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Studientag für pastorale Mitarbeiter widmet sich aktuellem Thema:Macht teilen – Missbrauch verhindern

„Macht haben, ohne sie zu missbrauchen“ so das Thema des Studientags in Wittlich, an dem 130 Frauen und Männer aus verschiedenen pastoralen Berufsgruppen teilnahmen.
Prof. Dr. Hildegund Keul (vierte von links) im Gespräch mit den pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Datum:
28. Okt. 2019
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Wittlich/Trier – Rund 130 Frauen und Männer aus verschiedenen pastoralen Berufsgruppen des Bistums Trier haben sich zum gemeinsamen Studientag in Wittlich getroffen. „Macht haben, ohne sie zu missbrauchen“ lautete das diesjährige Thema. Unter den Teilnehmern war auch Bischof Dr. Stephan Ackermann.

Zwei aktuelle Fragen haben die Priester, Diakone, Pastoral- sowie Gemeindereferentinnen und -referenten diskutiert: den Missbrauch von Macht, der zu sexuellen Übergriffen führen kann, und die Verteilung von Macht in der Zusammenarbeit von Ehren- und Hauptamtlichen in den Pfarreien der Zukunft. Impulse kamen dabei von Prof. Dr. Hildegund Keul, Leiterin des Forschungsprojekts „Vulnerabilität“ (Verwundbarkeit), Monika Oboth, Coach und Mediatorin, und Dr. Gundo Lames, Direktor des Bereichs „Ziele und Entwicklung“ im Bischöflichen Generalvikariat.

Monika Oboth, Coach und Mediatorin

Macht zwischen vielen Autoritäten aufteilen

In ihrem Vortrag und der anschließenden Gesprächsrunde bezog sich Keul auf den Machtbegriff nach Hannah Arendt, die Macht und Gewalt voneinander trennt. Macht im eigentlichen Sinne sollen die Personen haben, die kompetent seien (Autoritäten). Die Aufgabe von Amtsträgern sei es, diese Menschen in Entscheidungsprozesse einzubinden. „Macht kann kreativ und gestalterisch sein, wenn man sie zwischen vielen Autoritäten teilt“, so Keul. Es sei wichtig, sich der eigenen Vulnerabilität (Verletzlichkeit) und der des Gegenübers im Klaren zu sein. Zugleich müsse man sich der eigenen Vulneranz (die Fähigkeit, andere zu verletzen) bewusst sein. Nur wenn eine Institution wie die Kirche genau dazu bereit sei, könne der Missbrauch von Macht eingedämmt werden. Als Beispiel nannte sie Gott, der sich in der Menschwerdung selbst verwundbar gemacht habe. „Nur so können Liebe und Frieden entstehen“, erklärte sie. Zugleich forderte sie, vulnerablen – also verletzlichen – Gruppen wie etwa Kindern oder Minderheiten besonderes Augenmerk zukommen zu lassen, um sie zu schützen.

Wie man die theoretischen Erkenntnisse auf die Praxis in den Pfarreien der Zukunft anwenden könne, fragte Jugendpfarrer Jan Lehmann. „Was heißt das zum Beispiel für den konkreten Umgang mit Gremien in der Übergangsphase oder mit den Menschen, die Verlustängste haben?“ Veränderung rufe immer Konflikte hervor, das liege auf der Hand, sagte die Professorin. Im Dialog brauche es daher Ausdauer, gegenseitigen Respekt vor der Situation des Anderen und Frustrationstoleranz. Die Strategien, die bewirken, dass beide Seiten ihren Schutzschild fallen lassen, um wirklichen konstruktiven Austausch herbeizuführen, müssen immer wieder aufs Neue eingeübt und gepflegt werden. Eine Teilnehmerin ergänzte präzise: „Die Bereitschaft zur Verletzlichkeit muss eine Haltung sein, darf aber nicht zum Instrument werden.“ Ansonsten werde das Konzept ad absurdum geführt. 

Bischof Dr. Stephan Ackermann im Gespräch mit den Teilnehmerinnnen und Teilnehmern des Studientags

Im Barcamp Themen gleichberechtigt einbringen

Wie Macht – in Form von Redezeit – ganz praktisch geteilt werden kann, zeigte sich in der Methode „Barcamp“, die erstmals am Studientag angewandt wurde. Im Barcamp kann jede und jeder Teilnehmende gleichberechtigt die Themen einbringen, die ihr und ihm wichtig sind. Statt langen Vorträgen gab es kurze Impulse und Diskussionen auf Augenhöhe in kleineren Gesprächskreisen. „Das kann inspirierend wirken im Hinblick auf die Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamtlichen in den Pfarreien der Zukunft. Man organisiert den Rahmen und ermutigt die Menschen zu sagen, was ihnen wichtig ist, damit man sie dann darin unterstützen kann“, erklärte Karin Müller-Bauer aus dem Strategiebereich „Ziele und Entwicklung“ im Bischöflichen Generalvikariat, die die Veranstaltung gemeinsam mit Dr. Thorsten Hoffmann, stellvertretender Leiter im Bereich Personalplanung, moderierte.

Ein weiterer Perspektivwechsel in der Synodenumsetzung

Am Ende des Tages wurden Erkenntnisse und weiterführende Fragen zusammengetragen: Die Machtfrage solle in den Fokus der Prävention gerückt werden, die Rollenverteilung in den Pfarreien der Zukunft müsse unter Einbezug der Machtfrage und präventiver Supervision reflektiert werden und der Umgang miteinander solle achtsam gestaltet werden. Gundo Lames resümierte: „In der Synodenumsetzung geht es um den Wechsel von Perspektiven. Und wir dürfen uns einen weiteren Perspektivwechsel zuschreiben, und zwar den zwischen Vulnerabilität und Vulneranz.“ So schaffe man ein Klima, in dem Verletzlichkeit gezeigt werden dürfe und die Fähigkeit, andere zu verletzen, kritisch bewusst gemacht werde.

Der Studientag in Wittlich war die zweite von insgesamt drei Veranstaltungen. Im Visitationsbezirk Koblenz fand bereits ein Treffen statt. Dort konnten die Teilnehmenden auch den „Mahnenden Mühlstein“ der Initiative gegen Gewalt und Missbrauch an Kindern und Jugendlichen als Schlüsselanhänger mitnehmen. Der Anhänger soll für das Thema Missbrauch sensibilisieren und Erwachsene an ihre Verantwortung gegenüber ihnen anvertrauten Kindern erinnern. All jenen, die zum Pastoralen Studientag in Wittlich geladen waren, werden die Anhänger per Post zugesandt. Der Studientag im Bezirk Saarbrücken ist am 30. Oktober in Neunkirchen. Insgesamt erreichen die Pastoralen Studientage rund 450 Personen.

(ih)