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Religionspädagoge Holger Dörnemann rät zu mehr Sensibilität in der Bildungsarbeit:Sexualpädagogik für Jugendliche aus christlicher Sicht

Der Religionspädagoge Dr. Holger Dörnemann rät zu mehr Sensibilität in der Bildungsarbeit.
Datum:
21. Jan. 2022
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Trier/Saarbrücken/Koblenz/München – Die Suche nach der eigenen sexuellen Identität, Beziehungen und der Umgang mit Rollenerwartungen: Das alles treibt Jugendliche in ihrer Persönlichkeitsentwicklung um – und das in einer Welt, in der sie im Alltag und in den Medien unentwegt mit Sexualität konfrontiert sind. Wie sexuelle Bildung aus christlicher Sicht und unter Berücksichtigung aktueller Forschungserkenntnisse und Methoden gelingen kann, fragte die Abteilung Jugend im Bistum Trier auf ihrem diesjährigen Fachtag „Jugend.Sexualität.Kirche”. Der habilitierte Theologe Dr. Holger Dörnemann (LMU München), Referent des Workshops „Sexuelle Identität respektieren und fördern” spricht sich vor allem für mehr Sensibilität in der Bildungsarbeit aus.

„Seit dem Missbrauchsskandal ist die personale Bedeutung von Sexualität in den Vordergrund getreten”, analysiert Dörnemann. Damit einher gehe der Respekt vor der Individualität des Einzelnen. Das derzeitige Lehramt unter Papst Franziskus ermutige dazu, erklärt der Theologe mit Hinweis auf das Apostolische Schreiben „Amoris laetitia” von 2016. Die Sexualerziehung junger Menschen, in der die Themen Erotik und körperliche Liebe ihren Platz fänden, werde nicht länger ausgeklammert. „Es gibt viele Anknüpfungspunkte in einer zeitgemäßen Beziehungs- und Verantwortungsmoral und damit genau an die Fragen, die Jugendliche beschäftigen.”

Die große Herausforderung: Liebe und Sex zusammenbringen

Aus christlicher Sicht sei Sexualität nur dann mit allen ihren Sinndimensionen verwirklicht, wenn Liebe und Verantwortung für die Partnerin oder den Partner mitgedacht würden und die Beziehung auf Treue und Dauer ausgelegt sei. „Liebe und Sexualität zusammenzubringen, das ist die große Herausforderung in der Jugendzeit”, weiß Dörnemann, der im Bistum Limburg die Abteilung Familie und Generationen leitet. Kirchliche Jugendarbeit solle ermutigen, sich selbst als Geschöpf Gottes so anzunehmen, wie man ist. Das gelte auch für Jugendliche, die sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlten. Zwar sei im katholischen Bereich die Akzeptanz für gleichgeschlechtliche Beziehungen immer noch umstritten, während im gesamtgesellschaftlichen Kontext mit der „Ehe für alle” die Gleichstellung zu heterosexuellen Partnerschaften auf rechtlicher Ebene bereits vollzogen sei. Die Debatte um den Segen für homosexuelle Paare, wie sie zurzeit beim Synodalen Weg geführt werde, zeige allerdings: „Da ist viel auf dem Weg.”

Dr. Holger Dörnemann (LMU München) war Referent des Workshops „Sexuelle Identität respektieren und fördern” (Foto: privat)

Sprachfähigkeit fördern

In der Praxis stünden die Mitarbeitenden in der Jugendpastoral heutzutage mit Blick auf allgegenwärtige, teils verzerrte Darstellung von Sexualität in den Medien, etwa in Werbung und Filmen, vor erheblichen Herausforderungen. „Das Halbwissen in Sachen Sexualität ist bei Jugendlichen sehr groß. Umso wichtiger ist es, die Mitarbeitenden in sensibler Bildungsarbeit zu schulen”, betont Dörnemann. Ein wichtiger Ansatzpunkt dabei sei es, die Sprachfähigkeit der Heranwachsenden, aber auch des pastoralen und pädagogischen Personals, zu fördern. „Es gilt, die Identität des Einzelnen zu respektieren und einen geschützten Raum zur Verfügung zu stellen, in dem die Jugendlichen die Themen ansprechen können, die ihnen unter den Nägeln brennen. Wir wollen sie befähigen, Worte für das zu finden, was sie empfinden, und die Bilder und Vorstellungen von Sexualität, die sie gesehen oder gehört haben, einzuordnen. Und zu überlegen: Wo erfahre ich Nähe? Wo werde ich so angenommen, wie ich bin?” Denn Welterschließung funktioniere letztlich über Sprache, so Dörnemann: „Nur wer sich ausdrücken kann, kann auch ‘Nein’ sagen, kann seinen Schutzraum verteidigen. Daher hat sexuelle Bildung natürlich auch immer einen präventiven Charakter.” Methodisch setzt der Experte dabei auf Ansätze, die die Jugendlichen einbeziehen und zur Auseinandersetzung anregen – mit sich selbst, untereinander und mit unterschiedlichen Werthaltungen. Bei all dem gehe es nicht darum, den jungen Menschen etwas aufzudrängen – im Gegenteil: „Wir können uns heute ohne Scheuklappen allen Fragen stellen. Denn genau dazu lädt Kirche heute ein.”

Die digitalen Fachtage zur sexuellen Bildung in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit fanden am 12. und 13. Januar statt und umfassten einen Filmabend sowie vier Workshops: Neben Holger Dörnemann referierten Benedikt Geyer (pro familia Mainz), Ann-Kathrin Kahle (Sexualpädagogin und Supervisorin) und Vincent Maron (SCHMIT-Z e.V., Projektkoordination „Projekt Familienvielfalt” bei QueerNet RLP e.V. sowie Landeskoordination des Schulprojektes SCHLAU – queere Bildungsarbeit an Schulen). Das vollständige Programm gibt es hier: https://t1p.de/fachtag-sexuelle-bildung-2022. Das Buch „Sexuelle Bildung aus christlicher Perspektive. Für Erziehung, Pädagogik und Gemeindepraxis” von Holger Dörnemann und Stephan Leimgruber ist gerade im Bonifatius-Verlag erschienen.

Weitere Informationen zur sexuellen Bildung in der Kinder- und Jugendarbeit im Bistum Trier gibt es bei Ulrike Laux, Pädagogische Referentin für Prävention und sexuelle Bildung im Bischöflichen Generalvikariat Trier, E-Mail: ulrike.laux@bgv-trier.de, Tel.: 0651-9771-207.

(ih)