Festival "Rockwiese" des Café Exodus:Unbezahlbar, „ein Teil davon zu sein“
Saarbrücken – „Man könnte, sollte, müsste so viel tun auf dieser Welt“, singen „Vielleicht Emma“, eine Indie Pop/Rock Band aus Kaiserslautern, sekundiert von Gitarrenriffs und Percussion. Es ist Samstagnachmittag. Der so lange erhoffte Regen fällt leise auf die Saar, die ausgedörrte Wiese, Zelte und Stände, zu matt, um das Saarbrücker Altstadtfest nebst Rockwiese wirklich zu ruinieren. Aber ein bisschen schade ist es schon. Wer kann, sucht sich ein Dach überm Kopf, und wenn es das vom Getränkewagen ist. Vor der Bühne tanzt ein Mädchen mit schwarzem Hoodie selbstvergessen zur Musik von Manuel, Matthias und Maximilian. Die wiederholen im Refrain ihres Songs „Augen auf“ immer wieder unisono: „Irgendwer muss anfangen.“
Wie wahr! Im Fall der Rockwiese hat das prima geklappt vor 21 Jahren. Seit 2001 organisiert der Jugendkulturtreff Café Exodus in Trägerschaft des Bistums Trier das Festival – immer im Rahmen des Altstadtfestes. Verortet auf der Saarwiese unterhalb der Musikhochschule, Luftlinie 600 Meter vom Café-Standort an der Johanneskirche entfernt, dreht sich drei Tage lang alles um Musik und friedliches Feiern. 50 ehrenamtliche jugendliche Helfer sind verantwortlich für die gesamte Durchführung. Man erkennt sie diesmal an den witzigen dunkelgrünen T-Shirts mit einem rosa Ufo-Motiv. Aus fairem Handel, selbstentworfen und regional bedruckt, erklärt Maximilian Schmitt, der zusammen mit Hannan Chalabi als Hauptamtliche den Hut im Café Exodus auf hat.
Der jüngste Freiwillige, 14 Jahre alt, schmiert Sandwiches für die Musiker. „Levi ist über ein Schulpraktikum zu uns gekommen und hängen geblieben.“ Klar könnte er jetzt auch zuhause zocken oder mit seinen Freunden chillen: „Aber das hier ist grad besser“, grinst der Teenager. Sophie ist schon 25, stammt aus Bayern und war mal FSJlerin im Café Exodus. Sie ergänzt die Thekenleitung und weist die Helfer in die Bedienung der Kassen ein. „Es ist meine erste Rockwiese“, strahlt die Studentin. Nach ihrer Motivation befragt, meint sie: „Einmal Teil davon zu sein“, einfach großartig. „Außerdem habe ich hier viele Freunde.“ Sogar eine Nachtwache mit mehreren Schichten wird von Ehrenamtlichen gestemmt.
Beim Festival handelt es sich um das Ergebnis eines ganzen Jahres Arbeit und das mit Abstand größte und aufwändigste der Projekte des Jugendtreffs. Die Organisation obliegt dem Arbeitskreis „Rock“, einer Gruppe engagierter Jugendlicher. Diese werden vollständig in die Vorbereitung mit einbezogen und entscheiden alles mit, sei es, was die Auswahl der Band betrifft, die Gestaltung des Logos und vieles mehr. „Das ist uns wichtig, einerseits bei der Rockwiese jungen Musikern eine Bühne zu bieten und anderseits Jugendliche partizipativ an der Eventplanung zu beteiligen.“
So viele Bewerbungen wie noch nie - Musiker-Austausch mit Nantes und Tbilissi
„150 Bands haben sich dieses Jahr beworben, ein Rekord innerhalb der letzten acht Jahre“, informiert Hannan Chalabi. Und ein ganz schöner Aufwand: Von jeder einzelnen Gruppe galt es Aufnahmen und Videos anzuhören und anzusehen und diese schließlich zu voten. 20 junge regionale Bands können auftreten. „Für die Auswahl gibt es natürlich Richtlinien.“ Besonders gute Chancen haben Newcomer, es gibt eine Frauen-Quote und „wir wollen auch nicht nur weiße Menschen auf der Bühne haben“. Vier Bands des 2023er Rockwiese-Jahrgangs stammen aus der Grenzregion. Stimmen sollte am Schluss zudem der Mix. „Neben Metal und Ska sind Genres von Punk bis Artrock vertreten. Wir versuchen, ein Programm für jeden Geschmack zu kreieren.“
Parallel zur Rockwiese läuft ein einwöchiger Musiker-Austausch mit den Bands „Shelter Colony“ aus Nantes und „On the Road“ aus Tbilissi im Rahmen der Städtepartnerschaft. „Unser Ziel ist dabei, die Verbundenheit zu stärken und internationale Freundschaften zu stiften“, so Schmitt. Auch hier funktioniert alles auf ehrenamtlicher Basis. Unterkunft und Sight-Seeing-Programm übernehmen Helfer aus dem Café Exodus-Kreis. Rund um das Altstadtfest herum werden kleine Begegnungen wie eine gemeinsame Stadtführung und Ausflüge für die Gäste aus Frankreich und Georgien organisiert.
Erstmals Kooperation mit kurdischem Kulturverein
Neu war in diesem Jahr die Kooperation mit dem kurdischen Kulturverein. „Das macht so einen Ort diverser“, freut sich Hannan Chalabi. Die früher obligatorischen Grillwürste und Bratlinge waren nicht mehr wirklich zeitgemäß. „Also ist die AG zum Orientalischen Markt gegangen und hat sich durch die Stände probiert.“ Am Ende entschied man sich für die kurdischen Leckereien. Eine Win-win-Situation „Essen aus einem anderen Kulturkreis tut dem Festival gut.“ Und der Verein freut sich über die Einnahmen, die er behalten kann. Alle anderen Erlöse der Rockwiese werden unter den Bands aufgeteilt.
Zum Glück lief der Sonntag wettertechnisch besser. So dass Maximilian Schmitt am Ende durchaus zufrieden Bilanz ziehen konnte: „Die Rockwiese 2023 war erfolgreich: Das Team der jungen Helfer und Helferinnen hat super Hand in Hand, verlässlich und gut zusammengearbeitet. Die Atmosphäre war durchweg ausgelassen und positiv, es gab keine Zwischenfälle, alles verlief reibungslos. Wir sind stolz auf das, was die jungen Menschen drei Tage auf die Beine gestellt und mitgetragen haben.“ Das Leitungsteam fühle sich einmal mehr darin bestätigt, jungen Menschen Verantwortung zu übertragen. „Das ist für alle ein Riesenerfolgserlebnis, hier mitgestalten zu können.“
Info
Der Jugendkulturtreff Café Exodus ist seit 1994 eine offene Einrichtung für Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 13 bis 27 Jahren. Träger der Einrichtung ist das Bistum Trier, seit 2014 wird der Jugendclub mit Mitteln des Regionalverbands, der Stadt Saarbrücken und dem Förderverein Café Exodus e.V. mischfinanziert. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt zum einen im offenen Treff/Café als Anknüpfungspunkt und Treffpunkt zur Freizeitgestaltung für Schüler und Auszubildende in Saarbrücken, zum anderen im Initiieren und Begleiten von Partizipationsmodellen für Jugendliche. Ihre Ideen sollen in Projekten und Veranstaltungen konstruktiv umgesetzt werden. In Gremien wie dem gewählten Leitungsteam und den wöchentlichen Arbeitskreisen wird die Umsetzung der Projekte geplant.