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Projektleiterinnen stellen Zwischenbericht zum Albertinum Gerolstein vor:Weitere ehemalige Schüler zur Teilnahme ermutigen

Der Zwischenbericht zum Aufarbeitungsprojekt "„Gewalt am Bischöflichen Internat Albertinum Gerolstein – Aufarbeitung mit und für Betroffene“ wurde vorgestellt.
Bei der Auftaktveranstaltung im vergangenen Jahr: Lothar Schömann, Judith Rupp, Prof. Dr. Claudia Bundschuh und Dr. Bettina Janssen (vlnr.)
Datum:
21. Okt. 2020
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Trier – „Uns ist es in der Durchführung des Projektes sehr wichtig, dass die Betroffenen als Experten ihrer Lebenssituation selbst zu Wort kommen, denn nur dann ist es wirklich ein Projekt mit und für Betroffene“. Das hat Professorin Dr. Claudia Bundschuh am 21. Oktober in Trier betont. An diesem Tag hat sie den von ihr erstellten Zwischenbericht zum Aufarbeitungsprojekt „Gewalt am Bischöflichen Internat Albertinum Gerolstein (Landkreis Vulkaneifel) – Aufarbeitung mit und für Betroffene“ gemeinsam mit Dr. Bettina Janssen veröffentlicht. „Mit der ausschnitthaften Darstellung der bisherigen Berichte möchten wir weitere Ehemalige ermutigen, an der Aufarbeitung teilzunehmen und ihre Erfahrungen offenzulegen“ ergänzt Dr. Bettina Janssen.

Interviews mit ehemaligen Schülern als „Herzstück“ des Berichts

Im Zwischenbericht werden die Zielsetzungen des Projektes, der zeitliche Rahmen und die Projektentwicklung seit ihrer Beauftragung im Juli 2019 beschrieben. Einer der ersten Schritte sei die Recherche der Dokumente über das Internat gewesen, sagt Janssen. Dazu habe Bischof Ackermann den Projektleiterinnen eine Sondergenehmigung erteilt, die uneingeschränkten Zugang zu den entsprechenden Akten im Bistumsarchiv gewährt. Herzstück des Projektes sind jedoch die Erfahrungen der Schüler: „Wir haben mittlerweile 25 Interviews mit ehemaligen Schülern führen können“, erläutert Janssen. „Hinzu kommen sieben schriftliche Erfahrungsberichte.“ Aus diesen Interviews werden im Bericht in anonymisierter Form Einblicke in die Gewalterfahrungen gegeben, die die Schüler am Albertinum erleiden mussten. Dazu gehören körperliche, psychische und sexualisierte Gewalt sowohl durch die Fachkräfte, als auch durch die Jungen untereinander. Am Ende des gut zwanzig Seiten umfassenden Zwischenberichts werden die Planungen für das kommende Projektjahr vorgestellt. „Der Fokus des Zwischenberichts liegt auf den konkreten Erlebnissen der damaligen Schüler. Nicht berücksichtigt sind die Rahmenbedingungen der Erziehung und Bildung der Jungen, die Rolle des Trägers Bistum Trier, die Rolle der Familien oder die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Diese Aspekte werden im Abschlussbericht eingehend beleuchtet“, erklärt Bundschuh.

Aufruf: Mit weiteren Erfahrungen das „Internatsmosaik“ bereichern

Im Lenkungsausschuss für das Projekt arbeiten betroffene ehemalige Schüler mit. Für sie ist der Zwischenbericht ein wichtiger Teil des Aufarbeitungsprojekts. So sagt Karl Heinz  Prinz: „Seitens der Projektleitung und im Lenkungsausschuss empfinde ich die Interessen der Betroffenen immer wieder ernst genommen und in den Brennpunkt gerückt. Die Mitwirkung am Aufarbeitungsprojekt wühlt mich regelmäßig auf, doch ich fühle mich, nach Jahren, auch von einigen Lasten befreit.“ Rainer Reimold unterstützt das Projekt aus einem ganz bestimmten Grund: „Ich wünsche mir, dass die breite Öffentlichkeit darüber informiert wird, was in früheren Jahren in manchen Instituten mit Jugendlichen gemacht wurde.“ Er hofft, dass Aufarbeitungsprojekte dazu führen, dass verhindert werden kann, dass Kindern Leid zugefügt werde, und dass sich mehr Menschen bei den verantwortlichen Stellen melden, wenn sie Grenzüberschreitungen oder Verbrechen bemerken. Die Arbeit im Lenkungsausschuss gebe den Betroffenen das Gefühl, dass sie gehört und dass ihnen geglaubt wird. Für Werner Schenk reflektiert der Zwischenbericht durch die zahlreichen Interviews der Betroffenen die tatsächlichen Zustände in dem betroffenen Internat. Er selbst habe „durch zahlreiche Gespräche mit ehemaligen Leidensgenossen profitiert, in dem ich vieles, was in meinem Leben passierte, jetzt besser verstehe und einordnen kann“. Die Männer wünschen sich, dass sich noch mehr ehemalige Internatsschüler melden und „mit ihren Informationen und Erfahrungen das ‚Internatsmosaik‘ bereichern“.

Die Projektleiterinnen haben am gleichen Tag den Bericht auch Bischof Dr. Stephan als Auftraggeber des Projektes vorgestellt. Man sehe am Zwischenbericht, dass es gelinge, Betroffene einzubeziehen – das freue ihn, sagte der Bischof: „Die Betroffenen kommen selbst zu Wort.“ Es sei gut, dass sich schon jetzt „so viele ermutigt fühlen, wirklich offen zu sprechen“.

Das Ziel des Projektes ist die Aufarbeitung körperlicher, psychischer und sexualisierter Gewalt im Internat in der Zeit von 1946 bis zu dessen Auflösung 1983. Das Projekt ist im Oktober 2019 gestartet; der Abschlussbericht ist für Ende 2021 geplant.

Die Aufarbeitung der Gewalt am Albertinum in Gerolstein ist das erste unabhängige und einrichtungsbezogene Aufarbeitungsprojekt des Bistums Trier. Das Internat für katholische Schüler in Trägerschaft des Bistums existierte von 1946 bis 1983 und war Unterkunft für Schüler, die das benachbarte staatliche St.-Matthias-Gymnasium besuchten. Kontakt zu den Projektleiterinnen ist möglich per E-Mail an info@albertinum-gerolstein.de per Telefon unter der Nummer 0162-5363617 (Anrufbeantworter) oder postalisch an Rechtsanwältin und Mediatorin Dr. Bettina Janssen, Mittelstraße 12-14 (Haus B), 50672 Köln.

(JR)

*ergänzt um 15.30 Uhr um die Stellungnahme von Bischof Dr. Stephan Ackermann