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Sarah Henschke resümiert dritte Vollversammlung des Synodalen Wegs :Hoffnung gepaart mit einem Schuss Misstrauen

Der Synodale Weg hat heiße Eisen angefasst und kam überwiegend zu Mehrheitsbeschlüssen. Welches Fazit zieht die junge Synodale Sarah Henschke nach der dritten Vollversammlung?
Sarah Henschke ist Gemeindereferentin und Diözesanseelsorgerin des BDKJ Trier.
Datum:
9. Feb. 2022
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Frankfurt a.M./Trier/Nonnweiler – Diskriminierung durch das kirchliche Arbeitsrecht, Segnungen für gleichgeschlechtliche Paare, die Macht- und Gewaltenteilung in der Kirche: Es waren heiße Eisen, die die dritte Vollversammlung des Synodalen Wegs der katholischen Kirche in Deutschland vom 3. bis 5. Februar zu beraten hatte. Schwerpunkte des kirchlichen Reformprozesses bilden die Aufarbeitung und die Prävention sexuellen Missbrauchs sowie die Arbeit in vier thematischen Synodalforen. Vor einem Jahr berichteten die Gemeindereferentin Sarah Henschke aus Nonnweiler und der Moraltheologe Professor Johannes Brantl aus Trier bereits von ihren Erfahrungen aus der Mitarbeit am Forum „Leben in gelingenden Beziehungen. Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“. Welches Fazit ziehen sie nach dieser dritten Vollversammlung, und wo sehen sie Chancen und Hürden? In einem ersten Text stellen wir die Position von Sarah Henschke vor, in einem weiteren wird Professor Johannes Brantl zu Wort kommen.

Offene und konstruktive Stimmung

„Von mir ist eine riesige Anspannung abgefallen und ich gehe – wie viele andere junge Synodale auch – mit Hoffnung aus dieser Vollversammlung. Aber es ist eine Hoffnung, auf die ich vielleicht nicht 100-prozentig vertraue“, fasst Henschke ihre Stimmung nach dem Ende der Beratungen zusammen. Die 30-jährige zweifache Mutter ist Synodale für den Berufsverband der Gemeindereferentinnen und -referenten und hat dieses Mal digital an der Veranstaltung teilgenommen. Von der Stimmung in Frankfurt bekam sie dank ihrer guten Vernetzung innerhalb verschiedener Synodalen-Gruppen über Messengerdienste und die sozialen Medien trotzdem einiges mit: „Es war eine positive, engagierte, aber auch ehrliche Atmosphäre, bei der sehr offen gesprochen und Kritik benannt wurde. Während ich bei den letzten beiden Vollversammlungen eher den Eindruck hatte, dass die Bischöfe sich zurückhaltender verhielten und erstmal zuhörten, waren sie dieses Mal aktiver, meldeten sich öfter zu Wort. Das zeigt auch: Sie nehmen das ernst und verstehen, dass es um etwas geht.“

Hoher Erwartungsdruck und Erleichterung

Es habe ein hoher Erwartungsdruck auf der Versammlung gelastet – gerade auch vor aktuellen Entwicklungen wie der Vorstellung des Münchner Missbrauchsgutachtens und der Aktion #outinchurch, bei der sich 125 kirchliche Mitarbeitende als queer geoutet hatten. „Durch die Aktion wurde uns nochmal drastisch vor Augen geführt, wie das kirchliche Arbeitsrecht Menschen potenziell diskriminiert, etwa wenn sie offen homosexuell leben oder als Geschiedene wieder heiraten. Für mich war deshalb Minimalziel, dass die Textvorlage zu einer Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts eine Mehrheit bekommt. Wir haben monatelang viel Arbeit in diesen Text hineingesteckt und es war eine wahnsinnige Erleichterung, als er mit großer Mehrheit verabschiedet wurde.“ Schwieriger gestalteten sich da schon Fragen wie die Zulassung von Frauen zu Weiheämtern und mögliche Segnungsfeiern für gleichgeschlechtliche Paare. „Dem Grundlagentext zum Thema ‘Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche’ mit theologisch gut begründeten Forderungen wie Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche haben immerhin 174 Synodale und damit rund 85 Prozent zugestimmt. Als es dann aber konkret um die Zulassung von Frauen zum Priesteramt ging, nur noch 158“, berichtet Henschke. „Das ist bei manchen wohl noch ein innerer Schritt, zu sagen: Wenn ich der Grundlage zustimme, ist damit dann auch die Folge verknüpft, Frauen zu Weiheämtern zuzulassen.“ Beim Thema eheliche Liebe und Segnungsfeiern für gleichgeschlechtliche Paare bestünde wohl die Angst, dass das Sakrament der Ehe herabgestuft oder unterlaufen werden könne. Das Ergebnis bei dieser Abstimmung sei mit 161 Stimmen eher enttäuschend für sie gewesen, so die 30-Jährige. 

Gehen die Reformvorschläge weit genug oder sind sie zu zahm?

In den Medien sehen sich Synodale wie Henschke mit zwei konträren Bewertungen der Ergebnisse konfrontiert: Den einen gehen die Reformvorschläge längst nicht weit genug, die anderen warnen davor, dass der Vatikan auf weltkirchlicher Ebene Vorschläge wie die Lockerung des Zölibats oder die Zulassung von Frauen zu Weiheämtern sowieso einkassiert. Henschke sieht das differenziert: „Natürlich fragt man sich immer, wie mehrheitsfähig die Texte formuliert werden, oder ob man an einigen Stellen nicht noch schärfer werden soll. Aber wir haben jetzt erlebt, wie die Bischöfe reagiert haben und das ist positiv zu werten. Viele versuchen, sich gegenseitig mitzunehmen, ihren Kollegen aus der Arbeit in ihren jeweiligen Foren zu berichten und für Verständnis zu werben. Natürlich merken sie, dass sie mit dem Rücken zur Wand stehen. Aber es geht nicht nur darum, zu verhindern, dass Leute aus der Kirche austreten. Sondern darum, dass Kirche wieder ein Raum wird, wo Platz ist für die frohe Botschaft.“ Man könne nicht frauenfeindlich, trans- und homophob sein und gleichzeitig verkünden, dass Jesus alle Menschen so liebt, wie sie sind. Was die Rezeption der deutschen Ergebnisse des Synodalen Wegs auf weltkirchlicher Ebene angeht, so hofft Henschke auf Gehör in Rom. „Es wird eine Arbeitsgruppe gebildet aus Leuten des Präsidiums des Synodalen Wegs und Leuten der Weltsynode. Die Themen sind ja nicht spezifisch deutsch – sondern auch für umliegende europäische Länder wichtig. Das merkt man an den Rückmeldungen der geladenen Beobachter des Synodalen Wegs aus Österreich und Frankreich.“

Kritikpunkt Missbrauchs-Aufarbeitung

Vor allem im Punkt der Missbrauchsaufarbeitung wünscht Henschke sich aber noch mehr und vor allem schnelleres Engagement von Seiten der Deutschen Bischofskonferenz. „Die Betroffenen müssen noch stärker eingebunden und angemessen entschädigt werden. Auch hätte ich mir eine gleichzeitige flächendeckende Aufarbeitung gewünscht, und nicht, dass man von Gutachten zu Gutachten in den Bistümern tröpfelt. Da müssen die Prozesse besser und schneller laufen, dann erst erlangt man wieder Glaubwürdigkeit.“ Grundsätzlich gehe sie mit einem positiven Fazit aus der dritten Vollversammlung, resümiert Henschke. Es sei eine große Chance, an diesem Veränderungsprozess der katholischen Kirche mitzuwirken. Bei aller berechtigten Hoffnung auf Veränderungen bleibe natürlich immer auch ein Quäntchen Misstrauen, ob sich die Kirche in den strittigen Punkten wirklich bewegen wird, dennoch gehe sie mit einem „Motivationsschub“ in die nächste Etappe des Synodalen Wegs.

(sb)

Mehr Informationen zum Synodalen Weg aus dem Bistum Trier unter: www.bistum-trier.de/synodalerweg