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500 Menschen haben der Flutopfer in Sinzig gedacht:Ökumenischer Gottesdienst zum Jahrestag der Flut

Bei einem ökumenischen Gottesdienst in Sinzig haben 500 Menschen der Flutopfer gedacht.
Foto: Judith Schumacher
Datum:
21. Juli 2022
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Sinzig/Bad Bodendorf – Direkt an der Ahr, dort wo vor einem Jahr die Wassermassen auch in Sinzig ein Bild der Zerstörung hinterlassen hatten, haben sich am 15 Juli beim ökumenischen Gedenkgottesdienst anlässlich des Jahrestages der verheerenden Flutkatastrophe im Ahrtal über fünfhundert Menschen versammelt, um inne zu halten und der Opfer zu gedenken. Der Sinziger Pastor Frank Werner und der evangelische Pfarrer Stefan Bergner zelebrierten den Gottesdienst.

Tiefe psychische Wunden

„Warum? Warum musste mein Kind sterben? Warum die Behinderten im Lebenshilfehaus? Warum musste die Oma nochmal in den Keller gehen, obwohl das Wasser schon drin war? Auf diese Fragen gibt es keine Antwort“, sagte Pastor Werner. Gerade erst habe ihm die Mutter eines verstorbenen behinderten Jungen gesagt, sie könne nicht begreifen, dass seitdem schon ein ganzes Jahr vergangen sei. Ein Mann aus Bad Bodendorf habe ihm erzählt, dass er gerade erst beginne zu begreifen, wie nahe er dem Tod gewesen sei. Bei dem Gottesdienst wurde deutlich, wie tief die psychischen Wunden bei den Menschen sind, die Verluste erlitten haben oder verletzt wurden – und das dem auch Rechnung getragen werden muss.

15 Steine wurden vor dem Altar im Halbkreis ausgelegt. 14 für die Verstorbenen in Sinzig und einer stellvertretend für die insgesamt 134 Toten, die entlang der Ahr schmerzlich vermisst werden. Pfarrer Stefan Bergner, der nach der Flut ins Ahrtal kam, hat als eine seiner wichtigsten Erfahrungen mitgenommen, wie stark und wichtig der Zusammenhalt unter den Menschen nach der Flut war, die sich gegenseitig stützten, stärken und anrühren. „In den Versorgungszelten ging es nicht nur ums Essen – was gestärkt hat, war der Austausch mit anderen Menschen auch von ganz weit weg, die einfach da waren, die Hilfsbereitschaft und Respekt den Lebensgeschichten der Einzelnen erwiesen haben“, betonte der Pfarrer. Der Geistliche machte den Anwesenden Mut und forderte sie auf, sich Zeit zu nehmen, um Kraft zu tanken, um den Weg, der vor ihnen liegt, weitergehen zu können. Er regte zudem an, offen zu bleiben für Menschen, die noch keinen Anschluss gefunden haben. In den Lesungen wurde unter anderem für ein stärkeres Bewusstsein gegenüber der Zerbrechlichkeit der Schöpfung gebetet. Stille herrschte unter den Anwesenden, als der Ahr-Psalm von Monsignore Stephan Wahl verlesen wurde, der auch mit den Tiraden mancher Kritiker abrechnet, die mit erhobenem Zeigefinger die „Portion Sintflut als Strafe für unsere Vergehen, für unsere Verbrechen an der Natur“ bezeichnen.

Dank an die Feuerwehrleute

Sinzigs Bürgermeister Andreas Geron nahm die Gelegenheit zum Anlass, den anwesenden Feuerwehrleuten dafür zu danken, dass sie in der Flutnacht ihr Leben eingesetzt haben. Pastor Frank Werner erinnerte sich daran, dass er jüngst in Bad Bodendorf ein Feuerwehrfahrzeug gesegnet hat, mit dem sechzig Menschen in Sinzigs größtem Stadtteil gerettet wurden. An diesem Abend sollte bei der Gedenkfeier im Bad Bodendorfer Kurpark ein weiteres Feuerwehrfahrzeug eingesegnet werden. Eines, das aus Spendengeldern finanziert wurde und das nun für die Drohnen-Gruppe der Feuerwehr zum Einsatz kommt. Wie bekannt wurde, musste vor einem Jahr die Drohne aus Bad Bodendorf, die mit Wärmebild-Infrarot-Kamera ausgestattet ist und aus dem Katastrophengebiet von Schuld angefordert worden war, mittels eines umgerüsteten DRK-PKW dorthin transportiert werden.

Im Kurpark von Bad Bodendorf konnten sich die Gäste anhand von Aufnahmen aus Tagen nach der Flut ein Bild von der damaligen Situation machen. Dies können sie allerdings nun auch mittels eines soeben vom Förderverein der Bad Bodendorfer Feuerwehr herausgegeben 72-Seiten starken Bildbands, der gegen eine Spende von mindestens fünf Euro beim Förderverein erhältlich ist.

Am Rande der Veranstaltung, bei der es auch Gelegenheit gab, seelsorgerliche oder den Wiederaufbau betreffende Gespräche zu führen, wurde immer wieder auch Kritik laut. „Bei der ersten Bürgerversammlung im Helenensaal nach der Katastrophe wurde ganz klar gesagt, dass die Gründe, warum sich das Wasser im Grünen Weg so stark angestaut hat, die B 9 und der Bahndamm sind; der Landesbetrieb Mobilität hat das zwar zur Kenntnis genommen, doch ändern wird sich hier wohl nichts“, stellte etwa Michael Lambert fest. „Die Menschen in Sinzig hätten nicht sterben müssen, es wurden Stunden vergeudet, weil nicht gewarnt wurde“, waren sich zwei Frauen in Bad Bodendorf einig. Pastor Stefan Bergner hatte deutlich gemacht, dass die Seelsorgenden und Helfenden auch weiterhin für die Flutbetroffenen im Ahrtal da sein werden: „Es geht nun ins zweite Jahr nach der Flut, rechnen Sie weiter mit Menschen, die sie stärken möchten.“

(red)