Letzte Probenphase der Passionsspiele Wintrich beginnt:„Passion heißt Leiden UND Leidenschaft“
Wintrich – Sein Blick ist ernst. Er sitzt auf einer Stufe mit gesenktem Blick. Das Schulterklopfen seines Jüngers kann ihn nicht aufmuntern. Erst als sie hereinkommt, blickt er auf. Vorsichtig begießt sie sein Haupt mit Öl. Spannung herrscht, als sich die beiden tief in die Augen schauen. Es ist still im Raum. „Bis hierhin erstmal, die Szene spielen wir nochmal“, unterbricht der Spielleiter.
Solche Momente der Spannung erzeugen die Darsteller der Passionsspiele Wintrich bei ihren Proben. Da stört es auch nicht, dass der Jesus-Darsteller Robin Lorenz (32) bei seiner intensiven Szene mit Maria Magdalena, gespielt von Eva-Maria Pitsch, statt eines Kostüms eine schwarze Sporthose und weiße Jacke trägt. Schaut man ihm ins Gesicht, erkennt man den leidenden Jesus. Er und seine Spielkollegen haben sich viel vorgenommen. An nur einem Abend sollen Leiden, Tod und Auferstehung Jesu gezeigt werden. Für dieses Schauspiel, das am 9. März Premiere feiert, kommen auf und hinter der Bühne über 200 Mitwirkende zusammen. Für die Endproben legen sich die Beteiligten jetzt nochmal richtig ins Zeug.
Alles selbst gemacht
„Die Kulissen und den Bühnenraum haben Leute von uns selbst gestaltet“, erzählt Spielleiter Dirk Kessler. Der Kirchraum von St. Stephanus in Wintrich ist kaum noch wiederzuerkennen. Der Altar ist hinter dem in Beigetönen gehaltenen Bühnenbild verschwunden. Fein gezeichnete Säulen und Steine geben den Zuschauenden das Gefühl, in einem Tempel zu sein. „Wir haben noch ein Problem mit den Umbauten,“ gesteht der Spielleiter, der zugleich auch der Ortsbürgermeister Wintrichs ist. „Je nach Szene brauchen wir ein anderes Bühnenbild.“ Um einen längeren Umbau über die Bühne zu bringen, habe der 64-Jährige eine Szene zwischen Jesus und seiner Mutter Maria geschrieben. Die beiden stehen vor dem schweren, lilafarbenen Vorhang, während dahinter die neue Szene aufgebaut wird. „Da müssen wir noch etwas schneller werden“, gesteht Kessler.
Seine Leidenschaft fürs Theater habe er bereits im Kindesalter entdeckt. Und mit dieser Leidenschaft steckt der gebürtige Hamburger das ganze Ensemble an. „Los, jetzt schrei mich mal richtig an!“, ruft er einem der vier Engel im Teenageralter zu. „Hast du Angst vor mir?“, fragt er. „Nein, ich habe keine Angst vor dir“, schreit der Engel zurück. „Sehr gut, so laut brauche ich euch.“ Kessler weiß alle Ensemblemitglieder zu motivieren und zu begeistern. Durch seine präzise Kritik sitzen die Szenen nicht nur, durch sie werden auch Emotionen vermittelt. Sei es die Freude des Lazarus‘, der Jesus um den Hals fällt, oder die Verzweiflung und Trauer Mariens, die sich von ihrem Sohn verabschieden muss. Dabei merkt man den Darstellern nicht an, dass sie zum Teil kaum schauspielerische Vorerfahrung haben.
Die Gemeinschaft ist das A und O
So wie Eva-Maria Pitsch, die die Maria-Magdalena mimt. „Ich habe in der Schulzeit mal geschauspielert, aber seitdem nicht mehr“, erzählt sie. „Mein Freund hat mich animiert, bei den Passionsspielen mitzumachen.“ Neben ihrer Textsicherheit glänzt die 27-Jährige vor allem durch ihren emotionalen Ausdruck auf der Bühne. „Ich merke, dass das eine Herausforderung ist. Aber ich wachse auch daran.“ Vor allem darum gehe es: um das gemeinsame Wachsen. Das sieht auch Jesus-Darsteller Robin Lorenz so. „Die Gemeinschaft ist für uns einfach das A und O. Wir machen das Projekt zusammen. Hier spielt es auch keine Rolle, ob man katholisch ist oder nicht. Wir sind eine Gemeinschaft.“ So ließen sich auch anstrengende Zeiten bis zur Premiere noch zusammen meistern. Christian Schulz, erster Vorsitzender der Passionsvereinigung Wintrich bringt das so auf den Punkt: „Passion steht für zweierlei: Es heißt Leiden. Aber es heißt auch Leidenschaft.“ Dabei lächelt er und schaut stolz zur Bühne.
Die Passionsspiele Wintrich feiern am 9. März in der St. Stephanus Kirche Premiere. Weitere Vorstellungen finden im März, April und im Mai statt.