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Das lateinamerikanische Land nach dem Friedensvertrag und der Wahl:Quo vadis Kolumbien?

Wann kommt Kolumbien zur Ruhe? Gemeindereferentin Ursula Holzapfel und Priester Uli Kollwitz berichten über die aktuelle Situation in dem lateinamerikanischen Land.
Kolumbien zwischen Pazifik und Karibischem Meer. Die Stadt Quibdó liegt südwestlich von Medellin und nördlich von Calí mitten im Dschungel von Kolumbien.
Datum:
26. Juli 2018
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Saarbrücken/Bogotá – „Frieden herrscht in Kolumbien noch nicht und ist auch in immer weitere Ferne gerückt“, erklären der aus dem Bistum Köln stammende Priester Ulrich Kollwitz und Gemeindereferentin Ursula Holzapfel aus dem Bistum Trier. Sie leben seit mehreren Jahrzehnten in der Stadt Quibdó im Westen Kolumbiens und arbeiten dort in der Menschenrechtskommission der Diözese Quibdó.

Teil ihrer Arbeit ist die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen seitens der Regierung, der verschiedenen Guerilla-Gruppierungen, des Militärs, der Paramilitärischen Einheiten und anderer bewaffneter Gruppen. Als die Kolumbianische Regierung 2016 einen Friedensvertrag mit der größten Guerilla-Gruppe, der Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC) unterzeichnete, herrschte die Hoffnung, dass sich Kolumbien auf dem Weg zu einem Ende des seit den 60er Jahren andauernden bewaffneten Konfliktes befinde.

„Voriges Jahr war eine Entspannung und Erleichterung in der Bevölkerung ganz deutlich spürbar“, berichtet Uli Kollwitz und Ursula Holzapfel ergänzt: „Alle Jugendlichen und Leute, die aus ihren Dörfern in die Stadt geflohen waren, weil sie dort bedroht wurden, sind an Weihnachten wieder zurück in ihre Heimatorte gefahren. Es waren richtige Pilgerfahrten; riesige Boote, die sich gefüllt haben und die Leute in ihre Gemeinden gebracht haben. Leute, die schon 20 Jahre nicht mehr in ihrem Dorf waren, sind wieder zurückgekehrt.“ Am 9.Januar endete dann jedoch der beidseitige Waffenstillstand zwischen der letzten verbliebenen Guerilla-Gruppe, dem Ejército de Liberación Nacional (ELN), und der Regierung, die sich ebenfalls in Verhandlungen über einen möglichen Friedensvertrag befinden. „Innerhalb von 14 Tagen waren in den Gebieten, die um Weihnachten herum noch gut zu bereisen waren und die frei von der Präsenz der FARC geworden waren, die ELN oder die Paramilitärs“, so Ursula Holzapfel. Das Resultat waren wieder viele, die aus ihren Dörfern geflohen sind und auch zahlreiche Ermordungen. Dabei sei es auf dem Land im Vergleich zur Stadt noch verhältnismäßig ruhig, erläutert die Gemeindereferentin.

Eine der Aufgaben der Menschenrechtskommission: Sie sammeln Namen der Opfer des bewaffneten Konflikts, um die Taten für jeden sichtbar zu machen.

Dabei begann die Zeit nach der Unterzeichnung des Friedensvertrags zwischen FARC und Regierung so positiv. Die FARC-Guerilla hatte unter Beobachtung der UNO ihre Waffen abgegeben. Doch obwohl die FARC ihren Teil des Vertrages zum größten Teil eingehalten hat, ist unklar, ob der Friedensvertrag als Ganzes Bestand haben wird. Die Meinungen zu dem Vertrag gehen in der Bevölkerung auseinander. Das spiegelte sich auch in der Präsidentschaftswahl im Juni wieder. Dennoch gewann der Konservative Kandidat Iván Duque, der sich bereits im Wahlkampf gegen den Friedensvertrag positioniert hatte. Der Politiker der rechten Partei Centro Democrático hatte vor der Wahl angekündigt, den Friedensvertrag mit der FARC zerreißen zu wollen. Jetzt heißt es zwar nur, er wolle ihn revidieren. Viel werde von dem Vertrag aber wohl nicht übrig bleiben, fürchtet Uli Kollwitz. Es steht zu befürchten, dass zahlreiche der ehemaligen FARC-Kämpfer, die sich bislang an den Vertrag gehalten haben, sich anderen bewaffneten Gruppen anschließen könnten, wenn die Regierung ihren Teil des Vertrages nicht einhält. Es gebe sogar Gerüchte, dass sich eine neue FARC bilden wird.

Ein möglicher zweiter Friedensvertrag, dieses Mal zwischen der ELN und der Kolumbianischen Regierung scheint derzeit in weitere Ferne gerückt. In der Diözese Quibdó spüren dies vor allem die Menschen in den Dörfern. Gemeinsam mit Vertretern verschiedener Organisationen sowie der Afro- und Indigenen-Gemeinden hat die Menschenrechtskommission der Diözese Quibdó einen Notruf verfasst, in dem sie auf die hohe Aggressivität eines Kommandanten in dieser Region namens „La Mona“ (= der Vorschlaghammer) aufmerksam machen, der im Namen der ELN auftritt und die Menschen bedroht und einschüchtert. Die Gemeinden, die davon betroffen sind, fürchten, dass es wieder zu Massenvertreibungen kommen könnte.

Trotz der angespannten Lage geben Ursula Holzapfel und Uli Kollwitz die Hoffnung nicht auf. Die ELN habe immer gesagt, der bewaffnete Kampf sei nur eines der politischen Mittel, die sie nutzen wollten, erläutern sie. „Es besteht die Hoffnung, dass sich die Kräfte, die auf anderen Wegen Opposition machen wollen, durchsetzen.“ Ein Beispiel dafür sei die vergangene Wahl im Juni, bei der mit Gustavo Petro ein Oppositionskandidat angetreten war, der nicht einem politischen Anschlag zum Opfer gefallen war. In der Geschichte Kolumbiens waren zahlreiche aussichtsreiche Präsidentschaftskandidaten der Opposition ermordet worden. Auch insgesamt sei in Kolumbien „politisches Bewusstsein am Wachsen“, hält Uli Kollwitz fest.

(dh)