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Hausoberer des Brüderkrankenhauses zu Corona und internationalem Engagement:„Solidarität ist nicht nur eine Frage der Pandemie“

Markus Leineweber, Hausoberer des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Trier, spricht im Interview über Corona und das internationale Engagement.
Markus Leineweber
Datum:
28. Juli 2020
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Trier – Markus Leineweber ist Hausoberer und Vorsitzender des Direktoriums eines der größten Krankenhäuser in Rheinland-Pfalz, des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Trier. Im Interview erzählt er davon, wie unterschiedlich sich die Pandemie-Situation für Länder wie Deutschland und Bolivien darstellt und wie es zur Spende von Infusionsgeräten an das Krankenhaus in Santa Cruz kam.

Herr Leineweber, was verbindet Sie persönlich und das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Trier mit Bolivien?

Ich war selber schon einige Male in Bolivien und habe Interesse an dem Land. Zwei der Reisen hatten das Kennenlernen des Gesundheitssystems und der Gegebenheiten in Krankenhäusern vor Ort zum Gegenstand. Einmal war beispielsweise auch eine Abordnung aus unserem Haus dabei – ein Arzt und verschiedene andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses. Aus diesen Kontakten ist auch eine Klinikpartnerschaft mit dem „Centro dermatologico“ in Monteagudo entstanden. Die wurde auch durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefördert. Die Klinik hat sich angeboten, da ihre Gründung auf den emeritierten Trierer Weihbischof Leo Schwarz zurückgeht und heute von Marienschwestern geführt wird. Wir haben aber auch eine Partnereinrichtung in Uganda in Afrika.

Welche Unterschiede zwischen Ländern wie Bolivien und Deutschland gibt es zu Zeiten der Corona-Pandemie?

Es ist einfach ein riesiger Unterschied. Wenn man dorthin fährt oder dort lebt, muss man mit diesem Gefühl und der Gewissheit leben, dass man nicht mit westlichen Gesundheitsstandards rechnen darf und auch ein höheres Risiko hat, schwer zu erkranken oder gar zu sterben. Wir sind das hier überhaupt nicht mehr gewohnt, und deshalb macht uns eine solche Situation wie die Corona-Pandemie eben auch Angst. Wir kennen die Situation normal nicht, dass man als Patient nicht mehr selbstverständlich an eine Versorgung herankommt, wie es in anderen europäischen Ländern der Fall war. Das Gesundheitssystem Boliviens ist mit dem deutschen eben nicht zu vergleichen. Wir haben hier in unserer Region festgestellt, dass wir für die Pandemie-Situation sehr gut aufgestellt sind, eine gute Basisversorgung haben, aber auch eine gute spezielle Versorgung für Notfälle haben. Wir können in sehr kurzer Zeit viele Menschen aufnehmen und behandeln – sowohl in „normalen Zeiten“, aber auch jetzt während der Pandemie. Das ist in Ländern wie Bolivien oder in Afrika komplett anders. Es fängt bei der Infrastruktur an – wo lebe ich, wie komme ich ins nächste Krankenhaus? Kommt der Krankenwagen überhaupt zu mir, der Hubschrauber? Dann die wirtschaftlichen Probleme für die Menschen: Natürlich haben es auch hier in Deutschland einige schwer, gerade im Gastronomie- und Kulturbereich. Da stehen existenzielle Fragestellungen dahinter. Aber wir haben bei uns immerhin ein soziales Absicherungssystem. Für viele Menschen in Bolivien aber ist die Lage prekär: Hier stellt sich die Frage, wie ernähre ich mich noch, wenn Einnahmen von meinem Straßenstand oder Ähnlichem wegfallen. Hunger ist dann ein großes Problem. Das macht die Situation so dramatisch.

Wie wichtig sind in Südamerika kirchliche Einrichtungen im Gesundheitswesen?

Die Schere zwischen öffentlichen und privaten Häusern geht oft weit auseinander in diesen Ländern. Bei staatlichen Einrichtungen hängt es eben davon ab, wie stabil gerade das politische System ist, ob es Korruption oder Misswirtschaft gibt. Generell kann man schon feststellen, dass die Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft oft gut geführt sind und gute Qualität im Rahmen der Möglichkeiten abliefern. Klar ist die Kirche ein weltweites Netz und es sind andere Unterstützungsmöglichkeiten gegeben. Aber sie gehen eben auch mit einer bestimmten Werteorientierung an die Sache heran: Der Mensch steht im Vordergrund. Bedingt durch die politische Situation haben es christliche Einrichtungen oft schwierig – je nachdem, wie Religions-freundlich die Regierung eingestellt ist. Das ist ja oft ein Vorwurf, dass man einen neuen Kolonialismus fürchtet, dass Kirche darüber missioniert oder Ähnliches. Im Grunde sehe ich darin einen sehr positiven Aspekt und ein großes Potenzial von Weltkirche, dass man ein weltumspannendes Netz hat, das man für den einzelnen Menschen nutzen kann. Zum einen bekommen wir durch das Netzwerk die Nöte der Menschen direkt mit (durch Ordensleute oder Pfarrer), zum anderen können wir auf gut funktionierende Strukturen zurückgreifen. Es geht aber letztlich nicht ohne die Verzahnung mit kommunalen Strukturen. Wichtig finde ich, dass trotz anfänglicher Unterstützung die Einrichtungen irgendwann aus sich heraus existieren können, sich nachhaltig und stabil entwickeln.

Wie kam es zu der Spende von Geräten durch das Brüderkrankenhaus an das Hospital Católico in Santa Cruz?

In Trier hatten wir zu Anfang der Pandemie genug Zeit, uns vorzubereiten. Wir haben ein Gemeinschaftskrankenhaus eröffnet und dadurch waren wir gut aufgestellt, was Intensivbetten, Beatmungsgeräte und Personal anging. Und auf Grund der Hygiene- und Abstandsmaßnahmen blieb die große Infektionswelle aus; wir kamen glimpflich davon. Das führte zu der Überlegung, nicht nur unsere Region zu betrachten, sondern den Blick zu weiten. So etwa auf unsere Nachbarregionen, Richtung Straßburg, wo die Lage schwierig war. Wenn man die Möglichkeiten hat, hat man auch eine Verantwortung. Dann kann ich nicht nur mein enges Umfeld betrachten, sondern dann muss ich über den Tellerrand schauen. Es galt es, die Balance zu finden: Bereit bleiben, falls die Infektionsrate auch bei uns steigt, gleichzeitig aber Hilfe anbieten. Der nächste Schritt war, zu schauen, was passiert weltweit. Durch die Partnerschaft des Bistums lag Bolivien natürlich nahe. Der Leiter der Diözesanstelle Weltkirche, Ludiwg Kuhn, kam auf uns zu mit der Bitte um Hilfe für das Hospital Católico. Die wollten einen Schwerpunktbereich für Corona-Patienten ausbauen und es war klar, dass es an bestimmten Geräten fehlt. Wir konnten unseren Beitrag leisten, indem wir acht Infusionsgeräte bereitstellten. Außerdem haben wir Sauerstoffsensoren besorgt, die in Beatmungsgeräte eingebaut werden und die Sauerstoffzufuhr regulieren. Der nächste Punkt sind tatsächlich Beatmungsgeräte – wir schauen gerade, ob wir eines entbehren können.

Am 6. September rufen die deutschen Bistümer, Orden und verschiedene Hilfswerke zum „Sonntag der Solidarität“ mit den Leidtragenden der Corona Pandemie auf. Wie sehen Sie die Frage nach Solidarität mit den ärmeren Ländern?

Länder wie Bolivien haben bisher schon mit schwierigen Krankheiten zu kämpfen, etwa mit der Chagas-Krankheit, die durch Parasiten übertragen wird und sich später als chronische Herzkrankheit manifestiert. In Afrika erkranken Millionen an Malaria oder dem HIV-Virus. Diese Krankheiten sind ja nicht weg, auch die gibt es immer noch. Jetzt trifft die Corona-Pandemie jeden – auch die sogenannte westliche Welt. Manchmal stelle ich mir die Frage, was geschehen wäre, wenn die Pandemie auf China, Afrika oder Südamerika begrenzt geblieben wäre – ob dann auch Millionen in die Forschung gesteckt worden wären. Wir sind derzeit mit allen Mitteln unterwegs und das kommt dann sicher auch Menschen in ärmeren Ländern zugute. Aber wir sollten darüber auch die anderen Krankheiten nicht vergessen. Das eine ist die Solidarität in der Pandemie, die sicher gerade sehr wichtig ist. Das andere eine grundsätzliche Solidarität. Wenn bestimmte Strukturen sowieso nicht gut laufen, dann wird man das in Krisensituationen immer in besonderer Weise spüren. Wenn aber eine grundsätzliche Solidarität vorliegt, dann wird schnell der Gedanke kommen: Wie geht es unseren Partnern – was können wir tun? Solidarität ist nicht nur eine Frage in der Pandemie.

(sb)