Bischof Ackermann besucht Justizvollzugsanstalt Trier :Mensch sein auch im Gefängnis
Im Jahr der Barmherzigkeit entstand die Idee, die Justizvollzugsanstalt Trier zu besuchen: Jetzt hat Bischof Ackermann sich ein Bild von der Einrichtung gemacht.
Das Kräuterregal hat es dem Bischof angetan.
Datum:
10. Apr. 2017
Von:
Bischöfliche Pressestelle
Trier – „Das ist ja ein eigener Mikrokosmos“, sagt Bischof Dr. Stephan Ackermann ganz spontan, als er bei seinem Besuch in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Trier die Werkstätten betritt, die ihm JVA-Leiterin Sabine Beckmann und Klemens Heinzenburger, Leiter der Arbeitsverwaltung, zeigen. Die Idee zum Besuch der JVA Trier ist im von Papst Franziskus ausgerufenen „Jahr der Barmherzigkeit“ 2016 entstanden. Zwar sei er als Seminarist oder Weihbischof schon in der JVA Wittlich zu Besuch gewesen, sagt Bischof Stephan, die Trierer Anstalt kenne er jedoch noch nicht. Eine Metall- und eine Holzwerkstatt gibt es hier, einen Bereich für Gerüstbau und einen, in dem Arbeitsmaterialien verpackt werden. Besonders gut gefällt dem Bischof ein „Kräuterregal“, das aus Europaletten gefertigt wird und Platz bietet für das Anpflanzen von bis zu acht Kräutersorten. „Praktisch - das passt sogar auf einen kleinen Balkon“, stellt Ackermann fest. „Wir bieten hier auch Ausbildungs-Module an“, erklärt Beckmann, die die JVA seit Oktober 2011 leitet. Weil das in Zusammenarbeit mit der Industrie- und Handelskammer und der Handwerkskammer läuft, erhalten die Häftlinge entsprechende Bescheinigungen. Fast die Hälfte der rund 150 Gefangenen in der JVA Trier arbeiten – entweder in den Werkstätten, in der Küche, den sogenannten Hausdiensten mit Reinigung und Essensausgabe, oder in der Kleiderkammer. Es sind ausschließlich Männer, die in der JVA Trier oder im offenen Vollzug in der Außenstelle Saarburg ihre maximal zweijährigen Strafen absitzen. Dazu kommen Untersuchungshäftlinge.
"Du bist mehr als das, was du falsch gemacht hast"
Weil die Männer die meiste Zeit in ihren Hafträumen verbringen, die größtenteils als Einzelzellen angelegt sind, und täglich eine Stunde Hofgang haben, sind die Möglichkeit zu arbeiten oder an anderen Aktivitäten teilzunehmen sehr wichtig. Das erleichtert die Zusammenarbeit auch für die knapp 120 Bediensteten der JVA, neben den Vollzugsbeamten auch Verwaltungsangestellte, Sozialarbeiter, Psychologen und Juristen. „Man muss Mensch sein auch im Gefängnis“, sagt Vollzugsdienstleiter Hermann Hansjosten. Er ist seit 31 Jahren im Dienst und erklärt Bischof Ackermann, dass seiner Wahrnehmung nach das Gewaltpotential unter den Gefangenen nicht gestiegen sei. „Wir brauchen hier Beamte mit Gespür für die Menschen“, darauf achte man bei der Einstellung. Denn: „Hier ist nicht alles böse.“ Das sieht auch der Bischof so: „Einander als Menschen wahrzunehmen“, darauf komme es an, und auch bei den Inhaftierten zu sehen: „Du bist mehr als das, was du falsch gemacht hast.“ Wenn dieses Miteinander gelingt, dann komme zu einer organisatorischen Sicherheit auch eine soziale Sicherheit in der JVA dazu, sagt Heinzenburger. Um das zu fördern, bietet die JVA beispielsweise auch keinen klassischen Kraftraum an, sondern Mannschaftssport, um den Gemeinschaftssinn zu stärken. Dass die Sporteinheiten derzeit wegen Personalmangel des Öfteren ausfallen müssen, bedauern Bedienstete wie Häftlinge gleichermaßen. Das erfährt der Bischof in einer Gesprächsrunde mit Untersuchungshäftlingen, die der Trierer Pater Aloys Hülskamp seit 12 Jahren ehrenamtlich leitet. „Wenn wir Sport machen können, sind wir einfach ausgeglichener“, sagt einer der Männer ganz offen. Auch über Kulturangebote freuen sie sich. Ganz konkrete Dinge sagen die Männer dem Bischof. Etwa, dass sie gerne auch mal in ihren Werkstätten etwas für das Bistum herstellen würden, zum Beispiel kleine Holzkreuze. „Wir haben was Schlechtes gemacht, aber wir wollen auch was Gutes tun. Und mit solchen Arbeiten können wir zeigen: Wir hier drinnen denken an euch da draußen.“ Leiterin Beckmann und Bischof Ackermann versprechen, die Idee zu prüfen. Aber auch um existenzielle Fragen geht es. Wie schafft man es, Menschen unabhängig von ihren möglicherweise schweren Verbrechen weiter als Mensch zu begegnen? Wie geht ein Bischof mit Verbrechern um? „Für mich bleibt der Mensch unabhängig von seiner Tat ein Mensch. Alles andere ist mit meinem Glauben nicht vereinbar – auch wenn das durchaus schwerfallen kann“, sagt Ackermann. Ob der Bischof ihnen einen Rat für den Umgang mit ihrer Situation geben kann, wollen die Männer wissen. „Auch wenn es sicher schwer ist: Versuchen Sie, nicht zu verbittern und Hass auf die Welt und die Gesellschaft zu entwickeln“, sagt der Bischof. Wer glaube, könne dort einen Halt finden. Das bestätigen ihm die Männer, die ganz ausdrücklich die Gefängnisseelsorger Pfarrer Peter Maus und Diakon Thomas Reichert loben, ebenso wie „ihren“ Pater Aloys. „Wenn man niedergeschlagen ist oder mal Dampf ablassen muss, sind sie für uns da.“
Seelsorger sind wie Inseln
Bei Anstaltsleitung und Bediensteten haben die Seelsorger ebenfalls einen guten Ruf. „Wir sind hier oft mit purer seelischer Not konfrontiert“, erklärt Jens Cullmann von der Personalverwaltung. Bei aller Professionalität der Bediensteten bleibe aber immer ein Machtgefälle zu den Inhaftierten. Da seien die Seelsorger wie „Inseln“, sie wirkten oft deeskalierend. „Die Seelsorge kommt hier ganz unmittelbar und direkt an.“ Zwischen Bediensteten und Seelsorgern gebe es ein sehr vertrauensvolles Verhältnis. Das bestätigt Leiterin Beckmann, die hinzufügt: „Die Seelsorge in einer Haftanstalt findet unter besonderen Bedingungen statt, die die Seelsorge manchmal etwa durch die Sicherheitsstandards erschweren.“ So ist es nur logisch, dass Bischof Stephan in der JVA auch einen Gottesdienst feiert. Immer samstags bieten die Seelsorger einen katholischen Gottesdienst an, alle zwei Wochen gibt es auch einen evangelischen Gottesdienst. Wenn die Häftlinge daran teilnehmen möchten, drücken sie eine Lampe und werden zur Messe begleitet. So auch an diesem Samstag, an dem Bischof Ackermann im Gottesdienst daran erinnert, dass mit dem Palmsonntag die Heilige Woche beginnt, in der sich „ungezählte Menschen rund um den Erdball inspirieren lassen von Christus, dem Friedenskönig“. Dass Gewalt und Aggressionen aufhören, dass Menschen friedlich leben können – dafür werde mit dem Leben und Sterben Christi der Grundstein gelegt. Gott wolle Gerechtigkeit schaffen; er „hilft, dass wir gerecht werden und auf den rechten Weg kommen.“ Er nehme den Menschen in jeder Situation an. „Gott legt uns nicht auf unser Handeln fest, er bleibt uns zugewandt in jeder Situation unseres Lebens“, ermutigt der Bischof die Gottesdienstteilnehmer. Dann segnet er die Palmzweige und lädt vor allem die Häftlinge ein, einen Zweig mit in ihren Haftraum zu nehmen als Zeichen: „Jesus nimmt mich an in meiner Schwäche, aber auch in meiner Hoffnung.“ (JR)