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Orthodoxe Christen feiern das höchste kirchliche Fest eine Woche später :Nach Ostern ist vor Ostern

Wenn für römisch-katholische Christen Ostern schon vorbei ist, steht es in den Orthodoxen Kirchen noch bevor: Sie feiern nach julianischem Kalender.
Die Pysanky (Ukrainisch) sind kunstfertig mit Bienenwachs beschriebene Ostereier. Die Tradition wachs-bemalter Eier gibt es auch in Russland, Weißrussland, Serbien, Bulgarien, Rumänien oder Tschechien. Um die Herstellung gibt es viele eigene Rituale und Traditionen.
Datum:
24. Apr. 2022
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Trier/Koblenz/Saarbrücken – Die Osterfeuer wurden entzündet, die Auferstehung Jesu in den Ostermessen gefeiert; Kinder haben traditionell Eier gesucht und hoffentlich gefunden. Doch nach Ostern ist vor Ostern: Denn während das Fest für römisch-katholische Christen bereits zurückliegt, feiern orthodoxe Christen es erst am 24. April – also eine Woche später. Das hängt damit zusammen, dass Orthodoxe sich am (älteren) julianischen Kalender orientieren, nicht am gregorainischen. Für die ukrainische Bevölkerung, die mehrheitlich einer orthodoxen Kirche angehört, wird es in diesem Jahr ein ganz anderes Ostern: Laut Medienberichten sind seit Kriegsbeginn im vergangenen Februar rund 5 Millionen Ukrainer aus ihrem Heimatland geflohen – davon sind rund 366.000 inzwischen in Deutschland. Auch im Bistum Trier sind viele Geflüchtete angekommen und es gibt ein großes ehrenamtliches zivilgesellschaftliches und kirchliches Engagement. Viele der Engagierten kommen so auch zum ersten Mal in Kontakt mit dem Glauben und den Traditionen der Geflüchteten. Was wissen wir überhaupt über die orthodoxen Kirchen, nicht nur in der Ukraine, sondern weltweit? Wie feiern sie Gottesdienste und wo bestehen Unterschiede und Gemeinsamkeiten zur römisch-katholischen Kirche?

Die Orthodoxen Kirchen

Bei den orthodoxen Kirchen handelt es sich nicht um eine einzige, sondern um einen Bund aus derzeit 16 Kirchen, die mit rund 220 Millionen Gläubigen weltweit die drittgrößte Konfession nach Katholiken und Protestanten bilden. Es wird unterschieden zwischen autokephalen und autonomen Kirchen – erstere wählen ihr Oberhaupt selbst, zweitere sind zwar in ihrer Verwaltung selbstständig, haben aber kein eigenes Kirchenoberhaupt. Gemeinsam ist ihnen, dass sie sich ausschließlich an den Beschlüssen der sieben Ökumenischen Konzilien des ersten Jahrtausends orientieren. Bibel- und Gottesdienstsprache ist die jeweilige Landessprache oder eine ältere Form, etwa Altgriechisch oder Kirchenslawisch. Je nach Größe und Bedeutung heißen sie Patriarchat, Erzbistum oder Metropolie. Konstantinopel, Jerusalem, Alexandria, Antiochia bilden die altkirchlichen Patriarchate, später kamen etwa Moskau, Rumänien oder Georgien hinzu.

Gottesdienste nach Byzantinischen Ritus

Obwohl der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel eine Ehrenstellung hat, wäre es missverständlich, ihn in seiner Funktion als „orthodoxen Papst“ analog zum römisch-katholischen Papst zu sehen; er ist vielmehr “Primus inter pares”, also „Erster unter Gleichen“ Orthodoxen. Historisch bildete sich diese Sonderstellung im vierten Jahrhundert heraus, als der römische Kaiser Konstantin I. Byzanz in Konstantinopel (heute Istanbul) umbenannte und zur neuen Hauptstadt seines Reichs machte. Das „Neue Rom“ blühte in der Folgezeit auf und avancierte nach dem Zusammenbruch des weströmischen Reichs auch zu einem Zentrum des Christentums. Die endgültige Trennung zwischen Ost- und Westkirche verorten Forscher in der Zeit der Kreuzzüge. Heute wird in allen orthodoxen Kirchen der Gottesdienst, also die Liturgie, nach byzantinischem Ritus gefeiert. Während eine übliche katholische Messe rund eine Stunde dauert, kann es in der byzantinischen Liturgie schon einmal mehr werden: Ursprünglich dauerte die Liturgie bis zu fünf Stunden, die Basilius-Liturgie für hohe Feiertage etwa zweieinhalb und die ab dem 11. Jahrhundert eingeführte und an den meisten Sonntagen gefeierte Chrysostomos-Liturgie rund eineinhalb Stunden. Orthodoxe Gottesdienste benötigen neben dem Priester auch einen Diakon. Das Diakonat auch für Frauen möchten einige orthodoxe Kirchen übrigens wiederbeleben, anders als die römisch-katholische Kirche. Das Amt hat eine lange Tradition in der Orthodoxie, wurde formal nie abgeschafft, aber seit dem Mittelalter kaum noch praktiziert. Einen Unterschied gibt es auch in der Ausbildung der Priester: Der Zölibat gilt für Bischöfe, Priester dürfen verheiratet sein, wenn die Eheschließung vor der Weihe erfolgte.

Unterschiede und Besonderheiten

In einem orthodoxen Gottesdienst wird man Instrumente vergebens suchen: Zwar sind Gesänge wichtig für die Liturgie, doch sie werden als Gebete verstanden und dürfen daher nur von menschlichen Stimmen vorgetragen werden. Auch eine Bestuhlung in den Kirchen ist rar: Gebetet wird stehend; die wenigen Sitzgelegenheiten sind für Alte und Schwache vorgesehen. Beim Kreuzzeichen, das in der Liturgie oft vorkommt, bewegen die Menschen ihre Hand von der Stirn bis etwa zur Bauchmitte und anschließend von der rechten zur linken Schulter. Dabei werden Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger zusammengehalten – als Hinweis auf die Dreieinigkeit. In den Gottesdiensten wird viel Weihrauch verwendet, außerdem gibt es eine lebendige Ikonenverehrung. Diese meist auf Holz gemalten Heiligenbilder sind nicht nur Dekoration oder Kunst, sondern gelten als Fenster zum Himmel: Wenn man sie betrachtet, soll man die Gegenwart Gottes spüren.

Die Osterliturgie

An Ostern nun endet auch für orthodoxe Gläubige die Fastenzeit und in der Nacht von Karsamstag auf Ostersonntag wird der besonders feierliche und symbolisch aufgeladene Osternachtgottesdienst gefeiert, der bis zu fünf Stunden dauert. Ist der erste Teil der Liturgie noch von Jesu Tod und Trauer geprägt und dementsprechend die Kirchen verdunkelt, beginnt die Auferstehungsfeier mit dem Entzünden einer Kerze: Der Priester gibt ihr Licht an die ganze Gemeinde weiter, bis es den ganzen Raum erhellt. In der slawischen Tradition ziehen die Gläubigen um Mitternacht gemeinsam dreimal um das Gotteshaus, was auf die drei Tage verweisen soll, die Jesus im verschlossenen Grab lag. Wenn die Gemeinde die Kirche wieder betritt, ist sie hell – Jesus ist auferstanden und das Grab leer. Ab diesem Zeitpunkt herrscht freudige Stimmung und die Liturgie ist geprägt von Jubel und Lobpreis. Traditionell werden auch Speisen zum Segnen in den Gottesdienst mitgebracht, denn anschließend wird das Fasten entweder direkt in der Gemeinde oder beim Frühstück in der Familie gebrochen – oft mit einem traditionellen Osterkuchen aus Hefeteig, reich verzierten Ostereiern, Wurst, Käse und Milchspeisen. Am Ostersonntag und in der folgenden Zeit ruft man sich den traditionellen Ostergruß zu, der beispielsweise auf Ukrainisch „Христос Воскрес! – Воістину Воскрес!“ (Christus ist auferstanden! – Wahrhaftig auferstanden!) lautet.