Pfarreiengemeinschaft Waldrach bietet Gesprächsangebot auf öffentlichen Plätzen:In der Corona-Krise ein offenes Ohr schenken
Pluwig – Auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt im Ortszentrum von Pluwig herrscht geschäftiges Treiben: Schnell ziehen sich einige Einkäufer vor Betreten des örtlichen Netto-Marktes noch die Mund-Nase-Masken über, eine Besucherin wartet auf Einlass ins benachbarte Altenheim, wieder andere führt ihr Weg in die Apotheke. Etwas abseits vor dem Komplex des Altenheims und des Ortsgemeinde-Büros leuchtet in fröhlichem knallgelb ein Sonnenschirm, darunter stehen zwei türkis-gelbe Holz-Klappstühle und ein kleines Schild „Wir haben ein offenes Ohr für Sie“. „Wir“ – das ist an diesem heißen Mittwochvormittag Gemeindereferentin Dorothea Kupczik, die im Schatten des Schirmes sitzt und gerade mit einer älteren Dame spricht, die offensichtlich erregt von ihrem Kummer um ihre über 90-jährige Mutter berichtet, einer Bewohnerin des Altenheims. Nur einmal in der Woche darf die Tochter ihre Mutter wegen der strikten Corona-Hygienemaßnahmen besuchen gehen – und darunter leiden beide. Es sind Sorgen und Nöte wie diese, denen Kupczik und ihre Teamkollegen aus der Pfarreiengemeinschaft Waldrach ein Ohr schenken – aber eben nicht nur:
„Wir möchten ein Angebot machen für Menschen, die hier wohnen, die hier einkaufen oder spazieren gehen, und zeigen: Kirche geht raus zu den Leuten und wartet nicht nur, dass die Menschen zu ihr kommen. Wir wollen für euch da sein, egal ob es um Alltagsthemen, Auskünfte oder um tiefergehende Probleme geht.“ Geboren wurde die Idee zu Beginn der Corona-Pandemie, als der shutdown zwischenmenschliche Begegnungen stark einschränkte, erzählt Kupczik. Als sie von einer Kollegin aus Koblenz von dem niedrigschwelligen Konzept hörte, war sie sofort begeistert und fand schnell Mitstreiter im Pastoralteam der Pfarreiengemeinschaft, die Ähnliches auf die Beine stellen wollten. „Ich habe ja selbst beim Einkaufen gemerkt, dass viele Leute, die ich traf, Redebedarf hatten und teils sogar unter Einsamkeit litten. Manchmal habe ich doppelt so lange gebaucht wie sonst, weil ich so oft stehen geblieben bin“, erinnert sich Kupczik. Gemeinsam teilten sich die sechs Kolleginnen und Kollegen verschiedener Berufsgruppen (Kaplan, Diakon, Gemeindereferentinnen und Pastoralassistentin) Wochentage und Orte untereinander auf: Vormittags von 10 bis 12 Uhr und nachmittags von 15 bis 17 Uhr montags in Farschweiler, dienstags in Osburg, mittwochs in Pluwig, donnerstags in Waldrach und freitags in Ruwer an – und das noch bis zu den Sommerferien.
„Zu Anfang des shutdowns haben wir natürlich auch telefonische Sprechzeiten angeboten, aber wir haben festgestellt, dass die Hemmschwelle da doch eher hoch ist, gezielt anzurufen. Das Gesprächsangebot unter freiem Himmel wird viel besser angenommen.“ Eine junge Frau habe etwa von ihrer schwierigen Lebenssituation nach einer Trennung erzählt, ein Mann habe ihr zunächst eine Frage gestellt, dann aber fast eine Stunde lang über sein Leben berichtet, bis die Antwort auf die Ausgangsfrage gar nicht mehr so wichtig erschien. „Wir wurden natürlich auch gefragt, ob und wann die Erstkommunion wieder stattfindet, oder haben Stellung genommen zu den Entwicklungen rund um den Einwand Roms zur Pfarreienreform. Manchmal sind wir natürlich auch ein bisschen Blitzableiter – aber auch das gehört dazu“, sagt Kupczik.
Günther Rohles, 74, der selbst jahrelang in der Pfarrei Pluwig engagiert war und zufällig gerade in der Apotheke war, bleibt auch auf einen kurzen Plausch mit Kupczik. Das Gespräch dreht sich um die Enkel und E-Bikes. „Ich finde die Idee wirklich wichtig und gut, weil viele Menschen durch die Corona-Krise doch sehr vereinsamen. Für die Bewohner in den Altenheimen und ihre Angehörigen ist es eine Katastrophe. Älteren fehlt es auch, nicht gemeinsam in den Gottesdienst gehen zu können. Da ist es gut, wenn Kirche sich so unter den Leuten zeigt.“ Kupczik und ihre Kollegen haben die Aktion zwar wegen der Corona-Krise ins Leben gerufen und werden sie mit den Sommerferien vorerst beenden. „Seit den Lockerungen merken wir, dass der Bedarf zurückgegangen ist, die Menschen haben einfach auch wieder weniger Zeit, weil sie wieder mobiler sind, wieder in ihrem Berufs- und Alltagsleben sind.“ Aber nach einem ersten Zwischenfazit sind sie sich einig, dass es künftig verstärkt solche Projekte geben sollte, bei denen die Seelsorgerinnen und Seelsorger offene Angebote machen und sich Kirche dort zeigt, wo die Menschen unterwegs sind.
(sb)