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Akademietag der Pallottiner zu „Bürgerprotest-Parteienverdruss-Medienschelte“:Unaufgeregtes, entschiedenes Engagement ist gefragt

Die Akademietage der Pallottiner in Vallendar eröffneten Prof. em. Dr. Ulrich Sarcinelli und Diplom-Sozialwissenschaftler Philipp Scherer mit der Frage "Wohin treibt die Demokratie?".
Eröffneten den 1. Akademietag in Vallendar (v. links): Prof. em. Dr. Ulrich Sarcinelli, Pater Heinz-Willi Rivert (SAC), Prof. Dr. Paul Rheinbay (SAC) und Diplom-Sozialwissenschaftler Philipp Scherer. Foto: Breitbach
Datum:
9. Jan. 2017
Von:
Bischöfliche Pressestelle
Vallendar – „Wir dürfen als Christen nicht gleichgültig den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen gegenüberstehen. Wir müssen uns daran beteiligen“, forderte Paul Rheinbay (SAC), der Organisator der diesjährigen Akademietage der Pallottiner in Vallendar. Eine Forderung, die der emeritierte Politikwissenschaftler der Universität Koblenz-Landau, Ulrich Sarcinelli, in seinem Vortrag gerne aufgriff. Es gehe uns aktuell so gut wie nie, und dennoch herrsche in der Gesellschaft große Unruhe, bedingt durch Themen wie Brexit, die unbewältigte Flüchtlingskrise, Russland als aufgewachte neue Weltmacht oder der Sieg von Donald Trump. „Wir als Politikwissenschaftler analysieren und sortieren, haben aber keine Lösungen – da sind die Theologen besser“, sagte Sarcinelli. Zu beobachten sei, dass in den sogenannten „postfaktischen Zeiten“ stärker auf Stimmungen statt auf Fakten gesetzt werde. Es fehle damit am Verständnis dafür, wie Demokratie funktioniere. Sie bedeute immer eine „Suche nach Gemeinsamkeiten im Streit.“ Konflikt auf der Basis von Verfassungsrecht und -treue sei der „Kitt der Demokratie“. Auch wenn die Bindung an Vereine, Parteien und Kirchen abgenommen habe, sei doch das Engagement der Bürger geblieben. Heute gebe es in der Gesellschaft „unzufriedene Demokraten, die mitreden wollen, ohne dazugehören zu müssen“. Problematisch sei aber, wo denn Politik noch gelernt werden könne, gepaart mit der rasanten Entwicklung der Medienwelt. Die Massenmedien, durch die wir alle geprägt seien, seien inzwischen vom Internet überholt worden. Das Internet würde oft als fünfte Gewalt bezeichnet. Überall auf der Welt seien Menschen inzwischen in der Lage, sich jederzeit Informationen über alles aus dem Netz ziehen zu können.  Es werde in Zukunft ankommen auf: die Integrationskraft der Gesellschaft, eine überzeugende Parteiendemokratie, die Innovationskraft der Zivilgesellschaft und die Glaubwürdigkeit der Mediendemokratie und das in einer zunehmend globalisierten Welt. Der Diplom-Sozialwissenschaftler Philipp Scherer widmet sich in einem Langzeitprojekt German Longitudinal Election Study der deutschen Wahlforschung unter anderem an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main der Entwicklung der Alternative für Deutschland (AfD). Er stellte dar, um wen es sich bei der AfD handelt, wer sie wählt und warum sie gewählt wird. Kurz zusammengefasst kam Scherer auf folgendes Ergebnis: Vornehmlich Männer bis 29 Jahre wählen die AfD, die meisten kommen aus Ostdeutschland, aus eher niedrigen bis mittleren Bildungsschichten, sie sind Arbeiter und in der Mehrzahl konfessionslos, so Scherer. Gewählt werde die AfD aus Verdruss gegenüber den etablierten Parteien oder weil sie denen „mal einen Denkzettel verpassen wollen“. Andere seien mit der Demokratie insgesamt unzufrieden, besonders mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. In der anschließenden Diskussion mit den rund 150 Besuchern warb Ulrich Sarcinelli für ein „unaufgeregtes entschiedenes Engagement“. Er erinnerte an die Partei Bündnis 90/Die Grünen, die bei ihrer Gründung für ähnliche Diskussionen gesorgt hätte. Es sei besser, dass „die AfD im parlamentarischen Spiel sei, als außerhalb“. Die anderen Parteien müssten intensiver an ihrem Profil arbeiten und zeigen, was ihre Stärke sei. Nachdenklich stimme ihn aber, dass den Ergebnissen der Langzeitstudie zufolge den AfD-Wählern eine Werteorientierung, insbesondere eine christliche, fehle. Es gelte den Wertepluralismus zu erhalten, und: „Fakten müssen Fakten bleiben!“ Weitere Informationen zu den Akademietagen gibt es auf www.pthv.de