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Initiative aus Bad Kreuznach setzt sich für Teilhabe aller Menschen ein:"Wie möchtest du leben?"

Seit gut einem Jahr gibt es in Bad Kreuznach das Projekt "Inklusiv leben lernen". Was hat die Gruppe in dieser Zeit bewegt? Was muss sich in der Gesellschaft noch ändern?
Die Projektgruppe 'Inklusiv leben lernen' in Bad Kreuznach.
Datum:
21. Nov. 2017
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Bad Kreuznach – Seit gut einem Jahr gibt es die Initiative „Inklusiv leben lernen“ in Bad Kreuznach. Das Projekt begleitet Menschen, Institutionen und Unternehmen auf dem Weg zu einer umfassenden Teilhabe, durch individuelle Beratung und Weiterbildung. „Inklusiv leben lernen“ kann für alle zu einer Anlaufstelle werden.

„Unsere Fragestellung lautet: Wie möchtest du leben?“, erklärt Vera Knickmann vom Projektteam. Die Gruppe schaut dabei nicht nur auf beeinträchtigte Menschen. „Inklusion will allen Menschen die gleichen Chancen eröffnen. Das bedeutet Teilhabe aller in allen Bereichen des Lebens, ganz gleich welche Voraussetzungen sie mitbringen“, definiert die Pastoralreferentin Judith Schwickerath. So war es für die Gruppe auch selbstverständlich, sich dem lokalen Frauenbündnis anzuschließen und gemeinsam gegen Altersarmut zu kämpfen. „Inklusion bedeutet, dass in der Gesellschaft alle willkommen sind. Die Institutionen müssen so werden, dass die Menschen sich darin wohlfühlen“, erklärt die Pastoralreferentin weiter. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, wie das nachfolgende Beispiel zeigt: Bevor Marianne Münz, Mitarbeiterin im Projekt, mit dem Zug fahren kann, muss sie sich bei der Deutschen Bahn anmelden, damit sie in ihrem Rollstuhl mitgenommen werden kann. Trotzdem kommt es immer wieder zu Problemen wie durch defekte Aufzüge. „Dadurch war ich schon einmal zwei Stunden länger unterwegs“, berichtet sie aus eigener Erfahrung. Viele beeinträchtige Menschen schreckten deshalb vor Zugreisen zurück. „Bahnfahrten sind für uns alle ein inklusives Lernfeld voller Abenteuer“, sagen die Mitarbeiterinnen des Projekts. Daher haben sie den Workshop „Barrierefreie Bahn“ angeboten, um auf dieses Thema aufmerksam zu machen und sich auszutauschen.

Hilfestellungen für Unternehmen und Einzelpersonen

Daneben bietet die Projektgruppe Exkursionen und Hilfestellungen an. „Wir unterstützen Unternehmen zum Beispiel, indem wir Stellenangebote noch einmal in leichte Sprache übersetzen, so dass möglichst viele Menschen es verstehen können“, berichtet Judith Schwickerath. Die Mitglieder des Projektes sind gern gesehene Experten. „Die Stärke unserer Beratung ist, dass wir Menschen mit diesen Erfahrungen mitbringen“, erklärt Judith Schwickerath. Daher werden die Mitglieder oft als Referenten für Fachtagungen eingeladen oder beraten Firmen und Institutionen wie die Katholische Erwachsenenbildung (KEB). Die Kreisverwaltung hat die Gruppe bereits angefragt. Die Projektgruppe berät auch Einzelpersonen. Der Wunsch einer Mutter, dass ihr Kind mit Lernschwierigkeiten eine Regelschule besuchen kann, ist ein Beispiel für eine Anfrage an „Inklusiv leben lernen“.

„Der Bedarf und das Interesse besteht“, bemerkt Judith Schwickerath. Die Aufgaben werden mehr und das Team hat sich in einem Jahr fast verdoppelt. Zwei neue Mitarbeitende im Bereich Beratung wurden gerade eingestellt. „Jeder bringt verschiedene Talente mit und je nach dem, was er gut kann, so wird er dann auch eingesetzt“, informiert Marianne Münz. Das Projekt arbeitet Charismen orientiert, wie es im Abschlussdokument der Bistumssynode unter dem Perspektivwechsel „Charismen vor Aufgaben in den Blick nehmen“ veröffentlicht wurde. Der Perspektivwechsel „Vom Einzelnen her denken“ greife das Team auf, indem sie schauen, was die Lebenswirklichkeiten und die Bedürfnisse der Menschen sind. „Wir verstehen uns so, dass wir einen Beitrag dazu leisten können, die synodalen Perspektivwechsel umzusetzen und dass wir hier vor Ort eine diakonische Kirchenentwicklung mit vorantreiben“, fasst Judith Schwickerath in Bezug auf die Synodenumsetzung zusammen.

Barrieren abbauen

Einen kleinen Erfolg der Gruppe bemerken Besucher des Gebäudes in der Bahnstraße 26, in dem sich das Projektbüro befindet: Die Tür geht elektrisch auf und ermöglicht so das leichte Eintreten. Doch der Gruppe geht es nicht ausschließlich darum, bauliche Barrieren zu beseitigen, sondern Barrieren im Kopf abzubauen. „Inklusion muss in kleinen Schritten vor Ort geschehen, das geht nicht von oben“, appelliert die Gruppe an alle Bürgerinnen und Bürger. „Es benötigt einen starken Bewusstseinswandel in der Gesellschaft. Wir haben eine Leistungsgesellschaft. Wenn ich nicht gesund bin, eine Beeinträchtigung habe oder einen anderen sozialen, kulturellen Hintergrund, passe ich nicht in diese Gesellschaft rein“, gibt Judith Schwickerath zu bedenken.

Ideen für die Zukunft hat die Gruppe schon fest im Blick: „Wir könnten mit Rollifahrern schauen, ob man in die kirchlichen Einrichtungen hier in Bad Kreuznach kommt“, schlägt Silvia Lewin vor. Einen Tipp, wie sich Barrierefreiheit auch im Kleinen schon anpacken ließe, hat die Gruppe auch: Helle Markierungen auf den Stufen von Kirchentreppen. „Das wäre schon eine große Hilfe, für Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung“, informiert Judith Schwickerath.

Wer das Projekt und die Mitglieder kennenlernen möchte, ist am 9. Dezember von 15 bis 17 Uhr in die Teestube der Kreuznacher Diakonie (Ringstraße 64) eingeladen. Der Nachmittag steht unter dem Motto des Projektes „Leben wie ich will!“

Partner von „Inklusiv leben lernen“ sind das Bistum Trier, die Caritas Rhein-Hunsrück-Nahe, das Zentrum für selbstbestimmtes Leben Bad Kreuznach und die Stiftung Kreuznacher Diakonie. Finanziert wird die Arbeit der Gruppe für drei Jahre durch die Aktion Mensch. Die Schirmherrin des Projektes ist die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer.

Weitere Informationen gibt es auf www.inklusiv-leben-lernen.de und unter Tel.: 0671-9212072.

(jf)