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Erfahrungen aus der Krise als Wegweiser für eine inklusive Pastoral:Zusammen füreinander Sorge tragen

Die Erfahrungen in der Behindertenpastoral unter Corona-Bedingungen dienen als Wegweiser für eine inklusive Pastoral.
Datum:
9. Feb. 2021
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Trier – „Wir haben in unserer Arbeit im zurückliegenden Jahr an vielen Stellen eine Gratwanderung erlebt.“ Brigitte Scherer arbeitet im Arbeitsbereich „Diakonische Pastoral“ im Bischöflichen Generalvikariat und ist zuständig für Seelsorge mit Menschen mit Behinderung. Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen des Arbeitsfeldes Inklusion und der Seelsorgerinnen und Seelsorgern aus den Einrichtungen der Behindertenhilfe, der Katholischen Gehörlosengemeinde und aus anderen Bereichen der Seelsorge mit Menschen mit Behinderung ziehen eine erste Bilanz über die Pastoral mit Menschen mit Behinderungen im Zeichen von Corona. „Zum einen müssen wegen der Pandemie gerade Menschen mit Behinderung besonders gut geschützt werden. Zum anderen sollen sie aber weiterhin selbstbestimmt leben können und nicht vereinsamen“, nennt Scherer die Herausforderung. Bei der Diözesankonferenz Behindertenpastoral und in einer anschließend ergänzenden Umfrage aller Teilnehmenden wurden die Erfahrungen gesammelt, um Wege zu beschreiben, wie man in einer solchen Situation reagieren könne.

Es seien vor allem vier Themen, die sehr eng miteinander verbunden und die in dieser Zeit von besonderer Bedeutung für die Arbeit der Behindertenpastoral seien. „Die Pandemie und ihre Folgen verstärken die Isolation und die Einsamkeit von Menschen mit Behinderungen.“ Sie habe zudem Konsequenzen für Möglichkeiten deren Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. „Und auch für Seelsorge und deren Vernetzung stellt Corona eine große Herausforderung dar“, bilanziert Brigitte Scherer.

Eine zunehmende Isolation und Einsamkeit hat sich in den verschiedensten Bereichen gezeigt und ist dann auch durch indirekte Faktoren verstärkt worden. Die Kontakteinschränkungen hätten an sich sehr direkte und weitreichende Auswirkungen auf die Einzelpersonen gehabt, berichteten Teilnehmer der Konferenz. Durch die Einschränkungen wurden aber auch ganze Gruppen aufgelöst. Wenn sich etwa ein Kirchenchor aufgelöst habe, weil das Proben nicht mehr möglich gewesen sei, hätten sich damit auch Alltagsstrukturen aufgelöst, sodass für manche Mitglieder auch ein tragender Halt nicht mehr gegeben sei.

Durch die Kontakteinschränkungen sind andere Kommunikationswege wichtiger geworden, wie Telefonate, E-Mails, Briefe, Spaziergänge und Besuche in einem eigens eingerichteten Besucherraum mit einzelnen Bewohnerinnen und Bewohnern. „Leider ist die Ausstattung mit Telefon und Internet in einigen Einrichtungen oder Haushalten für die momentanen Erfordernisse nicht ausreichend“, berichtet Heike Bulle, Pastoralreferentin im Arbeitsfeld Inklusion. Und auch wenn die technischen Möglichkeiten vorhanden seien, könnten Menschen mit Behinderung diese oft nicht oder nur mit Unterstützung nutzen. Fehlende Kommunikation verursache Ängste und unter Umständen fortschreitende Demenz. „Für die persönliche Begegnung braucht es immer Menschen“, fasst Heike Bulle zusammen.

Inklusion meine nicht nur das Ermöglichen von Teilhabe bestimmter Personengruppen in bestimmten Situationen, sondern immer das Miteinander von allen. Ein ganz großer Fortschritt in dieser Krise sei es, dass Gebärdensprache in den Medien deutlich selbstverständlicher geworden sei, so Katja Groß, von der Gehörlosengemeinde Trier. Anhand der Maskenpflicht seien die Kommunikationsbarrieren für gehörlose Menschen deutlich mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Auch die Vielfalt gebärdensprachlicher Gottesdienste sei deutlich gestiegen. Was weiter fehle, seien niedrigschwellige und inklusive Formate, um bei Behörden Anträge zu stellen sowie flexiblere Fristen für Menschen mit Behinderung.

Seelsorge habe sich als systemrelevant erwiesen. „Aber sie braucht ein Gesicht, denn sie lebt von der persönlichen, wirklichen Begegnung miteinander“, so Andreas Bühler, Pastoralreferent an der Rhein-Mosel-Fachklinik und im St. Nikolaus Stiftshospital in Andernach. „Darum ist Seelsorge am besten ein fester Teil des multiprofessionellen Teams der jeweiligen Einrichtung, so ist der Zugang für die Seelsorger und Seelsorgerinnen in die Einrichtung gewährleistet. Beziehungen, deren Basis ein gegenseitiges Vertrauen sei, seien unabdingbar, um solche Kontakte aufzubauen und zu erhalten. „Gerade in Krisenzeiten ist es Aufgabe von Seelsorge, mit den Menschen zusammen immer neu zu lernen, was die frohe Botschaft für unser Leben bedeutet, sodass unser Leben und unser Glaube miteinander geteilt, neu entdeckt und vertieft werden kann.“

Der kollegiale Austausch ist umso wichtiger, je unbekannter die Situation ist. Die wichtigste Ressource ist bei all dem immer die Zeit. Aber auch klare Kommunikationsstrukturen und das Kultivieren echten Mitgefühls sind zentral im seelsorglichen Miteinander. „Weniger ist manchmal mehr! Wir sollten uns trauen, zu entschleunigen“, sagt Heike Bulle. „Es ist manchmal hilfreicher, etwas mehr Zeit für eine einzelne Person zu haben, als im Dauerstress den Kontakt zum Gegenüber und sogar zu sich selbst zu verlieren.“ Beim nächsten digitalen Konferenztermin am 17. März diesen Jahres werden die Teilnehmenden die Erfahrungen erneut thematisieren, um diese zu ergänzen und weiter für ihre Arbeit zu nutzen.

Die Erfahrungen in der Behindertenpastoral unter Corona-Bedingungen bestätigen die Entscheidung der Synode unseres Bistums, die Diakonische Kirchenentwicklung als Kernthema unserer Zukunft zu verstehen. Diakonisch bedeutet, den Menschen dienend. „In diesem Sinne gehen eine diakonische Kirchenentwicklung, die dem Menschen dient, sowie eine inklusive Pastoral und Seelsorge ganz selbstverständlich Hand in Hand.“ Beides gelinge, wo man zusammen und füreinander Sorge trägt. So entstehen Wege und Beziehungen, die auch in der Krise tragen.


Die Diözesankonferenz Behindertenpastoral wurde 2007 ins Leben gerufen. Sie versteht sich als Anwaltschaft für Menschen mit Behinderung und ihre Familien in Kirche, Verbänden und Gesellschaft. Ihr Auftrag ist es, ein Bewusstsein zu bilden für den seelsorglich-diakonischen Auftrag im Bistum und die Entwicklung einer inklusiven Pastoral.

Weitere Informationen unter:www.bistum-trier.de/inklusion/wir-ueber-uns
(tef)