25 Jahre Hilfe für sexuell grenzverletzende Jugendliche:Jubiläum im Jugendhilfezentrum Don Bosco Helenenberg
Welschbillig-Helenenberg – Jubiläum auf dem Helenenberg bei Welschbillig: Seit 25 Jahren gibt es hier mit dem „Pinardihaus“ einen Ort, an dem sich um Jugendliche gekümmert wird, die schon in jungen Jahren sexuell grenzverletzendes Verhalten gezeigt haben. „Darf man das überhaupt feiern?“, fragte Michael Schneider, pädagogischer Leiter des Jugendhilfezentrums Don Bosco Helenenberg, bei der Begrüßung der Gäste, und gab auch gleich die Antwort: „ja“, denn Angebote wie dieses seien rar gesät.
"Pinardi ist ein Leuchtturm"
Neben einer Fachveranstaltung, die sich dem Thema „sexueller Missbrauch“ von wissenschaftlicher und therapeutischer Seite näherte, stand vor allem die Einweihung der neuen Räumlichkeiten im Mittelpunkt des Jubiläums. Rund zweieinhalb Millionen Euro haben die Salesianer Don Boscos, Träger des Jugendhilfezentrums, in neue Gruppen- und Therapieräume sowie neue Appartements für die Jugendlichen investiert. Mit im Boot saßen Förderer wie die Nikolaus-Koch-Stiftung und die Reh-Stiftung. Helenenberg-Einrichtungsleiter Benedikt Quack hatte in seiner Ansprache konstatiert: „Pinardi ist ein Leuchtturm.“ Bis heute seien Angebote für „sexuell deviante“ Jugendliche rar gesät. „Wer, wenn nicht wir, soll sich um sie kümmern?“ Quack machte deutlich: „Wir verurteilen die Tat, nicht die Täter. Und wir helfen ihnen.“ Hilfe, die auch Opferschutz bedeute. Im Pinardihaus lebten junge Menschen, die Wünsche und Hoffnungen hätten wie alle anderen Jugendlichen auch, die aber gleichzeitig wüssten, dass sie abgeurteilt würden und dass niemand etwas mit ihnen zu tun haben wolle, rief Quack ins Bewusstsein.
„Wir haben heute hier ein Thema, mit dem viele nichts zu tun haben möchte, doch es ist hochaktuell“, stellte Pater Reinhard Gesing vor den rund 75 Gästen fest. Ein Publikum, das sich aus psychologischen und pädagogischen Fachleuten einerseits und Vertretern von Jugendämtern, Politik und Sponsoren andererseits zusammensetzte. Gesing, Provinzial der Salesianer Don Boscos, erinnerte an die Entstehungsgeschichte der Gruppe Pinardi: „Es gab damals keinen Ort, an den Jungen, die sexuell grenzverletzendes Verhalten gezeigt hatten, geschickt werden konnten. In ganz Deutschland nicht. Nach vielen Reflexionen, der Einbeziehung vieler Experten und viel Arbeit war das Pilotprojekt ‚Pinardihaus‘ geboren. Ein großes Projekt, zu dem viel Überzeugungsarbeit geleistet werden musste“. Er richtete seine Worte vor allem an die, die täglich in der Gruppe arbeiten: „Mein Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die hier hochkompetente Arbeit leisten.“
Frühe und intensive therapeutische Intervention wichtig
Gesing sagte weiter: „Hier leben junge Menschen, die etwas getan haben, was nicht in Ordnung ist, was niemand in Ordnung findet und was niemand in Ordnung finden kann!“ Dennoch blieben es junge Menschen, denen man helfen müsse, den guten Kern in sich selbst zu finden und diesen herauszuarbeiten und zu fördern. Der Salesianer-Provinzial brachte es auf den Punkt: „Arbeit mit Tätern ist Präventionsarbeit.“ Nach Gesing hatten die Fachreferenten wie Harald Conrad das Wort. Der Sozialpädagoge ist Sexualtherapeut und Konflikttrainer bei der Beratungsstelle „Neue Wege Saar“. Er sprach über Therapien und Diagnostik, stellte die Gefahren des unter jungen Menschen stark verbreiteten Pornokonsums heraus und bemerkte: „Heute werden ‚Sexting‘ und der Austausch von selbst produzierten erotischen/pornographischen Fotos von 65 Prozent der 12- bis 17-Jährigen als ‚normal‘ empfunden.“ Die psychologische Psychotherapeutin Christine Delker von der Psychotherapeutischen Ambulanz der Justiz (PAJu) in Trier berichtete über die Forensische Nachsorge. Klares Ziel der Nachsorgebetreuung sei es, die Rückfallwahrscheinlichkeit der Täter zu reduzieren. Delker hielt fest: „Männer, die in jungen Jahren sexuell übergriffig werden, tragen ein erhöhtes Risiko für weitere sexuelle Übergriffe in sich. Die Forschung zeigt auf, dass Sexualstraftäter mit einem hohen Rückfallrisiko intensive therapeutische Interventionen brauchen. Diese zeigen hier aber auch besonders viel Wirkung.“ Ihr Plädoyer: „Es lohnt sich, möglichst früh und intensiv in die Behandlung zu investieren.“
Das Jugendhilfezentrum ließ auch die Jugendlichen selbst per Video zu Wort kommen. Vier anonymisierte junge Männer gaben Antworten auf Fragen wie: „Was waren für Dich bisher therapeutisch wichtige Schritte?“ Eine der Antworten lautete unumwunden: „Dass ich nach einem Einzelgespräch eine Selbstanzeige gemacht habe, damit man sieht, dass ich Verantwortung übernehme.“ Danach stellte das Team des Jugendhilfezentrums die neuen Räume der Pinardi-Gruppe und die Arbeit, die im Jugendhilfezentrum geleistet wird, vor. Pater Gesing segnete die Räume, in denen einst Salesianer lebten, und erzählte von Don Boscos Arbeit: Er habe sich im 19. Jahrhundert in Turin um Jungen gekümmert, die von allen fortgeschickt wurden, weil sie aus dem Gefängnis kamen. Für sie habe er nach einer Bleibe gesucht, sei immer wieder abgewiesen worden, bis schließlich Familie Pinardi Johannes Bosco ihr Haus zur Verfügung stellte. „Auch im heutigen Helenenberger ‚Pinardi-Haus‘ kümmert man sich um junge Menschen, mit denen die meisten nichts zu tun haben wollen, die aber genauso wie alle anderen Jugendlichen Annahme und Unterstützung sowie hilfreiche Strukturen brauchen, wenn sie zu einem gelingenden Leben finden sollen.“