zu lassen, keine Beziehungen mehr zu haben“, sagt Schreiner, die auch Ansprechpartnerin für Angehörige ist. Gerade wenn eine Krankheit lang und intensiv verlaufe, komme es immer wieder zu Beziehungsabbrüchen innerhalb der Familie.

Es müsse beobachtet werden, ob der Patient sich selbst oder andere gefährdet. In diesem Fall würde gegebenenfalls eine Zwangsbehandlung richterlich angeordnet. „Was ich als belastend empfinde, ist, wenn es durch die medikamentöse Behandlung dem Patienten wieder gut geht und er denkt, er könne seine Medikamente absetzen, weil es ihm gerade besser geht. Dann fängt die Krise von vorne an.“

„Es darf etwas hängen bleiben“

Manche Patienten kennt Luzia Schreiner schon seit 15 Jahren; sie erzählt von einer Patientin, die sechs Jahre lang kein Wort mit ihr gewechselt hätte, sondern sie nur beobachtete. Es dauerte seine Zeit, doch irgendwann sei die Frau von sich aus auf Schreiner zugegangen und habe sie angesprochen. Für ihren Job braucht Schreiner oft einen langen Atem, doch die Geduld lohnt sich: Inzwischen stehen die beiden in regem Kontakt. „Einige Patienten sind chronisch krank und kommen in kürzeren oder längeren Abständen immer wieder zu uns. Ich muss mich immer bemühen, in einer guten Distanz zu bleiben. Doch als Seelsorgerin habe ich nicht den gleichen Anspruch wie die Therapeuten. Bei mir darf auch etwas hängen bleiben“, gesteht sie. Unterstützung erhält sie dabei stets von ihrem sechsköpfigen Krankenhausseelsorge-Team unter Leitung von Klinikpfarrer Peter Klauer. „Eine gewisse Distanz muss ich natürlich trotzdem wahren. Sonst bleibt man auf Dauer nicht arbeitsfähig“, weiß die pastorale Mitarbeiterin, die ihre Klinikseelsorgeausbildung in Heidelberg absolviert hat. „Was ich mittlerweile gut kann, ist ‚nein‘ sagen – im Laufe der Zeit lernt man dazu.“

Besonderen Wert legt sie darauf, auf jeden Patienten individuell einzugehen. Auch ihre Gebetsangebote oder Meditationen in Kleingruppen stehen jedermann offen. „Ich bin grundsätzlich für alle da, ob Christ, Muslim oder Atheist. Denn man kann trotzdem über das, was den Patienten bewegt sprechen, wenn der Patient das möchte.“ Eines müsse dabei immer klar sein: „Ich quatsche niemandem was auf. Man darf nicht die Schwäche der Menschen für Missionszwecke nutzen. Das wäre Missbrauch.“

Rund 20 Personen der zurzeit 48 Stellen in der Krankenhausseelsorge im Bistum Trier sind in psychiatrischen Kliniken oder mit Teilaufträgen in der Seelsorge in psychiatrischen Abteilungen von Krankenhäusern eingesetzt. Aus den ersten Forschungsdaten des Projekts „Ethik in der Psychiatrieseelsorge“ werden nun bedarfsorientierte Ethik-Weiterbildungskonzepte erarbeitet, die im nächsten September starten sollen. Die Endergebnisse des Forschungs- und Praxisprojekts werden im Juni 2023 vorliegen. „Von diesen können dann auch Angestellte in anderen Seelsorgebereichen, in denen der Umgang mit psychisch Erkrankten eine Rolle spielt, wie in Krankenhäusern, Altenheimen, Behinderteneinrichtungen, aber auch in den Gemeinden, profitieren“ – davon geht Esther Braun-Kinnen aus. „In den zukünftigen Pastoralen Räumen können Krankenhäuser Lern- und Praxisorte sein, um diakonische Kirchenentwicklung lebendig werden zu lassen und umzusetzen.“

Weitere Informationen gibt es bei Esther Braun-Kinnen unter Tel.: 0651-7105-388 oder per Mail an esther.braun-kinnen@bistum-trier.de

(ih)