Pater John Pudussery berichtet von seiner Arbeit im Nordosten Indiens:Mission am Fuß des Himalaya
Trier - Grüne Teegärten, soweit das Auge reicht, Regenwälder mit einer unglaublichen Artenvielfalt, die hohen Bergketten des Himalaya, über denen die Sonne schon um vier Uhr morgens aufgeht: Der Nordosten Indiens ist eine genauso unbekannte wie faszinierende Region des zweitbevölkerungsreichsten Landes der Erde. In der schwer zugänglichen Bergregion des Bundesstaats Arunachal Pradesh ist der Einsatzort des Salesianerpaters John Pudussery. Am Fuße des höchsten Gebirges der Welt arbeitet er mit den indigenen Bergvölkern zusammen, besucht sie an den Wochenenden, und leitet unter der Woche die Don-Bosco-Schule in der Kleinstadt Palin. Im Oktober, dem vom Papst ausgerufenen „außerordentlichen Monat der Weltmission“ ist Pudussery auf Einladung des katholischen Hilfswerks missio zu Gast im Bistum Trier. Am 24. Oktober machte er auch Station im Auguste-Viktoria-Gymnasium, das seit vielen Jahren eine enge Partnerschaft mit Schulen in Indien verbindet.
Der Nordosten Indiens sei das „andere Gesicht“ Indiens. Nur durch einen schmalen Landkorridor mit dem indischen Zentralstaats verbunden, sind die „seven sisters“ genannten sieben Bundesstaaten umschlossen von den Ländern Myanmar, Bangladesch, Nepal und China. Puduseery berichtete in seinem Vortrag, dass hier über 200 indigene Völker leben, deren Gesichtszüge eher Chinesen oder Burmesen ähneln, und die jeweils ihre eigene Sprache und Gebräuche haben. Häufig fühlten sich die Menschen jedoch als Bürger zweiter Klasse, es gebe Spannungen etwa mit Separationsbewegungen. Auf den Teeplantagen des Staates Assam seien die Arbeitsbedingungen oft schlecht, die Arbeiter würden von den Plantagenbesitzern ausgebeutet, zudem grassiere der Menschenhandel: Familien würden überredet, ihre Kinder wegzugeben, sodass diese als „Angestellte“ in reicheren Haushalten der großen indischen Städte arbeiten können. In Wahrheit würden sie behandelt wie Sklaven. Hier setze auch die Arbeit der Ordensschwestern und –brüder an. Die so genannten „touring sisters“ seien Ordensfrauen, die während ihrer mehrtägigen Einsätze von Dorf zu Dorf reisten und Aufklärungsarbeit sowie medizinische Hilfe bei den Familien leisten.
Pudussery selbst stammt aus dem Süden Indiens und kam vor rund 40 Jahren zum Studium in den Nordosten. Die Region und die Menschen sieen ihm ans Herz gewachsen – hier sei sein Zuhause. „Oft ist das erste Wort, das einem als Assoziation bei Indien in den Kopf kommt „Hinduismus“. Aber für den Nordosten gilt das nicht, hier sind teilweise über 90 Prozent der Bevölkerung einzelner Staaten Christen“, erklärte der 53-Jährige während seines Vortrags. Neben seiner Tätigkeit als Englisch- und Musiklehrer und Direktor arbeitet Pudussery viel mit dem Stamm der Nyishi, der größten Volksgruppe unter den Bergvölkern, zusammen. „Wir haben Internate für die Schüler gebaut, denn häufig sind ihre Dörfer mehr als eine Tagesreise zu Fuß entfernt“, so der Salesianerpater. Und lebten die Schüler weiter bei ihren Familien, so würden viele als Erntehelfer arbeiten müssen und die Schule gar nicht besuchen. Ein wichtiges Anliegen sei ihm vor allem die Bildung der Mädchen. Unter den Nyishi sei immer noch Polygamie und Kinderheirat seien verbreitet. „Junge Mädchen werden oft als zweit- oder Drittfrau an alte Männer verheiratet. Es ist mein Ziel, dagegen anzukämpfen. Mit einer besseren Bildung ändern sich die Zustände langsam.“
Grundsätzlich sei die Kultur der Nyishi mit den Werten des Christentums gut vereinbar, es gebe viele Anknüpfungspunkte. So seien die Nyishi etwa sehr hilfsbereit und gastfreundlich. „Wenn etwa ein Haus gebaut wird, hilft das ganze Dorf mit, 70 oder 80 Leute, und in drei Tagen ist das Bambusgebäude fertig“, so Pudussery. „Besucher sind in jedem Haus willkommen, werden bewirtet und bekommen sogar Proviant für die weitere Reise und dürfen nachts am nächsten der Feuerstelle schlafen. Wobei bei unseren Besuchen an Schlaf nicht groß zu denken ist, da unter den Stelzenhäusern die Schweine, Kühe oder Hühner stehen und die sich nachts einiges zu erzählen haben“, lacht der Pater.
Seine Mission sei es, mit den Menschen zusammen ihre Lebensbedingungen zu verbessern, ihnen durch Bildung mehr Entfaltungsmöglichkeiten einzuräumen. Der Papst habe mir seinem Leitwort zum Monat der Weltmission den Punkt getroffen: Ihr seid „getauft und gesandt“. „Es reicht nicht, nur zum Christentum dazuzugehören, sich in einen schönen Gottesdienst zu setzen und wieder nach Hause zu gehen. Wir dürfen nicht den Aspekt des Gesandt-Seins verlieren. Wir müssen hinausgehen zu den Menschen. Wenn wir die Bedürfnisse und Nöte anderer wahrnehmen und ihnen Hilfe anbieten, werden wir menschlicher und christlicher.
(sb)