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Rund 250 Gäste beim Willi-Graf-Empfang in Saarbrücken:Von Barmherzigkeit und Gerechtigkeit

Ist die Kirche für die Barmherzigkeit zuständig, der Staat aber für Gerechtigkeit? Zum Ende des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit stand diese Frage über den Redebeiträgen beim diesjährigen Willi-Graf-Empfang am 14. November in Saarbrücken.
Bischof Jean-Christophe Lagleize, Bischof Dr. Stephan Ackermann, Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann und Prälat Dr. Peter Prassel (vlnr.)
Datum:
15. Nov. 2016
Von:
Bischöfliche Pressestelle
Saarbrücken – Ist die Kirche für die Barmherzigkeit zuständig, der Staat aber für Gerechtigkeit? Zum Ende des von Papst Franziskus ausgerufenen Heiligen Jahres der Barmherzigkeit stand diese Frage stand über den Redebeiträgen beim diesjährigen Willi-Graf-Empfang am 14. November in Saarbrücken. Rund 250 Gäste aus Politik, Kirche und Gesellschaft waren der Einladung des Katholischen Büros Saarland zum Treffen in der Aula der Saarbrücker Willi-Graf-Schulen gefolgt. Prälat Dr. Peter Prassel, Leiter der Kontaktstelle der Bistümer Speyer und Trier zur saarländischen Politik, begrüßte neben den Bischöfen Dr. Stephan Ackermann (Trier), Dr. Karl-Heinz Wiesemann (Speyer) auch den Bischof von Metz, Jean-Christophe Lagleize, Landtagspräsident Klaus Meiser, Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer und weitere Mitglieder der Landesregierung und des Landtages, Kommunalpolitiker, Vertreter der Evangelischen Kirche, der jüdischen Gemeinde und Vertretungen aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen. Die musikalische Gestaltung des Abends übernahm das Polizeiorchester des Saarlandes unter Leitung von Thomas Becker. In seiner Rede zu Gerechtigkeit und Barmherzigkeit widersprach Bischof Ackermann der in letzter Zeit häufiger geäußerten Meinung, dass die Kirche für die Barmherzigkeit zuständig sei, der Staat aber für Gerechtigkeit sorgen müsse. Das Zweite Vatikanische Konzil habe betont, dass gewährte Hilfe immer Rücksicht nehmen müsse auf die Würde desjenigen, der die Hilfe empfängt und zuerst den Forderungen der Gerechtigkeit entsprechen müsse, also Hilfe zur Selbsthilfe sein solle. Barmherzigkeit solle nicht Recht und Gerechtigkeit außer Kraft setzen, sondern einen neuen Anfang möglich machen und damit der Gerechtigkeit eine neue Chance eröffnen. Als Beispiel nannte Ackermann den Schuldenerlass für die ärmsten Länder der Erde zum Jahrtausendwechsel, der ja auch helfen sollte, neue Entwicklungspotentiale aufzubauen und damit auf Dauer auch den Geldgebern helfe. „Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit ist Grausamkeit“, sagte Ackermann, das sei „kalt und unmenschlich“. „Keine Staatsordnung mache den Dienst der Liebe, also die Barmherzigkeit oder in der modernen säkularen Übersetzung die Solidarität, überflüssig“, sagte Bischof Ackermann. Kirche und Staat seien für Gerechtigkeit und Barmherzigkeit in die Pflicht genommen. Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer definierte Barmherzigkeit als die Haltung, die jeder für sich einnehmen müsse, wenn er sich Mitmenschen zuwende um ihnen gerecht zu werden. Aber: „Wer selbstgerecht ist, kann nicht barmherzig sein“. Selbstgerechtigkeit verhindere die Zuwendung zu anderen und könne nicht für Gerechtigkeit sorgen. „Wir stehen alle in dem Dilemma, was Gerechtigkeit bedeutet und wo Barmherzigkeit beginnt“, sagte die Ministerpräsidentin und nannte als Beispiele das Abstandsgebot in der Sozialgesetzgebung und die Rückführung von Flüchtlingen beim staatlichen Handeln und den Umgang mit Wiederverheirateten Geschiedenen in der Kirche. Dabei machte auch die Regierungschefin klar, dass sich Gerechtigkeit und Barmherzigkeit nicht voneinander trennen ließen. Bischof Wiesemann erklärte zur Barmherzigkeit gehöre auch die Versöhnung, auch zwischen Staaten. Barmherzigkeit und Versöhnung müssten leitende Gedanken in Europa bleiben, mahnte Wiesemann.