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Podiumsdiskussion zur Europawahl:Mit Esprit für die europäische Idee

Die parteiübergreifende Bewegung Pulse of Europe startet mit einer Podiumsdiskussion mit Bischof Ackermann ihre Kampagne zur Europawahl.
Es diskutierten: Carolin Ackermann, Stephan Ackermann, Jean Asselborn, Sabine Wachs, Stelle Pazzi, Thomas Bousonville und Stephan Toscani.
Datum:
26. Apr. 2024
Von:
Ute Kirch

Saarbrücken – „Neuer Nationalismus oder demokratisches Europa?" – unter diesem Titel hat auf Einladung der parteiunabhängigen Bewegung Pulse of Europe am Donnerstag in Saarbrücken ein unter anderem mit Bischof Dr. Stephan Ackermann und dem ehemaligen luxemburgischen Außenminister Jean Asselborn prominent besetztes Podium diskutiert. Mit der äußerst gut besuchten Veranstaltung startet Pulse of Europe ihre Kampagne zur diesjährigen Europawahl am 9. Juni. Die Wahl sei, betonen die Initiatoren, angesichts des Erstarkens rechter Kräfte in vielen Ländern, richtungsweisend, wie es mit Europa weitergehe.

Vor der Diskussion spannte Asselborn in einem Impulsvortrag einen weiten Bogen von den Römischen Verträgen 1957, den Erweiterungen der EU, bis zu ihrem aktuellen Agieren im Ukraine-Krieg und Nahostkonflikt heute. Reisefreiheit im Schengenraum, 13 Millionen Erasmus-Studierende, Solidarität mit weniger reichen Ländern, Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenwürde, Schutz der Minderheiten, Pressefreiheit und vor allem 80 Jahre Frieden: Die Liste der Erfolge der Europäischen Union sei lang. „Doch wenn wir diese Werte nicht respektieren und leben, dann kann Europa sterben“, warnte er. Dass diese bedroht seien, hätten die Jahre 2015 bis 2023 in Polen gezeigt, als die Justiz unter die Kontrolle der Politik gestellt wurde und aktuell in Ungarn, wo die Presse nicht frei sei. „Wir dürfen bei der Rechtsstaatlichkeit keinen Millimeter nachgeben“, appellierte Asselborn. Auch der Brexit zeige, dass das gemeinsame Projekt Risse bekommen habe. „Ich könnte mir vorstellen, dass die Briten in zehn Jahren wieder bei uns anklopfen“, so seine Prognose. Klimawandel, Kriminalitätsbekämpfung, Sicherheit und Migration – seien die großen Fragestellungen der heutigen Zeit. „Es ist unmöglich, mit nationaler Politik diese großen Themen unserer Zeit zu lösen“, rief Asselborn. Dies könne nur gemeinsam im Staatenverbund gelingen. „Diejenigen, die unsere Freiheit und Demokratie zerschlagen wollen, verdienen keine Stimme von uns. Ich bin froh, dass die Kirchen in Deutschland hier eine klare Sprache sprechen. Wenn Europa einmal fällt, wird es nicht neu erfunden werden.“

In einer Podiumsdiskussion moderiert von SR-Journalistin Sabine Wachs sprachen Asselborn, Bischof Ackermann, der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion Stephan Toscani, htw-Professor Dr. Thomas Bousonville, Geschäftsführerin Stella Pazzi und die Sprecherin des Start-up Verbands Saarland Carolin Ackermann über die Bedeutung von Europa in der Grenzregion und wie eine engere emotionale Verbundenheit mit der EU gelingen könne. Ausgangspunkt bildete die im April vorgestellte Studie der Saar-Uni, wonach Deutsche, die in Grenznähe wohnen, nicht mehr für Europa empfinden als ihre Mitbürger. „Das Ergebnis empfinde ich nicht als sehr negativ. Wir haben in Deutschland eine vergleichsweise hohe Zustimmung zu Europa“, sagte Toscani. Natürlich wünsche er sich für die Grenzregion einen höheren Wert. „Vielleicht sind die Vorteile der Grenzlage ein stückweit zu selbstverständlich geworden“, vermutete er.

 

"Wenn ich Christ bin, kann ich kein Nationalist sein"

Die Podiumsdiskussion zur Europawahl war gut besucht.

Bischof Ackermann berichtete vom Hirtenbrief der Bischöfe der sogenannten Euregio (Bistümer entlang der belgisch-französisch-luxemburgisch-deutschen Grenze), die mit Blick auf die Europawahl dafür werben, das „Projekt Europa“ neu zu beleben. Der Zusammenschluss als Euregio sei übrigens zuerst eine Initiative der Jugend gewesen, die sich bei Weltjugendtagen als grenzüberschreitende Gruppe organisiert habe. Aber der Austausch unter den Bischöfen sei kein Selbstläufer, die Situationen vor Ort unterschieden sich mitunter stark: „Es braucht immer wieder neue Bestätigung, was die politische Lage und die Situation der Kirche angeht.“ Es sei ein Pfund der Kirche, Völkerverständigung auf der Basis des Glaubens betreiben zu können. Applaus bekam der Bischof für seine Abgrenzung gegenüber rechtspopulistischen Kräften: „Wenn ich Christ bin, kann ich nicht Nationalist sein, wenn ich vom Evangelium her denke."

Die Europäische Union habe vieles erleichtert, etwa den grenzüberschreitenden Handel, sagte Unternehmerin Pazzi. Doch angesichts einer überbordenden Bürokratie sehe sie auch den Reformbedarf. „Wir müssen stärker betonen, was uns Europa bringt“, sagte Professor Bousonville. Ein gemeinsames und freies Europa sei nicht selbstverständlich – das hätten die Grenzschließungen während der Covid-Pandemie gezeigt. „Lange wurde der Frieden in Europa nicht mehr als Errungenschaft beachtet; angesichts der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten hat er bei den jungen Leuten wieder einen neuen Wert.“

Europa müsse bei den Menschen stärker positive Emotionen wecken. „Wie kriegen wir es hin, dass nicht nur die Eliten an den Hochschulen, sondern auch normale Bürgerinnen und Bürger sagen: Wir sind stolz darauf Europäerinnen und Europäer zu sein? Das geht nur über Begegnung“, sagte Ackermann. Europa habe etwas einzubringen in der Welt – etwa die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Kulturen, die gemeinsam Lehren aus der Geschichte gezogen hätten. „Europa kann mit seinen Werten werben, sagte Toscani; „Wir können positiv-emotional für Europa werben, für unsere Demokratie, die hohe soziale Absicherung und ökologische Standards. Der European Way of Life ist attraktiv!“