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Wenn aus tödlichem Kriegsgerät lebensstiftende Kunst entsteht :Ukrainisches Künstlerpaar verewigt Namen von Opfern auf Ikonen-Kunstwerken

Mit der Ausstellung „Geschrieben auf Munitionskisten. Ikonen gegen den Krieg“, waren die beiden Künstler schon in 17 Ländern und an mehr als 150 Ausstellungsorten zu Gast.
Sofia Atlantova schreibt mit einem dünnen Buntmalstift den ersten Namen eines ukrainischen Kriegsopfers auf das raue Holz
Datum:
4. Juli 2023
Von:
Simone Bastreri

Trier – Vorsichtig, fast liebevoll schreibt Sofia Atlantova mit einem dünnen Buntmalstift den ersten Namen eines ukrainischen Kriegsopfers auf das raue Holz. Ihr Mann, Oleksandr Klymenko, liest ihr Namen für Namen vor – es sind Zivilisten aus einem kleinen Dorf, die dem russischen Angriffskrieg zum Opfer fielen. Das ukrainische Künstlerpaar steht im Trierer Museum am Dom, vor ihnen eine Ikonen-Malerei, die den heiligen Johannes den Täufer abbildet. In einer Mischung aus künstlerischem Akt und Gebet schreiben sie die Namen der Getöteten auf den Mal-Untergrund der Ikone. Und eben der macht sie zu so etwas Besonderem: Es ist eine russische Munitionskiste aus Holz, die an der Front zurückgelassen wurde. Die rohe Ästhetik der dunklen, teils zerborstenen Holzkisten steht in Kontrast zu den prächtigen, filigranen Kunstwerken. Das Kriegsgerät symbolisch von etwas Todbringendem in etwas Lebensstiftendes zu verwandeln, ist das Konzept der Ausstellung „Geschrieben auf Munitionskisten. Ikonen gegen den Krieg“, mit der die beiden Künstler schon in 17 Ländern und an mehr als 150 Ausstellungsorten zu Gast waren.  

Projekt finanziert medizinische Versorgung und Nachsorge

Die Ikone Mutter Gottes

Die Idee zur Ausstellung kam Oleksandr Klymenko schon 2014 mit der russischen Invasion der Halbinsel Krim. Täglich sah er aus seinem Atelierfenster vorbeifahrende Krankenwagen, die Verwundete ins Militärkrankenhaus brachten, erzählt er. Als er selbst an die Front reiste, um sich vor Ort einen Eindruck zu machen, fielen ihm die zahlreichen Munitionskisten auf, die die russische Armee zurückgelassen hatte. Aus diesen Behältern für Kriegsgerät etwas Lebensschenkendes zu erschaffen, sei Grundgedanke der Ausstellung. Denn die Bildnisse von Heiligen wie der Gottesmutter oder Sankt Georg werden nicht nur ausgestellt, sondern auch verkauft. Mit ihrem Erlös haben Klymenko und Atlantova drei Jahre lang ein fahrendes Krankenhaus finanziert und engagieren sich jetzt für die Nachversorgung traumatisierter und schwer verletzter Menschen, die aus den Krankenhäusern entlassen werden. „Reha-Maßnahmen, der Transport nach Hause – es sind immense Kosten, die nach der Behandlung anfallen und die durch Hilfsprojekte gedeckt werden“, erklärt Klymenko. Auch dominikanische Brüder, die sich um vom Krieg traumatisierte Kinder von der Front kümmern und Freiwillige für Häuserreparaturen rekrutieren, werden durch die Verkäufe der Ikonen unterstützt. 

Ikonen sind Zeugen für den Krieg und seine Opfer

Die Ikone Sankt Georg

Das Grauen des Krieges an der Front als freiwilliger Helfer mitzuerleben, habe ihn für immer geprägt, sagt der 46-jährige Künstler den Interessierten im Museum am Dom. „Kein Horrorfilm kann das wiedergeben, was man an der Front erlebt. Vor allem die Gerüche bleiben einem für immer in der Nase.“ Er sei selbst durch das Dorf gefahren, dessen Opfer sie heute verewigten. Die Zerstörung habe ihn sprachlos gemacht. In Gesprächen mit Bewohnern stellte sich heraus, dass die Russen nach dem Beschuss nicht etwa die Munition aus den Häusern trugen, sondern Fernseher und anderes Hab und Gut. Die Munition hätten sie anschließend in den Häusern gesprengt. Wenn Klymenko von seinen Erlebnissen erzählt, wirkt er gefasst, aber tieftraurig. Die Ikonen seien immer auch Zeugen ihrer Zeit. „In diesem Fall sind sie lebendige Zeugen des Krieges, da sie Teil von ihm waren.“ Wichtig sei ihm, dass auch die Soldaten und Soldatinnen und Freiwilligen, die die Kisten besorgten, Teil des Projekts seien. 

Das Ehepaar Sofia Atlantova und Oleksandr Klymenko

Oleksandr Klymenko und seine Frau sind Absolventen der Nationalen Akademie der Schönen Künste und Architektur in Kiew. Er ist Maler, Schriftsteller und Dozent, sie Buchillustratorin und Installationskünstlerin. Für eine Ikone brauchten sie von wenigen Stunden bis hin zu einigen Monaten, berichtet Atlantova. „Teilweise malen wir mit Kreidefarben oder mischen Erde und Asche bei, die im Bereich der Kisten zu finden ist – um zu zeigen, dass im Krieg nicht viel da ist, was man nutzen kann.“ Die Ikonen seien auch ein Aufruf zum Gebet, zum Frieden. „Wir danken Deutschland und Europa dafür, was sie schon alles für unser Land getan haben und wir bitten die Menschen weiterhin um ihre Unterstützung.“