"Angst" ist diesjähriges Schwerpunktthema:Telefonseelsorge Saar legt Jahresbericht 2020 vor
Saarbrücken – Immer mehr Menschen – vor allem Jüngere – suchen Hilfe bei der Evangelisch-Katholischen Telefonseelsorge Saar, weil sie von Ängsten geplagt sind. Wegen des deutlichen Anstiegs benannter Ängste, hat die Telefonseelsorge das Thema „Angst“ in den Blickpunkt ihres Jahresberichts 2020 gestellt der am 26. April in Saarbrücken vorgestellt wurde.
„Angst scheint angesichts der Corona-Pandemie eine nur zu verständliche Reaktion auf die unterschiedlichen Bedrohungen, die wir augenblicklich erleben. Während die einen Angst vor Erkrankung und Tod haben, haben die anderen Angst vor finanziellen Katastrophen oder vor Einsamkeit und Einschränkung ihrer Freizeit“, sagt Diplom-Psychologin Heidrun Mohren-Dörrenbächer, katholische Leiterin der Telefonseelsorge Saar
Rund 11.500 Seelsorge- und Beratungsgespräche fanden im ersten Jahr der Pandemie telefonisch statt – 2500 mehr als im Jahr 2019. „Um den Menschen für das Telefon eine bessere Erreichbarkeit ermöglichen zu können, wurden insbesondere für das Wochenende und die Abendstunden die Leitungen erweitert“, sagt der evangelische Leiter der Telefonseelsorge Saar, Pfarrer Volker Bier.
Im Jahresverlauf nannten die Anrufenden am Telefon vermehrt „Ängste“ als Grund (insgesamt 15,2 Prozent) für die Kontaktaufnahme.
In der persönlichen Beratung waren Ängste für jeden dritten Ratsuchenden der Anlass für eine Beratung.
In der Onlineberatung, die zu über 60 Prozent von Menschen unter 30 Jahren genutzt wird, waren Ängste sogar der Hauptgrund für eine Anfrage. So gaben 31,4 Prozent der Ratsuchenden im Chat an, große Ängste zu haben. „Es scheint, als wären die jungen Menschen deutlich belasteter als die älteren. Es ist zu vermuten, dass Zukunftsängste, gleichzeitig fehlende Kontaktmöglichkeiten, der mangelnde Schutz und Austausch in den Peergroups und die Strukturlosigkeit während des Lockdowns die Unsicherheit und Hilflosigkeit deutlich verstärken“, sagt Mohren-Dörrenbächer.
Die Gespräche und die Online-Seelsorge führten vor allem die 75 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Telefonseelsorge Saar. Sie sind 365 Tage im Jahr rund um die Uhr bereit, Menschen in Krisensituationen zuzuhören, sie zu unterstützen, zu trösten und neue Blickwinkel zu eröffnen. Neben den telefonischen oder elektronischen Gesprächen gibt es im Saarland zudem die Möglichkeit, die Beratung persönlich und vor Ort mit vier ausgebildeten Hauptamtlichen fortzusetzen.
Der Jahresbericht 2020 steht zum Download bereit unter:
Die Telefonseelsorge ist in Deutschland durch über 100 Stellen, bundesweit, 24 Stunden, gebührenfrei und anonym unter der Telefonnummer 0800 111 0 111 erreichbar.
Bei der Evangelisch-katholischen TelefonSeelsorge Saar engagieren sich rund 80 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die 24 Stunden, rund um die Uhr seelsorgerliche Gespräche am Telefon anbieten. Für diese Aufgabe werden sie über ein Jahr lang sorgfältig ausgebildet. Vier hauptamtliche Kräfte (zwei Diplom-Psychologinnen, ein Diplom-Psychologe und ein evangelischer Pfarrer) begleiten die Beratungen am Telefon, die Mail- und Chat-Beratung, unterstützen die ehrenamtlich Mitarbeitenden und bieten persönliche Gespräche in der Beratungsstelle an.
(uk)
Die wichtigsten Zahlen aus dem Jahresbericht 2020 im Überblick:
Anrufe: 13 330 (2019:13 468)
Seelsorge-/Beratungsgespräche: 11.488 oder 73.39 % (2019:8926, 66 %),
Telefonberatung
- 13330 (2019: 13 468) Mal klingelte im Jahr 2020 in der TS Saar das Telefon.
- Daraus ergaben sich 11.488 (2019: 8926) Seelsorge- oder Beratungsgespräche. Der Anteil der Seelsorgegespräche war in diesem Jahr also deutlich höher als in den vergangenen Jahren.
- Etwa 16 % (2019: 25 %) der Anrufenden beendeten den Anruf noch bevor das Gespräch begonnen hatte.
- Einsamkeit war auch 2020 mit 27 % der Anrufanlässe das häufigste Thema (2019: 23,4 %), wobei Männer ihre Einsamkeit etwas häufiger thematisierten (28 %) als die Frauen (26,4 %)
- Ängste folgten mit 15,2 %. Hier benannten die Frauen mit 17,08 % häufiger ihre Angst als die Männer (12,77 %).
- Sehr häufig benannt wurden auch Familiäre Probleme (14,1 %) und depressive Stimmung mit 13,77 % (2019: 14,6 %)
- Das Thema „Corona“ wurde von 11,58 % der Anrufenden als Anrufanlass benannt. Es bildete aber für viele Telefonate den Hintergrund der Probleme oder verschärfte bestehende Problemlagen. Dieses Thema wurde ebenfalls etwas mehr von den Frauen benannt (12,63 %).
- Ein Seelsorgegespräch dauerte im Durchschnitt 19 Minuten.
- 38,16 % (2019 :37 %) der AnruferInnen gaben an, eine diagnostizierte psychische Erkrankung zu haben.
- Psychisch kranke Menschen wurden besonders häufig von Ängsten gequält (18,15 %)
- 8% der Anrufenden waren jünger als 30 Jahre. Ihr Anteil war unverändert, 41,72 % waren älter als 60 Jahre (2019: 33 %), 49,62 % (2019: 52 %) zwischen 30 und 59; 6,44 % waren nicht einzuordnen.
- In diesem Jahr benannte vor allem die jüngere Generation „Angst“ als Thema. In 20,82 % der Gespräche wurde von der Altersgruppe jünger als 30 Jahre dieser Anlass angesprochen. In der mittleren Altersgruppe der 30- bis 50-jährigen thematisierten 17,7 % ihre Ängste, während die Älteren mit 50 und älter eher unterdurchschnittlich Ängste äußersten (13,45 %).
- 58,51 % (2019: 76 %) unserer Anrufenden waren weiblich. Der Anteil der männlichen Anrufenden stieg somit ungewöhnlich stark in diesem Corona-Jahr.
- In 7 % der Seelsorge- und Beratungsgespräche tauchten Suizidgedanken oder –absichten im Laufe eines Gespräches auf oder riefen Angehörige oder Freunde von Suizidgefährdeten an oder Angehörige und Freunde meldeten sich nach einem Suizid eines nahestehenden Menschen.
- 59,12 % (2019: 52 %) der Anrufenden lebten allein; 12,23 % (2019: 11 %) in einer Familie.
- 10,45 % (2019: 5 %) riefen aus einer Einrichtung an. Ein deutlicher Anstieg zu den Vorjahren.
Beraterinnen und Berater:
- 75 Ehrenamtliche (16 Männer und 59 Frauen) und 4 Hauptamtliche arbeiteten aktiv mit.
- 13 Menschen haben bei uns die Ausbildung für die Telefon/ oder Chatberatung begonnen.