Zum Inhalt springen

Saarländerin arbeitet seit vielen Jahren mit Flüchtlingen in Kolumbien:Wenn jemand flieht, muss man ihn aufnehmen

Seit 1981 lebt und arbeitet die Gemeindereferentin Ursula Holzapfel mit Flüchtlingen in Kolumbien. Die Rückführung von geflüchteten Menschen ist ein Teil ihrer vielfältigen Arbeit.
Ursula Holzapfel engagiert sich in Kolumbien
Datum:
10. März 2016
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Trier – Die Situation im Herkunftsland verbessern und somit Fluchtursachen bekämpfen: Das ist ein Thema, das vor allem die katholische Kirche angesichts der vielen Flüchtlinge in Deutschland immer wieder anspricht und anmahnt. Für Ursula Holzapfel ist diese Frage tagtäglich präsent. Seit 1981 lebt und arbeitet sie in Kolumbien – einem Land, in dem die Hälfte der Bevölkerung irgendwann einmal geflohen ist, wie sie sagt. Die 59-jährige ist für die Diözese Quibdó in der Menschenrechtsarbeit tätig, in der Kommission „Vida, Justicia y Paz (Leben, Gerechtigkeit und Frieden).

Seit 1994 engagiert sich die Gemeindereferentin aus dem Saarland für dieses Thema, und die Arbeit mit geflüchteten Menschen hat immer dazugehört. 85 Prozent der Einwohner in der Gegend des Chocó im Nordwesten Kolumbiens sind Afrokolumbianer, die restlichen 15 Prozent Mestizen oder Indigene. Seit dem Ende der 1990er Jahre hat der Krieg in der Gegend Einzug gehalten, Paramilitärs gegen Rebellen. Die Folgen sind Gewalt, Massenfluchten, Armut, Not. Auf dem Land sei die Situation mittlerweile relativ entspannt, doch in der Stadt gebe es drei bis vier Ermordungen in der Woche, berichtet Holzapfel bei einem Heimatbesuch im Februar 2016.

Zusammen mit der Menschenrechtskommission sammelt Holzapfel Informationen über Menschenrechtsverletzungen, Morde, verschwundene Menschen – und klagt diese Verbrechen öffentlich an. Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen kämpfen für die Aufklärung der Morde, auch an drei kirchlichen Mitarbeitern. 900 Fälle haben sie bislang dokumentiert; eine „umfangreiche Recherche, die den Menschen auch Mut gemacht, über die Verbrechen sprechen zu können“. Manche kämen zu ihnen in das Büro im Diözesanhaus, aber die Kommissionsmitglieder gehen auch zu den Menschen in die Stadtteile und Dörfer. „Es ist eine Arbeit, die man täglich betreiben muss.“ Ihre Arbeit werde mittlerweile gewürdigt. „Die Kirche in der Pazifikregion wird ernstgenommen“, sagt sie. 2005 wurde die Diözese mit dem nationalen Friedenspreis ausgezeichnet. Und auch in anderen Ländern schaue man auf die Arbeit der Kommission. „Unsere Kompetenzen sind gefragt“, erklärt die Gemeindereferentin

Die Rückführung von geflüchteten Menschen ist Teil von Holzapfels Arbeit. „Das wertvollste, was die Menschen hier haben, ist das Land“, glaubt sie. Die Kirche versuche die Menschen zu bestärken, nicht aufzugeben – und wenn die Flucht doch nötig ist, sei ein Ziel, dass diese wenigstens innerhalb des eigenen Gebiets erfolgt. Die Ethnien zeigten sich in der Regel solidarisch und nähmen Flüchtlinge auf. Doch das geht nur eine Zeitlang gut. Die Region – das zweitregenreichste Gebiet der Welt - ist arm, die Menschen leben vom Anbau von Kochbananen, Reis und Mais oder vom Fischfang. Industrie gibt es kaum, damit auch wenige Arbeitsplätze – und ein großes Problem ist der Waffenhandel. „Statt Waffen sollten besser mehr Schuhe produziert werden – die Hälfte der Weltbevölkerung hat keine Schuhe“, klagt Holzapfel an.

Die Frage nach einer gerechten Verteilung der Güter oder nach gerechtem Handel gehört auch zu ihren Themen. Doch von Gerechtigkeit ist „ihr“ Gebiet noch entfernt. Zwar gibt es große Goldvorkommen, doch davon hat die Bevölkerung kaum einen Ertrag. Vielmehr verursacht der Abbau Umweltschäden: „20 Prozent des Urwalds sind dem Goldabbau schon zum Opfer gefallen.“ Dass sogenannte christliche Länder solche Systeme unterstützen, macht Holzapfel wütend – und treibt sie an.

Mit Blick auf die derzeitige Situation in Deutschland sagt Holzapfel: „Wenn jemand flieht, um sein Leben zu schützen, muss man ihn aufnehmen und unterstützen.“ In ihrer Wahlheimat hofft sie auf den Abschluss der Friedensgespräche der Regierung mit der Rebellenorganisation FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia/Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens). „Es gibt Zeichen der Versöhnung.“ Ihre Sorge ist, dass trotz eines Friedens die Gewalt weitergehen werde, wenn sowohl die Guerillagruppen wie die Paramilitärs in der Gegend bleiben. Aber in den Friedensverhandlungen sieht sie die einzige Möglichkeit.

 

Nachtrag:

Knapp zwei Wochen nach dem Gespräch mit Ursula Holzapfel meldet Caritas International, wenige Wochen vor der geplanten Unterzeichnung des Friedensvertrages zwischen kolumbianischer Regierung und der linken FARC-Guerilla beobachte sie in einer Reihe von Regionen Kolumbiens eine deutliche Zunahme der Gewalt. „Wir stellen mit großer Sorge fest, dass bewaffnete Gruppen sich insbesondere in den Regionen ausbreiten, aus denen sich die FARC im Vorfeld der Unterzeichnung des Friedensvertrages zurückzieht“, berichtet der Direktor der Caritas Kolumbien, Monseñor Hector Fabio Henao. Zuletzt waren im Osten und Norden des Landes Menschenrechtsaktivisten sowie zivilgesellschaftliche Akteure ermordet und entführt worden. Caritas Kolumbien befürchtet, dass rechtsextreme und mit dem Drogenhandel verknüpfte bewaffnete Gruppen in das Machtvakuum stoßen, das die FARC bei ihrem Rückzug hinterlässt. Während des seit 51 Jahren andauernden Bürgerkrieges sind in Kolumbien mehr als 250 000 Menschen ums Leben gekommen, gut sechs Millionen Kolumbianer mussten innerhalb des Landes fliehen.