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Ferienfreizeiten, Jugendzentren und dezentrale Angebote im Rhein-Hunsrück-Kreis stehen auf wackligen Beinen:Talente entdecken, Weitblick erhalten, Selbstwertgefühl stärken

Erfahrungen im Kinder- und Jugendalter prägen oftmals für das gesamte Leben. Umso wichtiger ist eine vielfältige und professionelle Kinder- und Jugendarbeit, doch die Förderung dieser Maßnahmen steht im Rhein-Hunsrück-Kreis momentan unter einem Vorbehalt.
Jugendliche auf einem Segelschiff
Datum:
15. März 2024
Von:
Julia Fröder

Simmern/Hunsrück – Die meisten Kinder und Jugendliche fiebern sehnsüchtig den Ferien entgegen. Die Eltern fragen sich allerdings oft, wie sie die Betreuung während der schulfreien Zeit geregelt bekommen. Freizeiten sind hier eine gute Möglichkeit: Kinder und Jugendliche werden beaufsichtigt, entdecken vielleicht Talente und knüpfen neue Freundschaften. Im Vorjahr nahmen fast 4.000 junge Menschen an 130 Freizeiten teil, die durch den Rhein-Hunsrück-Kreis gefördert wurden. Doch die Finanzierung dieser beliebten Angebote, wie Projekte von Jugendzentren, Vereinen oder Verbänden ist für dieses Jahr aufgrund der angespannten Haushaltslage noch nicht gesichert.

Unterkünfte mussten bereits vor Monaten gebucht werden, die Anmeldungen laufen und manches Ferienprogramm ist jetzt fast schon ausgebucht. „Wir wissen nicht, ob wir überhaupt fahren können“, räumt Wolfgang Larbig ein. Mitte Februar erhielten die freien sowie kommunalen Träger der Jugendhilfe wie der Kinder- und Jugendarbeit die Info, dass die Kreisjugendförderung vorläufig unter einem Haushaltsvorbehalt steht. Larbig arbeitet im Bereich des evangelischen Kirchenkreises Simmern-Trarbach in der Jugendpädagogik und leitet das JuCa (Jugendcafé). Bislang seien die Zuschüsse aus dem Landkreis kontinuierlich geflossen, daher sei auch weiterhin mit diesen geplant worden.

Viele haben Ängste und Depressionen entwickelt, daher sind Begegnungsräume enorm wichtig.

Beate Dahmen, Leiterin der Lebensberatungsstelle Simmern

Doch nicht nur Ferienfreizeiten sind von dieser Ungewissheit betroffen, sondern auch sieben Jugendzentren, die unter anderem Personal- und Sachkostenzuschüsse erhalten. In letzter Konsequenz müssten die Zentren schließen, wenn die Finanzierung nicht mehr gesichert sei, berichtet Hermann Schmitt von der JugendBegegnungsStätte St. Michael in Boppard. In den Zentren, aber auch dezentral finden unterschiedliche Aktionen statt. „Jugendliche suchen Kontakt. Hier in unserem ländlich geprägten Raum gibt es im eigenen Dorf manchmal niemand anderen im gleichen Alter“, weiß Beate Dahmen, Leiterin der Lebensberatungsstelle in Simmern. Corona hätte die jungen Menschen ebenfalls schwer getroffen. „Viele haben Ängste und Depressionen entwickelt, daher sind Begegnungsräume enorm wichtig“, lautet Dahmens Erfahrung aus Beratungsgesprächen. Dem kann Larbig nur zustimmen, indem er seinen Eindruck schildert: „Für Kinder ist das JuCa ihr zweites Wohnzimmer.“

Die Veranstaltungen kommen besonders Kindern und Jugendlichen zugute, die in sozial schwächeren Familien aufwachsen, so Larbig. Daher sei es essenziell, dass diese nicht aufgrund fehlender Zuschüsse teurer würden. „Sonst können nur noch die mitgehen, die es sich leisten können.“

Nutzen für die gesamte Gesellschaft

Viele Jungs stehen um ein großes Schachbrett herum.

„Für die Jugendlichen sind solche Angebote sehr einprägsam und nachhaltig wie auch internationale Begegnungen, die eine Möglichkeit bieten, über den Tellerrand hinauszuschauen“, weiß Tobias Petry aus dem Leitungsteam des Pastoralen Raums Sankt Goar. „Das schafft einen Weitblick.“ Und dabei lernen die Kinder und Jugendlichen sehr viel, weiß Dahmen.  „Wie sich an gemeinsame Regeln halten, ihr Verhalten reflektieren und es wird das Demokratieverständnis gefördert. Sie kommen in neue Erlebnisräume und entdecken Welten außerhalb ihrer Familie und vielleicht neue Talente, was wiederrum ihr Selbstwertgefühl steigert. Das hat auch einen Einfluss auf ihr Leben und ihre Zukunft – und alles in einem sicheren und geschützten Raum, wo Kinder- und Jugendschutz ernstgenommen wird“, betont Dahmen. Dabei sei es ein Pluspunkt, dass die pädagogischen Konzepte für Kinder und Jugendliche im Kreis sehr vielfältig seien: Sportvereine, Jugendfeuerwehr, Chöre oder eben kirchliche Anbieter. Auch Petry bringt an, dass Kinder- und Jugendarbeit nicht nur Spaß sei, „sondern sie trägt zur Persönlichkeitsentwicklung bei.“ Und die Eltern wissen, dass ihre Kinder bei dieser außerschulischen Jugendarbeit professionell betreut werden, so Larbig. „Sie können beruhigt arbeiten gehen“, sagt Petry. Dies sei ja auch ein Nutzen für die gesamte Gesellschaft.

Von den Fördermitteln aus dem Kreishaushalt werden auch Mitarbeiterschulungen, politische Veranstaltungen für Jugendliche mitfinanziert wie auch der bekannte Jungentag und die Mädchen-Woche, die beide kreisweite Strahlkraft haben, oder auch das evangelische Treff-Mobil, das in Simmern und auf den Hunsrückhöhen unterwegs ist oder die Jugendkirche „Crossport to heaven“, die viele junge Menschen zusammenbringt.

Nun warten die Engagierten in der Kinder- und Jugendarbeit gespannt auf die nächste Kreistagsitzung am Montag, 18. März und auf den kommenden Jugendhilfeausschuss am Mittwoch, 20. März.

Update 25. März 2024

Aufatmen bei den freien sowie kommunalen Trägern der Jugendhilfe wie der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit im Rhein-Hunsrück-Kreis. Stand die Förderung der außerschulischen Jugendarbeit aufgrund der schlechten finanziellen Lage des Kreises vorläufig unter einem Haushaltsvorbehalt, ist die Finanzierung der Jugendarbeit für dieses und weitere Jahre gesichert.

„Wir sind begeistert über diese schnelle Entscheidung und viele sind erleichtert“, berichtet Anja Rinas, Leiterin der Gemeindepädagogik und der Kinder- und Jugendarbeit im Ev. Kirchenkreis Simmern-Trarbach. Bei der Kreistagssitzung am 18. März hat Landrat Volker Boch vorgeschlagen, die im Haushaltsplan 2024 veranschlagten Mittel für die Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen und entsprechende Richtlinien anzupassen. Somit ist die Finanzierung von Angeboten wie Ferienfreizeiten oder auch pädagogischen Projekten der Jugendzentren, von Vereinen oder Verbänden für dieses Jahr, aber auch für die Zukunft durch Zuschüsse aus dem Kreis finanziell abgesichert. „Die freien Träger erhalten dadurch Planungssicherheit, und zwar unabhängig des aktuellen Kreishaushalts“, zeigt sich auch Tobias Petry, Mitglied des Leitungsteams im Pastoralen Raum Sankt Goar, erleichtert. „So können wir hier im Kreis weiterhin mit und für Kinder, Jugendliche, Ehrenamtliche und Eltern für schöne und vielfältige Ferien, Aktionen und Anlaufstellen sorgen“, erklärt Rinas. Durch die Streichung des Haushaltsvorbehalts aus den Richtlinien sei die Zusage der Leistungen langfristig gesichert und nicht einfach „wegkürzbar“. Die Planungen für 2025 könnten nun mit gutem Gewissen beginnen, so Rinas und Petry. „Der Kreistag hat durch seine Entscheidung eine hohe Wertschätzung gegenüber der außerschulischen Jugendarbeit zum Ausdruck gebracht und damit ein deutliches Zeichen für die jungen Menschen im Rhein-Hunsrück-Kreis gesetzt – und bleibt damit auch seiner Vision treu: Hier leb‘ ich gern!“, betont Petry.  (jf)