Neunkichen - "Geh mit uns auf unserem Weg" – diesen Vers singend sind am vergangenen Mittwoch rund 150 Menschen durch die Neunkircher Oberstadt gegangen. Beim achten ökumenischen Kreuzweg des Dekanates Neunkirchen unter dem Motto "durchkreuztes Leben" folgten sie den Spuren Jesu. Dekanatsreferent Klaus Becker sagte zum Auftakt in der Friedenskirche: "Die Kreuzwegerfahrung machte Jesus vor 2000 Jahren. Aber bis heute machen Menschen Erfahrungen mit dem Kreuz, leiden und suchen nach Erlösung." Das Anliegen sei es, dass die Menschen die letzten Stunden Jesu erfahren, verstehen und dessen Kreuzwegerfahrungen mit ihren eigenen zusammen bringen. Besondere Solidarität zollten die Teilnehmer in Gebeten, Fürbitten und Liedern den vielen Flüchtlingen aus Kriegsgebieten und den Menschen, die in unserem Land heimatlos und notleidend sind. Nach einem Segen von Pfarrerin Christiane Rolffs und Diakon Oswald Jenni machten sich die Teilnehmer auf den Weg. Mit einem hölzernen Kreuz an der Spitze und musikalischer Begleitung durch Dekanatskantorin Melina Wack und Saxofonist Maksym Malkov zogen sie zur Station an der Edith-Stein-Schule. Drei der jungen Frauen, die dort zu Erzieherinnen ausgebildet werden, gruppierten sich in Schwarz gekleidet um eine weitere, in Weiß gekleidete Frau. Doch jedes Mal, wenn diese auf eine der schwarzen Gestalten zutrat, wurde sie abgewiesen und weggestoßen. "Geh weg, du hast einen anderen Glauben!", "Geh weg, du kommst nicht von hier!", “Geh weg, du siehst anders aus!". Mit solchen Parolen zeigten die Frauen die Fremdenfeindlichkeit auf, die viele Menschen ertragen müssen, und baten für mehr Toleranz. Dekanatsreferent Becker zimmerte wie an jeder folgenden Station aus zwei Ästen und einem Nagel ein Kreuz, das als Zeichen der Erinnerung zurückblieb. Mitten im Wohngebiet Oberstadt erzählten Anwohner von ihren Schicksalen und Ängsten. Diakon Jenni las die Worte eines Mannes vor, der aus gesundheitlichen Gründen nicht am Kreuzweg teilnehmen konnte. Der Mann hatte als Kind die letzte Bombardierung der Stadt im Frühjahr 1945 erlebt, saß unter der Kellertreppe, als sein Zuhause zerstört wurde. Trotz allem sei er mit seiner Frau in Oberstadt alt geworden. Doch vieles habe sich in den vergangenen Jahren verändert. Es gebe keine Geschäfte, keine Post mehr, und immer weniger Menschen, die er kenne. Alles sei anonym geworden. Ein anderer Mann erzählte, welche Folgen es habe, dass die Kirche St. Pius im vergangenen Jahr geschlossen wurde. Er sehe Freunde nicht mehr, die er sonst nach dem Gottesdienst getroffen habe, und viele ältere Menschen zögen sich zurück. "In St. Pius waren wir zuhause." Ein neues Zuhause habe dagegen ein junger aramäischer Christ gefunden, der vor dreieinhalb Jahren aus dem Irak gekommen ist. Im Garten einer Außenwohngruppe des Pallotti-Hauses, einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe, erwartete die Teilnehmer ein Kreis aus Teelichtern, um den sie sich scharten. Begleitend zu der Geschichte, wie die Soldaten Jesus prügeln, seiner Kleider berauben und schließlich ans Kreuz schlagen, warfen die Menschen Worte in den Kreis, die sie damit verbinden. "Erniedrigung", rief eine Frau in die hereingebrochene Dunkelheit, "Verraten und verkauft" ein Mann. Einige der Jugendlichen, die in der Wohngruppe leben, standen am Fenster und lauschten dem Bitten für die Menschen, die auf dem Weg in eine bessere Welt sind.