Zum Inhalt springen

Sechste Flüchtlingskonferenz im Bistum Trier stellt Konzept „Soziale Teilhabe“ vor:„Integration ist die Aufgabe der Stunde“

Die Sechste Flüchtlingskonferenz des Bistums Trier stellte das Konzept "Soziale Teilhabe" vor.
Die Sechste Flüchtlingskonferenz fand in der Trierer Richterakademie statt.
Datum:
21. Nov. 2018
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Trier – Integration als strategisches Schlüsselthema ganzheitlich in den Blick nehmen: Dieses Ziel hat sich die sechste Flüchtlingskonferenz im Bistum Trier gesetzt, die am 17. November Haupt- und Ehrenamtliche aus der Flüchtlingsarbeit, Vertreter von Kirche und Politik in der Richterakademie in Trier zusammenführte. Gastgeber war das vom Diözesancaritasverband und dem Bistum getragene „willkommens-netz“, das ein neu entwickeltes Konzept mit dem Titel „Soziale Teilhabe“ vorstellte.

„Das Thema Integration – wie finden wir zu einem Zusammenhalt – ist die Aufgabe der Stunde“, betonte Dr. Hans Günther Ullrich, Leiter der Abteilung Ehrenamt, Bildung und Gesellschaft im Bistum Trier, in seinem Impulsreferat. Ullrich führte weiter aus, mit dem Zugang zum Internet sei ein neues Kapitel aufgeschlagen worden, da alle Menschen weltweit in Echtzeit Zugang zu denselben Themen hätten. Das bedeute, dass Wohlstand und Notstand in Echtzeit für jedermann transparent würden. „Daraus folgt, dass wir Lösungen für das Zusammenwachsen der Gemeinschaft der Menschen weltweit brauchen. Das Betonen von Nationalen Grenzen kann momentan vielleicht Überforderungen abwehren, es ist aber keine Antwort auf die eigentlich gestellte Frage.“ Die Vision für die Kirche sei ein gutes Zusammenleben aller Menschen, auch derer die am Rande stehen, seien es Geflüchtete oder andere Teile der Bevölkerung. „Sie haben als Einzelne etwas beizutragen zum Ganzen, was unersetzlich ist.“ Das in vier Felder gegliederte Konzept „Soziale Teilhabe“ sei der Versuch, die Frage, was Integration wirklich bedeute, begrifflich konkret zu fassen. Seine Kollegin Sanaz Khoilar, Referentin für Flucht und Asyl, erklärte zum Entstehen des Konzepts, Integration sei oft mit Spracherwerb, Arbeit oder Aneignung von kulturellem Wissen verbunden, aber die Ebene „Beziehung und Mitwirkung“ komme oft zu kurz. „Das haben wir in unserem Konzept besonders hervorgehoben, dass die Beziehung zwischen den Menschen – das, was den Kitt der Gesellschaft ausmacht –ein wesentlicher Teil von Integration und sozialer Teilhabe ist.“
 

Was bedeutet Teilhabe konkret?

Das Konzept wirft die Frage auf, was Teilhabe konkret bedeutet, wenn eine Person mit all ihren seelischen, geistigen, materiellen und gesellschaftlichen Bedürfnissen wahrgenommen wird. In die vier Handlungsfelder „Beziehung“, „Kompetenzen“, „Eingliederung in gesellschaftliche Teilsysteme“ und „Mitwirkung“ gegliedert, soll es die Aufgaben systematisieren, die es bei der Integration von geflüchteten Menschen gibt. Ziele im Feld Beziehung seien etwa, neue soziale Bindungen einzugehen, eine Vertrautheit mit Kulturen und Gemeinschaften zu erreichen, und alte und neue Bezüge in Einklang zu bringen. Die Aufgabe der Kirche liege vor allem darin, Begegnungsmöglichkeiten zu schaffen und den Dialog zu fördern. Die vielen Ehrenamtlichen, aber auch Hauptamtliche, könnten durch ihre persönlichen Beziehungen zu Geflüchteten den Weg ebnen für Integration und Teilhabe. Beim Feld „Eingliederung in gesellschaftliche Teilsysteme“ sei es die Aufgabe der Kirche und zivilgesellschaftlicher Institutionen und Verbände, gleichberechtigte Teilhabechancen für alle Menschen in Systemen wie Politik, Gesundheitswesen, Religion usw. einzufordern und durch gezielte Förderangebote zu unterstützen. Unter „Mitwirkung“, nennt das Willkommensnetz schließlich das Mitgestalten und „Sich-einbringen“ in Gesellschaft, etwa durch Vereine, oder Interessensvertretungen.                                                                      

Manfred Beuth stellte das Projekt 'Wandern mit Freunden' vor, rechts daneben Sanaz Khoilar

Positive Vorbilder aus der Flüchtlingsarbeit für diesen Ansatz gibt es genug, wie die Vorstellung von vier Praxisbeispielen zeigte. So präsentierte Manfred Beuth aus der Nähe von Koblenz das 2016 ins Leben gerufene Projekt „Wandern mit Freunden Koblenz“ – eine Multi-Kulti-Wandergruppe, in der Flüchtlinge und einheimische Wanderfreunde gemeinsam die Schönheit der Region an Rhein und Mosel entdecken. Inzwischen sei eine internationale Wandergruppe entstanden mit Teilnehmenden aus Syrien, Russland, Schweden oder Mazedonien, die einmal im Monat gemeinsam wandern gehe oder bei schlechterem Wetter andere Unternehmungen starte. Gemeinsam mit Mohammed Ali aus Palästina organisiert Beuth die kurzen oder längeren Wandertouren, ob auf die Reichsburg in Cochem, an den Laacher See oder auf den Karmelenberg in Bassenheim. Am letzten Grillfest der Gruppe in Rhens nahmen 170 Menschen teil und gemeinsam wurde auch ein Apfelbaum gepflanzt: „Um den Menschen zu zeigen, egal wo ihr seid, ob ihr zurück in eure Heimatländer geht – ihr werdet immer hier in Koblenz Wurzeln haben“, so Beuth.
 

"Wir haben die humanitäre und christliche Pflicht, Geflüchteten zu helfen"

Ob das Konzept „Soziale Teilhabe“ Fuß fassen kann und ob die Gesellschaft bereit für eine solche Integrationsaufgabe ist, darüber diskutierten anschließend der Trierer Generalvikar Dr. Ulrich Graf von Plettenberg, Miguel Vicente, Beauftragter für Migration und Integration in Rheinland-Pfalz, Klaus Kunz, Stabstelle für Integration im Saarland und Anja Peters, Leitung der Abteilung Soziale Sicherung und Teilhabe im Diözesan Caritasverband Trier mit Moderator Stefan Weinert. Generalvikar von Plettenberg unterstrich: „Wir haben die humanitäre und christliche Pflicht, Geflüchteten zu helfen. Das sind Menschen, von denen wir etwas lernen können. Ich würde sagen, die Flüchtlinge sind eine Bereicherung, wir müssen die Situation als Chance begreifen.“ Auch Anja Peters stellte klar, dass die Kirche einen Auftrag auf der Basis des Evangeliums habe, Geflüchteten zu helfen. „Wir müssen jetzt vor allem die Aushandlungsprozesse unterstützen, die die Gesellschaft über verschiedene Fragen führen muss“. Von Plettenberg zeigte sich besorgt über die zunehmende Polarisierung der Gesellschaft. „In meiner Zeit als Pfarrer habe ich vor Ort vor allem die Erfahrung gemacht, dass es den persönlichen Kontakt zu Flüchtlingen braucht, um Ängste und Vorurteile abzubauen. Man sollte erst einmal miteinander sprechen, bevor man übereinander sprechen kann. So kehrt sich dann auch manche voreingenommene Meinung um.“ Miguel Vicente mahnte, man müsse auch akzeptieren, dass es eine andere Sicht auf das Thema gebe und dass nicht jeder für eine gesellschaftliche Öffnung sei. Es sei hier enorm wichtig, auf sachlicher Ebene miteinander darüber zu sprechen, eine Streitkultur zu entwickeln. Genauso wahr sei aber auch, dass es Grenzen gebe, wo auch kein Reden mehr helfe, auch bei politischen Parteien. „Ich finde den Schulterschluss von Kirche und Staat von Bedeutung, sich gegen gewisse populistische Trends zu stellen, die derzeit weltweit zu beobachten sind.“ Sein saarländischer Kollege stimmte ihm zu: „Populisten schüren sozialen Neid zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und verspritzen so ihr Gift. Wir sollten vor allem den Menschen helfen, die ehren- oder hauptamtlich Flüchtlinge betreuen, damit diese stabilisiert werden. Ich möchte Mut machen, diesen Weg gemeinsam zu gehen.“

Mehr Informationen zur Flüchtlingsarbeit im Bistum gibt es online unter: www.willkommens-netz.de

(sb)