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Bischof Ackermann feiert Gottesdienst mit Queer-Gemeinde in Saarbrücken:„Wir sind gemeinsam Kirche“

Bischof Dr. Stephan Ackermann feiert in Saarbrücken-Brebach einen Gottesdienst mit der Queer-Gemeinde.
Der Gottesdienst fand in der Kirche Maria Hilf in Saarbrücken-Brebach statt. (Fotos: Dominik Holl)
Datum:
20. Dez. 2022
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Saarbrücken/Trier – Rund 40 Menschen haben sich am 17. Dezember um den Altar der Kirche Maria Hilf in Saarbrücken-Brebach versammelt, um mit Bischof Dr. Stephan Ackermann einen Gottesdienst mit der Queer-Gemeinde zu feiern.

„Ich habe mich über die Einladung gefreut“, sagt Bischof Ackermann nach dem Gottesdienst. Mit seinem Besuch bei der Queer-Gemeinde wolle er ein klares Zeichen setzen und dem Bild entgegentreten, die Bischöfe seien weit von solchen Bewegungen entfernt, betont er. „Ich habe in den letzten Jahren häufiger Kontakt mit queeren Christen gehabt. Von daher ist das nicht so außergewöhnlich, wie es nach außen hin vielleicht aussieht.“

Die Gottesdienste der Queer-Gemeinde finden seit 2014 in Brebach statt. Matthias Holzapfel, Pfarrer der katholischen Pfarrei Sankt Martin Saarbrücken (Halberg), hat der Gemeinde mit Zustimmung der pfarrlichen Räte zu einer dauerhaften Bleibe verholfen. „Es gab schon längere Zeit Gottesdienste zum Welt-Aids-Tag und zum Christopher-Street-Day, die damals noch in der [evangelischen] Johanneskirche stattfanden, also Stadt-zentraler. Da ist der Wunsch entstanden, ob man nicht öfter mal einen Gottesdienst feiern könnte.“ Zunächst fanden die Gottesdienste in der Johanneskirche statt, doch die Queer-Gemeinde sah sich öfter dazu gezwungen, einen neuen Ort zu finden, um gemeinsame Gottesdienste zu feiern. Pfarrer Holzapfel erklärte, dass es zwar keine Einwände gegen die Gemeinde gab, es aber immer eine Frage der Willkommenskultur war. „Einmal kam die Frage auf: ‚Darf in einer katholischen Kirche so etwas überhaupt sein?‘“, berichtet er.

Atmosphäre, in der man Gemeinschaft wirklich erfahren kann

Alexius Klein aus Saarwellingen ist einer der Mitgestalter des Gottesdienstes an diesem Samstag. Er ist froh, dass es das Angebot der Queer-Gemeinde gibt: „Ich wusste, dass es einen Queer-Gottesdienst gibt und habe mich entschlossen, dahin zu gehen, weil ich queer, weil ich schwul und gläubig bin, und da hat das gut gepasst. Der Gottesdienst ist etwas Schönes und so bin ich dabeigeblieben.“ Er sei vorher kein regelmäßiger Gottesdienstbesucher gewesen, erzählt er, doch die Gottesdienste der Queer-Gemeinde verpasse er nur ungern. „Es ist einerseits die Atmosphäre, in der man Gemeinschaft wirklich erfahren kann. Wir sitzen normalerweise im Altarraum, da kommt ein ganz anderes Gemeinschaftsgefühl auf. Auch die Art, wie der Gottesdienst gestaltet wird: die Form der Kommunion, wie man sich den Friedensgruß gegenseitig spendet. Das sind alles Dinge, die einfach sehr gut tun.“

Grundkonzept ist ein normaler Gottesdienst, erläutert Pfarrer Matthias Holzapfel. „Wir nutzen die Sonntagsliturgie des jeweiligen Sonntags. Der Gottesdienst ist entweder ein evangelischer Abendmahlsgottesdienst oder eine katholische Eucharistiefeier, je nachdem wer Zelebrant ist. Ansonsten teilen wir mehr auf, es ist eher in der Form des Gruppengottesdienstes: Wir sitzen im Kreis, jeder, der ein Element übernehmen möchte, darf das übernehmen.“

Auch David Gippner, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Waldfischbach-Burgalben, der neben Holzapfel einer der Vorsteher der Queer-Gottesdienste ist, bestätigt die besondere Gottesdienstform: „Es ist um einiges direkter als in den Gottesdiensten, die ich in meiner Gemeinde halte. Dort bin ich zwar auch schon seit neun Jahren und gestalte die Gottesdienste sehr persönlich, aber hier ist es einfach noch persönlicher, weil man die Leute gut kennt.“ Pfarrer Gippner bringt immer wieder Menschen mit in die Queer-Gemeinde; an diesem Samstag Freunde aus der Pfalz und Kaiserslautern.

Der Gruppengottesdienst ist die bevorzugte Form der Queer-Gemeinde.

Der Besuch des Bischofs aus Trier bei der Queer-Gemeinde bedeutet allen viel: „Ich halte das für sehr wichtig“, erklärt Alexius Klein, der den Bischof schon mehrfach eingeladen hatte. „Ich denke, er muss einfach sehen, spüren und erfahren, wie so ein Gottesdienst ist, welche Atmosphäre herrscht. Wir reden alle von Kirchenkrise – hier finden wir etwas ganz anderes und ich denke, das muss ein Bischof auch einmal mitgemacht haben.“

"Als Kirche haben wir eine Schuld abzutragen"

Bischof Ackermann ist sich der Bedeutung seines Besuchs bei der Queer-Gemeinde in Saarbrücken bewusst. Eine Begegnung wie an diesem Abend, über die dann auch berichtet werde, sei eine Form der Ermutigung und zeige, dass er keine Berührungsängste habe, „die ich ja nun wirklich nicht habe“. Berührungsängste hat niemand der rund 40 Gottesdienstbesucher*innen, unter denen auch etliche nicht-queere Menschen sind. In die Gottesdienste kommen queere Menschen, Verwandte und Freunde von queeren Menschen, aber auch Gemeindemitglieder, „die aus Solidarität kommen, oder weil ihnen die Zeit passt, oder ihnen die Form dieses Gottesdienstes gefällt, im Kreis zu sitzen, un-hierarchischer zu sein“, sagt Holzapfel. Trotz der Offenheit vieler Gemeindemitglieder sei es wichtig, dass es ein solches Angebot zusätzlich zu den regulären Sonntagsgottesdienste gebe: „Es sind ja oft Menschen, die von der Kirche in ihrem Queer-Sein verletzt worden sind und deshalb nach einer Form oder Begegnung suchen, in der sie nicht ‘normal’ spielen müssen, sondern sein können, wer sie sind.“

Über Gottesdienstformen hinaus wandele sich etwas in der Kirche, ergänzt Ackermann: „Es gibt diesen offenen und verbindlichen Dialog zwischen der Amtskirche einerseits und queeren Gruppierungen. Das ist eine Entwicklung der letzten Jahre, über die ich sehr froh bin. Beim Synodalen Weg sagen wir deutlich, dass wir eine Neubewertung der kirchlichen Lehre über die Homosexualität brauchen“, sagt der Trierer Bischof.  Dabei gehe es um das Menschenbild der Kirche insgesamt. Kirche entwickele sich hier weiter und das werde auch von unten her getragen. „Das finde ich eine gute Entwicklung“, betont der Bischof und gesteht gleichzeitig: „Als Kirche haben wir eine Schuld abzutragen, weil queere Menschen diskriminiert und verletzt worden sind und noch werden. Das ist leider keine Sache, die schon ganz der Vergangenheit angehört. Wir müssen klar sagen, dass wir gemeinsam Kirche sind – und queere Menschen gehören da voll dazu.“

Angebote für queere Christ*innen gibt es unter anderem auch in der Trierer Herz Jesu-Kirche sowie in Simmern. Der Arbeitskreis „Queer im Bistum Trier“ informiert auf der Homepage des Bistums Trier. (red)