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Ökumenische Gottesdienste zum Flutgedenken in Ahrbrück und Ehrang:Trauer, Zweifel, Dankbarkeit und Hoffnung

Eine Menschenkette im Ahrtal, ein Hauch von Normalität in Ehrang: Die Menschen haben der Flutkatastrophe von 2021 gestern überall im Bistum gedacht.
Eine Menschenkette zog sich durch das Ahrtal.
Datum:
16. Juli 2022
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Ahrbrück/Ehrang – Der Trierer Bischof Dr. Stephan Ackermann, Dr. Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland und Pfarrerin Claudia Rößling-Marenbach (evangelische Kirchengemeinde Adenau) sowie Gemeindereferentin Manuela Kremer-Breuer (katholische Pfarreiengemeinschaft Altenahr) gaben rund 250 Frauen, Männern und Kindern bei einem ökumenischen Gedenkgottesdienst am 15. Juli in Ahrbrück Raum für Trauer, Zweifel, Dankbarkeit sowie Impulse für hoffnungsvolle Perspektiven. „Wir wollen noch einmal an das Geschehene denken, ins Jetzt blicken, aber eben auch einen Ausblick voller Hoffnung wagen“, sagte Pfarrerin Claudia Rößling-Marenbach zu Beginn des Gottesdienstes vor der evangelischen Auferstehungskapelle in Ahrbrück. In der Predigt gingen Bischof und Präses auf den Trostbrief des Propheten Jeremia ein, den er einst an die im Exil lebenden Israeliten schrieb. Sie formulierten daraus Ansätze der Hoffnung: „Als die Vertriebenen wieder in ihre Heimat zurück durften, war der Ort nicht mehr derselbe, aber er wurde ihnen neu zur Heimat“, zog Ackermann einen Vergleich zwischen dem Text aus dem Alten Testament und der Situation im Ahrtal. Die Flut habe tiefe Spuren hinterlassen, so Latzel. „Sie hat Menschen getötet, Häuser weggerissen und Lebenspläne zerstört.“ Die Flut sei eine sinnlose Zerstörung, „weder pädagogisch belehrend noch im Sinne eines Gerichts“ zu verstehen. Der Präses versicherte: „Gott denkt an uns, gerade in Zeiten der Not und wird dem Leiden nicht das letzte Wort lassen.“ Dies zeige sich etwa in der großen Solidarität, die die Menschen in den Hochwassergebieten erleben durften.

Ahrtal - Trotz allem „Heimat“

„Menschen haben das Tal traumatisiert, resigniert, unter Abschiedsschmerz verlassen“, so der Trierer Bischof, der selbst sieben Jahre in unmittelbarer Nähe zum Ahrtal, in Lantershofen lebte. Er kenne die Dankbarkeit und den Stolz der Menschen, die diese Region als ihre Heimat bezeichnen. „Für diejenigen, die hiergeblieben sind, die zurückkehren konnten, und die, die sich nach der Rückkehr sehnen, ist klar: Das ist meine Heimat, begnadet, gesegnet – trotz allem.“ Als greifbares Zeichen der Hoffnung wurden innerhalb des Gottesdienstes Sonnenblumen verteilt. „Überall an der Ahr wuchsen nach der Flut, wie durch Zauberhand, diese Blumen aus den Trümmern. Sie sind Symbol der Hoffnung und der Gewissheit, dass sich das Leben wieder eine neue Bahn sucht“, erklärte Elly Schmidt, eine junge Betroffene aus Insul. Im Anschluss an den Gottesdienst zog die Gemeinde an die Ahr, um Teil der Menschenkette zu werden, die das gesamte Tal durchzog. Vor dem Gottesdienst besuchten Präses und Bischof den gesamten Tag Projekte und Orte entlang der Ahr, um sich mit Betroffenen sowie Helferinnen und Helfern auszutauschen.

 

Auf dem Ehranger Marktplatz, inmitten des Dorflebens, haben die Menschen ihren Gottesdienst gefeiert.

Ehrang - Wenn Presslufthammer und Bautrockner zu Segensgeräuschen werden

Nach Öl stinkende Wassermassen im gesamten Ort, 690 Häuser geflutet, fassungslose Menschen, die ihre gesamte Habe innerhalb weniger Stunden verloren: So sah es vor genau einem Jahr am Morgen des 15. Juli im Trierer Stadtteil Ehrang-Quint aus. Dort, wo damals die Kyll in Ehrang über die Ufer trat, am Marktplatz, baumeln heute selbst gebastelte Laternen an einer Schnur im Wind, eine kleine Bühne ist aufgebaut, die Menschen haben sich versammelt. Viele hier sind selbst betroffen, andere wie die Feuerwehr aus Mannheim, sind geladene Gäste, die während der Flutkatastrophe anpackten und halfen. Verbunden im Gedenken an den 15. Juli 2021 feiern sie heute gemeinsam einen ökumenischen Gottesdienst mit Weihbischof Franz Josef Gebert, dem Vizepräses der evangelischen Kirche im Rheinland, Christoph Pistorius, Dr. Markus Nicolay, Dekan des Pastoralen Raums Trier, Superintendent Jörg Weber und Pater Thomas Pathuppallil. Und sie feiern ihn mit zwei Frauen, die sich selbst unermüdlich eingesetzt haben, die mit einem Bollerwagen voller Essen und Getränken in den Tagen nach der Flut durch Ehrang zogen: Gemeindereferentin Gertrud Rosenzweig und die evangelische Pfarrerin Maren Vanessa Kluge.

Wenn Menschen Segen füreinander sind

In der Predigt beschreibt Kluge, dass die Menschen gekämpft hätten – mit dem Wasser, dem schlammigen Öl, mit ihren Ängsten, mit den Tränen und mit Gott. Es sei nicht verwunderlich, dass man angesichts dieser Zerstörung mit Gott und dem eigenen Schicksal hadere. Dass in Ehrang kein Mensch ums Leben kam, sei für sie ein wirkliches Wunder. „Die Menschen helfen, packen an, unermüdlich seit einem Jahr“, berichtet Kluge. Das „Wir schaffen das“ habe manchmal einen müden Ton, dennoch machten sich die Menschen für andere stark und das sei ein Segen, wie er in der Bibel stehe: „praktisch, greifbar, spürbar“. Und Rosenzweig fügt hinzu: „Ein Segen ist, dass die Straßen längst wieder sauber sind, aber ich sehe auch, wie in Häusern gearbeitet wird. Wer hätte gedacht, dass Bautrockner und Presslufthammer auch Segensgeräusche sein können?“ Und für Pater Pathuppallil ist Segen, wenn sich immer wieder die „Schockstarre löst, Lebendigkeit aufbricht“ und dass Ehrang auch „aufatmet“, so im vergangenen Herbst, als sich durch Lichtinstallationen, Lampions und Kerzen der ganze Ort in ein buntes Lichtermeer verwandelte und leuchtete.

Ehrang leuchtet weiter...

Unter dieses Motto haben die Ehranger auch ihre dreitägige Gedenk- und Hoffnungsveranstaltung gestellt:  „Ehrang leuchtet weiter“, so der Titel. Damit soll laut Ortsvorsteher Bertrand Adams auf ein Jahr Aufbauarbeit und Mühe, aber auch auf eine gemeinsame Zukunft geblickt und „Danke“ gesagt werden. Oberbürgermeister Wolfram Leibe betonte nach dem Gottesdienst, das vergangene Jahr habe gezeigt, dass wir „nicht in einer Gesellschaft von Egoisten lebten, sondern im Gegenteil, dass wir zusammenstehen und etwas aufbauen können.“ Dafür stünden etwa Beispiele wie das von Malteser-Fluthilfekoordinator Ulrich Mathey, der in Abwesenheit geehrt wurde.

Zwar prägen noch immer Renovierungsarbeiten und teils auch das Warten auf Hilfen den Alltag vieler Menschen in Ehrang. Aber als nach dem Gottesdienst das Karussell für die Kinder beginnt, seine Runden zu drehen, der Geruch von Popcorn und Zuckerwatte über den Platz weht und die ersten Bratwürstchen ihre Abnehmer finden, ist da wieder sowas wie Normalität.  

Weitere Berichte, Fotos und Informationen zur Flut gibt es auf www.dasein.bistum-trier.de/handeln/hochwasser. (jf und sb)

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