Wie der Tagestreff für Wohnungslose in Saarlouis sein Angebot der Pandemie angepasst hat:Wenn wegen Corona ein Stück Zuhause fehlt
Saarlouis – Die Stille ist untypisch für die Uhrzeit – es ist 12 Uhr mittags und normalerweise ist der Aufenthaltsraum im Keller um diese Zeit gut besucht, Essen steht auf dem Tisch, Gespräche erfüllen den Raum. Auch nebenan, wo es immer kostenlos Kaffee und Tee gibt, und oft der Fernseher läuft, ist niemand mehr. Seit einem Jahr gibt es im Tagestreff und der Notschlafstelle für Wohnungslose „Oase“ des Caritasverbands Saar-Hochwald in Saarlouis kein „normal“ mehr. Der Alltag ist geprägt von den Einschränkungen, die durch die Corona-Pandemie nötig sind. „Der Tagestreff war ein Stück Zuhause für viele. Nicht nur für Wohnungslose, sondern auch ehemalige Wohnungslose, die den Kontakt halten und Alleinstehende, die den sozialen Austausch suchen“, sagt die Leiterin des Sozialbüros Stefanie Durst. Die Stimmung sei teilweise traurig, die Zukunftssorgen vieler Besucher noch größer. Seit dem ersten Lockdown haben sie und die Mitarbeiter das Angebot einschränken, aber nie einstellen müssen: „Es dürfen jetzt nur noch begrenzt Personen in den Tagestreff, das Essen wird portioniert durch ein Fenster gereicht, Kaffeestückchen werden einzeln verpackt verteilt“, erklärt die Diplom-Sozialarbeiterin. Auch die Öffnungszeiten habe man reduziert: Hatte der Tagestreff vor Corona von 9.30 Uhr bis 13 Uhr geöffnet, gibt es jetzt von 11 bis 12.30 Uhr ein warmes Mittagessen für einen Euro. In dieser Zeit können die Besucher auch kostenlos die Waschmaschine und den Trockner nutzen oder duschen. Etwa 15 Gäste kommen jeden Tag in die „Oase“, gegen Monatsende werden es mehr. Vor der Pandemie waren es 20 bis 25 Personen. Manche blieben aus Angst vor Ansteckung fern, sagt Durst. Sieben festangestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, eine FSJlerin sowie Reinigungskräfte arbeiten in der „Oase“. „Wir klären über die Bedeutung von Hygiene auf, verteilen kostenlos Masken und schauen von Anfang an, dass die Leute versorgt sind“, sagt Durst. So habe es seit Beginn der Pandemie noch keinen Corona-Fall in der Einrichtung gegeben.
Schlicht und spartanisch sind die kleinen Zimmer eingerichtet: zwei Doppelstockbetten, weiße Wände, ein kleines Fenster mit Gittern: „Es sieht aus wie eine Zelle und das waren die Räume auch früher“, sagt Durst. Seit 1995 ist die Wohnungslosenhilfe mit den Notschlafstellen in der ehemaligen Polizeiinspektion gegenüber des Saarlouiser Hauptbahnhofs untergebracht. 2007 kamen im ersten Stock Übernachtungsmöglichkeiten für wohnungslose Frauen hinzu. Von 20 Uhr bis 8 Uhr morgens ist die Notschlafstelle an 365 Tagen im Jahr besetzt – es ist das einzige stationäre Angebot für Wohnungslose im Kreis Saarlouis. Drei Mitarbeiter teilen sich die Nachtschichten auf und sind so auch Ansprechpartner, wenn die Polizei nachts für Betroffene eine Unterkunft sucht. Um Abstand wahren zu können, mussten die Schlafplätze der Männer von zwölf auf sechs Betten und die der Frauen von sechs auf drei Betten reduziert werden. „Trotzdem mussten wir bislang niemanden abweisen“, sagt Durst. Die Belegung sei sehr unterschiedlich: Im Jahr 2020 übernachteten 49 Männer und zwölf Frauen in der Oase, in den Jahren zuvor waren es gut 70 Männer und 20 Frauen. Sie bleiben zwischen einer Nacht und mehreren Monaten.
„Es tut uns weh, dass wir momentan nicht mehr helfen können und auch über den Tag Angebote machen können“, sagt die Leiterin. Die Lage sei für Wohnungslose schwieriger geworden. „Während des ersten Lockdown war es noch nicht mal erlaubt, sich im Freien auf eine Bank zu setzen. Das geht an der Lebenswirklichkeit von Wohnungslosen völlig vorbei. Sie spielen bei politischen Überlegungen offenbar keine Rolle.“ Auch Einnahmequellen wie Pfandsammeln oder auch Betteln sind angesichts geschlossener Geschäfte und abgesagter Veranstaltungen weggebrochen.
„Wohnungslosigkeit kann jeden treffen“, sagt Stefanie Durst. Ihr begegnen Menschen mit den unterschiedlichsten Lebensläufen: Vom Analphabeten in schlimmer Familiensituation bis zum Studienabbrecher, der aufgrund einer Suchterkrankung auf der Straße gelandet ist. „Es gibt Situationen im Leben, wo man in die Krise gerät und den Halt verliert“, sagt Durst. Den Betroffenen wieder auf die Beine zu helfen, ist auch Teil ihrer Arbeit und der ihrer Kollegin Tanja Warken. Manche Klienten kämen ohne Ausweispapiere und Krankenversicherung. „Im ersten Schritt überprüfen wir, ob die Betroffenen Anspruch auf staatliche Leistungen haben und helfen ihnen, diesen gegenüber den Behörden geltend zu machen“, sagt Warken. Sie hilft auch bei der Wohnungssuche, doch diese gestalte sich immer schwieriger: Zum einen sei die Lage auf dem Wohnungsmarkt im Kreis Saarlouis schwierig, es gebe nicht viele Wohnungen, die sich die Betroffenen mit den staatlichen Regelsätzen leisten könnten. Zum anderen sei auch bei privaten Vermietern die Skepsis groß, ihre Wohnungen an Wohnungslose zu vermieten. Auf Wunsch der Betroffenen können sie für zwei Jahre im Alltag unterstützt werden. Die Mitarbeiter der „Oase“ helfen ihnen dann dabei, wieder eine Struktur aufzubauen, das Finanzielle zu regeln und begleiten sie bei Behördengängen. „Das Ziel ist das Wiedererlernen der Selbstständigkeit“, sagt Warken.
Das 25-jährige Bestehen der „Oase“ sollte im letzten Jahr groß gefeiert werden. Doch Corona machte den Plänen einen Strich durch die Rechnung. „Ob es möglich sein wird, das Jubiläum in diesem Jahr nachzuholen, ist fraglich“, sagt Stefanie Durst. Viel wichtiger sei es jedoch, dass es wieder möglich wird, das Angebot auszuweiten: „Den Leuten fehlt ein Stück Heimat.“
(uk)