Bischof Ackermann predigt über Weihnachtslied „Stille Nacht“:Sehnsucht nach der geheilten Schöpfung
Trier – Die Weihnachtsbotschaft ist keine Nostalgie. Sie träumt nicht von einer Rückkehr ins Paradies, in eine heile Welt, die es nicht mehr gibt, sondern sie spricht von der Sehnsucht nach der geheilten Schöpfung. Das hat Bischof Dr. Stephan Ackermann in der Christmette an Heiligabend (24. Dezember) im Trierer Dom betont. „Im Kind von Bethlehem kommt Gott in diese Welt, um sich noch enger als zuvor mit ihr zu verbinden und sie dadurch zu retten und zu heilen.“ (Die Predigt im Wortlaut hier)
Richtig verstanden wolle die weihnachtliche Botschaft nicht „einlullen und einschläfern“, sondern sei im Gegenteil „ein sehnsuchtsvolles Protestlied gegen die bestehenden Verhältnisse, gegen die zerstörerischen Kräfte, die die Schönheit der Schöpfung und die Würde des Menschen Tag für Tag in den Schmutz ziehen. Weihnachten fordert uns auf, uns damit nicht abzufinden“.
Ackermann machte seine Deutung am Weihnachtslied „Stille Nacht, heilige Nacht“ fest. Es wurde vor 200 Jahren zum ersten Mal gesungen und ist Weltkulturerbe. Der Bischof sagte, seiner Wahrnehmung nach liege die Faszination des Liedes für so viele Menschen darin, dass bei aller Zeitgebundenheit Melodie und Text etwas von der Weihnachtsbotschaft enthielten. Menschen fühlten sich durch das Lied an ihre Kindheit erinnert und damit an das „Gefühl einer ursprünglichen Geborgenheit, einem Aufgehoben sein, das nicht eigener Leistung entspringt, sondern pures Geschenk“ ist. Das sei eine urtümliche Form der Gotteserfahrung: „Denn der Gott, den uns Jesus verkündet, ist kein anderer als der, der uns die gesamte Schöpfung und unser eigenes Leben zum Geschenk gemacht hat und der beides in seinen Händen hält.“
Was Menschen möglicherweise ebenfalls an diesem Lied so berühre, sei das Moment der Einsamkeit der Eltern Jesu, das mit „Alles schläft, einsam wacht…“ besungen wird. Maria und Josef stünden stellvertretend für die Einsamkeit, die es im Leben jedes Menschen gebe. Damit sei nicht das niederdrückende und traurig machende „Allein sein“ gemeint, betonte der Bischof, und dankte all denen, die an Weihnachten Menschen Zeit und Gemeinschaft schenken. Er meine eine „weihnachtliche Einsamkeit, der wir nicht ausweichen sollten“: die Einsamkeit, die es braucht, um Abstand vom Alltag zu gewinnen; die Einsamkeit, die hilft, zur Ruhe zu kommen; die Einsamkeit, die „uns herausreißt aus der bleiernen Schläfrigkeit des Alltagstrotts“. Diese Einsamkeit lasse aufmerksam sein für die Stimme Gottes und bringe in die Unmittelbarkeit mit Gott. „Es ist die Einsamkeit, in der uns unsere unverwechselbare Personalität und Würde bewusst wird.“ Eine Gemeinschaft werde oberflächlich, wenn die einzelnen nicht bereit und in der Lage seien, „bei sich selbst einzukehren“.
Ackermann ermutigte die Gläubigen, sich durch Weihnachtslieder wie „Stille Nacht“ daran erinnern zu lassen, dass sie „in einem positiven Sinn einsam sind vor Gott, das heißt unverwechselbar, unvertretbar, persönlich berufen in seine Nähe“. Diese Nähe lasse aufatmen, still werden. „Sie heiligt uns. Sie hilft uns, wacher zu werden für die Welt und für uns selbst. Sie hilft uns, mehr Mensch zu werden nach Gottes Bild.“
(JR)