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Fachtag diskutiert über die Struktur der Kirche und die Rolle des Ehrenamts im Bistum Trier:Mut zu mehr Mitwirkung von Ehrenamtlichen

Unter dem Titel "Beteiligung ist der Schlüssel" diskutierten am Samstag im Rahmen der Heilig-Rock-Tage Ehrenamtliche mit Experten aus der Wissenschaft und Generalvikar Dr. Ulrich Graf von Plettenberg, wie sich die Beteiligung von Ehrenamtlichen im Bistum steigern lässt.
Datum:
20. Apr. 2021
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Trier – Wie lässt sich im Bistum Trier die Beteiligung von Ehrenamtlichen steigern? Welche Möglichkeiten gibt es – gerade auch mit Blick auf die im Herbst bevorstehenden Gremienwahlen? Welche Grenzen setzt das Kirchenrecht? Diese Fragen standen am Samstag, 17. April, im Zentrum der digitalen Fachtagung „Beteiligung ist der Schlüssel“. Ehren- und Hauptamtliche aus allen Teilen des Bistums diskutierten mit Generalvikar Dr. Ulrich Graf von Plettenberg sowie Dr. Ulrike Gerdiken, Professorin für Medienpädagogik und Kommunikationswissenschaft an der Katholischen Hochschule Mainz, Dr. Elisabeth Zschache, Expertin für Moderation, Bildungsarbeit und Prozessbegleitung sowie Dr. Thomas Schüller, Professor für Kanonisches Recht an der Universität Münster. „Das Thema Beteiligung treibt uns seit vielen Jahren um“, sagte die Leiterin des Arbeitsbereichs Ehrenamtsentwicklung des Bistums, Michaela Tholl. „Wir glauben, dass Partizipation der Schlüssel für die Entwicklung unserer Kirche in Trier ist.“

„Partizipation hat kein Rezept. Jede Gruppe muss neu herausfinden, was für sie Partizipation bedeutet“, sagte Dr. Elisabeth Zschache. Die Frage nach Beteiligung stelle auch immer die Machtfrage. Selten teile der Machthabende seine Macht von sich aus, sondern weitaus häufiger ermächtige sich eine benachteiligte Gruppe selbst. „Man kann Machtverhältnisse nicht individuell ändern. Man muss sich organisieren, zum Beispiel in Gewerkschaften“, sagte sie. Hierarchien in Frage zu stellen, bedeute, in Konflikt mit den Machthabenden zu gehen. Unterschiedliche Bedürfnisse müssten ausgehandelt werden, denn nicht alle Ehrenamtlichen wollten das Gleiche. „Man kann Partizipation lernen und eine partizipative Haltung einüben. Es wird immer wieder auch um Machtfragen gehen, aber dafür müssen Strukturen geschaffen werden, in denen die Machtfrage stellbar ist. Packen Sie es an!“, gab sie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit auf den Weg.

Die von Dr. Zschache skizzierte Möglichkeit der Selbstermächtigung nannte Kirchenrechtler Professor Schüller einen „interessanten Gedanken, der aber nicht so ganz katholisch“ sei. Als Katholik sei man in einer „schizophrenen Situation“: Als überzeugter Demokrat lebe man den Glauben in einem „absolutistisch-monarchischen System“ aus, in dem Partizipation zwar teilweise gewährt, aber nicht dauerhaft rechtlich gewährleistet werde. Er verstehe kirchenrechtlich unter Partizipation „die wirkliche und damit auch wirkmächtige Beteiligung von allen Gläubigen an kirchlichen Entscheidungsprozessen und kirchlichen Grundvollzügen in Verkündigung, Feier der Liturgie und Leitungsdienst“. Diese Rechte müssten einklagbar sein und nicht von der Gunst eines Oberen abhängig sein. Er plädierte stark dafür, die Beratungsform einer Bistumssynode, wie sie in Trier stattgefunden habe, überall anzuwenden, wenn es um konkrete Sachverhalte vor Ort gehe. „Es ist eine großartige Idee von Bischof Stephan gewesen, für die ganz wesentliche Frage der Neustrukturierung der Pfarrei eine Synode durchzuführen“, sagte Schüller. Die Diözesansynode sei ein Instrument, das Volk Gottes in verbriefter, rechtlich abgesicherter Weise zu hören und gleichzeitig die Autorität des Bischofsamts zu wahren. „Trier hat es anderen Bistümern vorgelebt und dann mit der römischen Direktive diese frustrierende Erfahrung gemacht“, bedauerte Schüller und appellierte: „Trau dich, Trier, Rom hier die Stirn zu bieten. Es muss möglich sein, dass eine Diözese ihre Dinge selber regelt.“

Die Erziehungswissenschaftlerin Professorin Dr. Ulrike Gerdiken stellte das von Joachim Eckart entwickelte Konzept der Ermöglichungspastoral vor, das in ihren Augen der Schlüssel für eine zukunftsfähige Kirche ist. Ausgangspunkt müsse der Mensch in seiner Lebenswelt sein. Pastorale Prozesse sollten nicht mehr von oben gesteuert werden, sondern begleitend, im Dialog mit den Betroffenen. Um fortzubestehen, müsse sich Kirche als lernende Institution begreifen. Dafür müsse sich jedoch ihr Führungsverständnis ändern, denn mit einem hierarchischen Führungsmodell sei kein organisationales Lernen möglich. .„Kirche soll den Menschen begleiten und unterstützen und keine Vorschriften machen, wie das Leben gelingt oder funktioniert. Sie macht Angebote und hilft den Menschen, sich zu finden“, umschreibt Gerdiken das Konzept. „Keiner hat die Wahrheit gepachtet. Ein Lehramt, das sagt, wie Glauben funktioniert, funktioniert nicht mit der Ermöglichungspastoral und bringt den Menschen auch nicht dazu, ein selbständiger und starker Mensch zu werden.“ Doch diese Stärkung des Menschen sei insbesondere mit Blick auf die MHG-Studie, die den Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland untersucht hat, unerlässlich. Missbrauchsfälle ließen sich nie ganz verhindern, aber: „Je mehr wir Menschen stärken in ihrem Glauben und in ihrem Selbstbewusstsein, auch nein zu sagen, desto mehr können wir Machtmissbrauch verhindern.“

In der abschließenden Diskussion räumte Generalvikar Ulrich Graf von Plettenberg ein, dass Hauptamtliche – ob Priester oder Pastoral- und Gemeindereferentinnen – die Dinge mitunter zu sehr an sich zögen und keinen Raum für das Ehrenamt ließen. „Wir sollten sehr gut an einer Ermöglichungspastoral arbeiten“, sagte von Plettenberg, „ich glaube, wir sind sehr gefangen in unseren Strukturen, sodass es oftmals daran hapert, dass Leute sich ermutigt fühlen, Dinge aus eigener Kraft heraus anzugehen.“ Damit Kirche nicht um sich selbst kreise, müsse sie Impulse von außen wahrnehmen. Dies sei auch der Ansatz der Bistumssynode gewesen.

Mehrere Teilnehmer meldeten zurück, dass die Frage der Beteiligung von Ehrenamtlichen häufig von der Person des Priesters abhänge. Sie äußerten den Wunsch, die Möglichkeiten der Partizipation bereits in der Priesterausbildung zu verankern. „Ich erhoffe mir, dass wir mit Mut nach Hause gehen, dieses Thema umzusetzen: Wo sind die Möglichkeiten, bei diesem Thema voranzugehen, Menschen in der Kirche einen Platz zu geben“, sagte Michaela Tholl. Sie selbst nehme wertvolle Hinweise mit: „Sie haben Wirkung erzielt, mit dem, was Sie uns mit auf den Weg gegeben haben“, sagte sie den Teilnehmenden.

(uk)