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St. Martins-Jahresempfang des Katholischen Büros Mainz mit Bischof Ackermann:Synodalität ist eine Grundhaltung der Kirche

Beim traditionellen St. Martins-Empfang in Mainz sprach der Speyerer Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann zum Thema „Synodalität und Demokratie – Überlegungen angesichts aktueller Diskussionen in Kirche und Gesellschaft“.
Bischof Dr. Stephan Ackermann mit Staatsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler beim St. Martins-Empfang des Katholischen Büros Mainz am 21. November 2019. Foto: Alexander Matschak, Bistum Mainz
Datum:
22. Nov. 2019
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Mainz. „Sowohl die Kirche wie auch die Gesellschaft stehen vor großen Zerreißproben. Für uns als katholische Kirche hängt sehr viel davon ab, ob der eingeschlagene Synodale Weg uns zu einem versöhnten Neuaufbruch verhilft. Ähnliches aber scheint mir von unserer Gesellschaft zu gelten, die wieder gemeinsame, wertehaltige Grundkonsense benötigt, um die gewaltigen Herausforderungen der Zukunft, die uns etwa in den Stichworten Klimawandel und Digitalisierung begegnen, so meistern zu können, dass eine humane und nachhaltige Zukunft auch und gerade für die nachwachsende Generation offensteht.“ Das sagte der Speyrer Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann in seiner Ansprache beim traditionellen St. Martins-Jahresempfang am Donnerstagabend, 21. November, in Mainz. Der Vortrag von Bischof Wiesemann stand unter der Überschrift „Synodalität und Demokratie – Überlegungen angesichts aktueller Diskussionen in Kirche und Gesellschaft“.

Wiesemann bezeichnete Synodalität als eine Grundhaltung der Kirche: „Es geht – bei und in aller Wahrung der Leitungsverantwortung der Bischöfe – um eine Kirche, in der sich alle auf Augenhöhe begegnen. In der alle gehört werden und alle etwas zu sagen haben. Aber auch um eine Kirche, die um ihre Vorläufigkeit weiß. Die aufmerksam sein muss für das Wirken des Heiligen Geistes in den ,Zeichen der Zeit‘. Die nicht mit fertigen Lösungen daherkommt, sondern sich offen, kritikfähig und veränderungsbereit auf einen echten Dialog mit der Welt von heute einlässt.“ Gleichzeitig setze Synodalität für ihr Gelingen, und das verbinde sie entscheidend mit der Demokratie – „eine hohe sittliche Reife der Beteiligten“ voraus, „eine Kultur der gelebten Mitverantwortung, die nicht selbstverständlich ist, sondern immer neu gefördert und eingeübt“ müsse, betonte der Speyrer Bischof.

„Räume für ein echtes Zuhören offenhalten“

Weiter sagte Wiesemann, dass in der Gesellschaft die Zahl derer deutlich zunehme, die mit der Demokratie unzufrieden seien. „Ein erster Impuls aus der Idee und Wirklichkeit der Synodalität heraus für das Miteinander in unserem Land könnte deshalb sein, Räume für ein echtes Zuhören offenzuhalten: Räume, in denen Bürger ihre Gedanken zu aktuellen Themen offen äußern und mit Politikern diskutieren können. So wie es ja auch schon vielfach geschieht: in Bürgersprechstunden vor Ort oder in Bürgerdialogen vor parlamentarischen Entscheidungen. In der Stärkung dieser und anderer Formen echter Beteiligung scheint mit ein Schlüssel dafür zu liegen, wie es uns gelingt, das Vertrauen der Menschen in die Demokratie, aber auch das Zutrauen in ihren eigenen Beitrag für unser Zusammenleben zu stärken.“

Zudem plädierte er dafür, beim Ringen um sachgemäße Lösungen für die anstehenden Herausforderungen „nie das größere Ganze aus dem Blick zu verlieren“: „Wohin die Fixierung auf Eigeninteressen, nationale Alleingänge und Abschottungstendenzen in Politik und Gesellschaft führen, stellen uns aktuelle Entwicklungen in Europa in erschreckender Weise vor Augen: der Brexit; das Erstarken populistischer Kräfte in vielen EU-Staaten; die fehlende Bereitschaft mancher Länder, sich auf eine gemeinsame Flüchtlingspolitik zu verständigen etc. Dem gegenüber gilt es, die europäische Idee wachzuhalten und zu stärken – jene Idee, die für Einheit und Versöhnung steht, die alle nationalistischen Abgrenzungen überschreitet, die die unverlierbare Würde und die gleichen Rechte aller Menschen betont.“

Der Speyrer Bischof unterstrich zudem, dass „Demokratie vom Kompromiss“ lebe, von einem „nüchtern-realistischen Blick darauf, was in einer bestimmten Situation umsetzbar ist“: „Gerade die Demokratie mit ihren parlamentarischen Entscheidungswegen und der Suche nach Mehrheiten bewahrt davor, dass Politik zur Ideologie wird, zur Durchsetzung eines totalitären Machtanspruchs oder einer bestimmten Weltanschauung.“ Auch einer synodal verfassten Kirche stehe es gut an, „die Welt um uns herum so in den Blick zu nehmen, wie sie ist; nicht, wie wir sie gerne hätten“. Beim synodalen Weg werde es deshalb auch darauf anzukommen, die konkrete Lebenswirklichkeit der Menschen ehrlich und nüchtern in den Blick zu nehmen.

„Lehre und Leben müssen zu jeder Zeit neu miteinander ringen und sich gegenseitig vertiefen. Das hat nichts mit reiner Zeitgeistigkeit zu tun, sondern damit, dass die Kirche keine zeitlose Idee, sondern ein Lebensorganismus ist, eine ,komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst‘ (Lumen Gentium 8). Als solche muss sie sich immer neu mit den konkreten Lebensbedingungen der Menschen auseinandersetzen und lebensdienliche Orientierung geben“, sagte Bischof Wiesemann.

Dreyer: Kirchen haben starke Stellung für unsere Demokratie

Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, würdigte in ihrem Grußwort die Kirchen als „wichtige Partner der Landesregierung“. „Unsere Kirchen haben eine starke Stellung für unsere Demokratie“, sagte sie. Die Ministerpräsidentin dankte allen, die Aufgaben in Kitas, Schulen und Krankenhäusern wahrnehmen, aber auch den Verbänden, Akademien und Universitäten für ihre Bildungsarbeit sowie den vielen hauptamtlich und ehrenamtlich Engagierten für ihre Dienste am Menschen. „Keine noch so gute Politik kann das ersetzen“, sagte die Ministerpräsidentin. 30 Jahre nach dem Fall der Mauer stehe Deutschland politisch und gesellschaftlich vor wahrhaft historischen Herausforderungen. „Wir müssen große Veränderungsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft, den Klimawandel und den digitalen Wandel gestalten. In allen Umbrüchen verlangen die Menschen Sicherheit. Das Vertrauen in demokratische Lösungsprozesse muss gestärkt werden“, sagte Dreyer. Dass das nicht leicht werde, zeigten die Ergebnisse der letzten Wahlen in Thüringen und Sachsen sehr deutlich.

In der Verteidigung einer offenen und pluralen Demokratie seien die Kirchen wichtige Partner. Die Ministerpräsidentin appellierte an alle Katholiken und Katholikinnen, sich für das Gelingen des Synodalen Weges einzusetzen, der am ersten Advent beginnt. Die Kirche müsse ihre Krise überwinden, damit sie weiter eine starke Stimme für Menschlichkeit in der Gesellschaft sein könne. Nach dem Grußwort Dreyers sprach der Limburger Bischof Dr. Georg Bätzing ein abschließendes Wort des Dankes.

Rund 160 Gäste im Erbacher Hof

Die Begrüßung im Ketteler-Saal des Erbacher Hofes hatte der Leiter des Katholischen Büros Mainz, Ordinariatsdirektor Dieter Skala, übernommen. Er begrüßte rund 160 Gäste aus Politik, Kirche und Verwaltung. Neben Ministerpräsidentin Dreyer waren unter anderen die Staatsministerinnen Sabine Bätzing-Lichtenthäler und Doris Ahnen gekommen sowie die Staatsminister Roger Lewentz, Professor Dr. Konrad Wolf und Herbert Mertin. Auch der Präsident des Verfassungsgerichtshofes Rheinland-Pfalz, Dr. Lars Brocker, sowie Vertreter aller im rheinland-pfälzischen Landtag vertretenen Parteien waren der Einladung des Katholischen Büros gefolgt. Aus den rheinland-pfälzischen Bistümern waren neben Bischof Wiesemann und Bischof Bätzung unter anderen der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf und der Bischof von Trier, Dr. Stephan Ackermann, gekommen. Musikalisch gestaltet wurde der Abend von Schülerinnen des Jugendorchesters der Bischöflichen Maria-Ward-Schule Landau unter der Leitung von Agnes Hoffmann.

am (Mainzer Bistumsnachrichten MBN)