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Ökumenischer Gottesdienst am Buß- und Bettag in Trier:„…das tut auch ihnen“

Der gemeinsame Gottesdienst von Evangelischer Kirche im Rheinland und Bistum Trier an Buß- und Bettag hat Tradition.
Gruppenbild Gottesdiensteam - Bischof Dr. Stephan Ackermann, Pfarrer Thomas Luxa, Präses Dr. Thorsten Latzel, Superintendent Dr. Jörg Weber, Ökumenereferentin Anna Werle sowie Bettina Dreher (Fotos: Maike Roeber)
Datum:
18. Nov. 2021
Von:
Bischöfliche Pressestelle

Trier – „Der Andere, gerade der Bedürftige, darf mich in Anspruch nehmen. Das ist die Grundwahrheit des menschlichen Lebens und jeder Beziehung. Das ist zugleich der Ausgangspunkt für jede Form menschlicher Solidarität.“ So hat der Trierer Bischof Dr. Stephan Ackermann das Leitwort „….das tut auch ihnen“ in der Predigt ausgelegt, das über dem ökumenischen Gottesdienst am Buß- und Bettag (17. November) in der Konstantin-Basilika in Trier stand. Gemeinsam mit dem Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Dr. Thorsten Latzel, stand Ackermann dem Gottesdienst vor.

Bischof Ackermann ging von den Erfahrungen von Helferinnen und Helfern ebenso wie Betroffenen nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 aus, die große Teile von Bistum und Evangelischer Landeskirche hart getroffen hat. Zu sehen, dass Menschen aus ganz Deutschland kamen, um zu helfen, sei berührend, sagte Ackermann: „Es ist die Mischung zwischen dem ganz selbstverständlichen Menschlichen der Hilfsbereitschaft einerseits und dem Gefühl, dass das, was da so selbstverständlich scheint, gerade in unserer Welt ganz und gar nicht selbstverständlich ist, ja gerade unerwartbar ist.“ Wenn Jesus in der Bergpredigt sage „Alles, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch!“, sei das „keine Erfindung Jesu“. Die sogenannte Goldene Regel gehöre zum Weisheitsschatz der Völker. Und in solchen Begegnungen wie zwischen Betroffenen und Fluthelferinnen und –helfern „erhält die Goldene Regel konkret Gesicht“.

Bischof Ackermann bei der Predigt

„Das Gesicht des Anderen reißt uns Menschen aus dem Kreisen um uns selbst“

Die Intensität dieser Begegnungen erinnere ihn an ein Wort des französischen Philosophen Emanuel Lévinas, für den das Ich nicht denkbar ist ohne das Du: „Dieser Andere – vor allem sein Gesicht, sein Antlitz und seine Stimme – reißen mich heraus aus meiner Selbstbezogenheit, nehmen mich existenziell in die Pflicht.“ Christen würden hier vielleicht an das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter denken – ein Gleichnis, das im Grund der biblische Dreh- und Angelpunkt der Papst-Enzyklika „Fratelli tutti“ sei, in dem Papst Franziskus ein ganzes Kapitel der „Geschwisterlichkeit und sozialen Freundschaft“ widme, was nichts anderes sei als „ein umfassende menschliche Solidarität“. Drei Gedanken von Papst Franziskus gab Bischof Ackermann den Gottesdienstbesucherinnen und –besuchern zur Reflexion: „Jeden Tag stehen wir vor der Wahl, barmherziger Samariter zu sein oder gleichgültige Passanten, die distanziert vorbeigehen.“ Gleichgültig gegenüber dem Schmerz zu leben, sei „keine mögliche Option“. Und: an Gott zu glauben und ihn anzubeten, sei keine Garantie dafür, dass man auch lebt, wie es Gott gefällt.

Mit dem Philosophen Lévinas betonte Ackermann, es sei „das Gesicht des Anderen, das uns Menschen aus dem Kreisen um uns selbst herausreißt“. Denn im Gesicht des Menschen verdichte sich seine Persönlichkeit. Doch die Bibel spreche auch vom „Antlitz der Erde“. Mit Blick auf das mühsame Ringen um die Bewahrung der Schöpfung etwa beim Klimagipfel von Glasgow sagte der Bischof: „Es ist auch das Angesicht unserer Erde mit all ihren Geschöpfen, das uns zur Verantwortung ruft.     

Denn unsere Erde ist ja nicht bloß blinde Materie, nicht bloß Material für unsere Zwecke. Die Erde mit ihren Geschöpfen hat ihre eigene Einmaligkeit, Würde, Schönheit. Entstellen wir dieses Antlitz nicht.“        

Zu Beginn des Gottesdienstes erinnerte Präses Latzel daran, dass Tage der öffentlichen Buße eine lange Tradition bis hinein in die Geschichte Israels haben.

Sich neu darauf besinnen, worauf es im Leben ankommt

Zu Beginn des Gottesdienstes hatte Präses Latzel daran erinnert, dass Tage der öffentlichen Buße eine lange Tradition bis hinein in die Geschichte Israels haben. Schon das Alte Testament kenne Bräuche, in denen das ganze Volk vor Gott tritt, um Buße zu tun, sich neu auf das Wort Gottes auszurichten und das eigene Tun zu bedenken: „Angesichts von Flutkatastrophe, Pandemie, Klimawandel und einer kollektiven Erschöpfung brauchen wir heute solche Tage der Buße, der gemeinsamen Einkehr mehr denn je.“ Er rief dazu auf, sich neu darauf zu besinnen, was wichtig sei und worauf es im Leben ankomme: „Das sind zum einen die Mitmenschen, die Gott uns an unsere Seite gegeben hat, um einander zu lieben. Egal, wer sie sind, woher sie stammen, wie sie aussehen. Und das ist die Schöpfung, die Gott uns anvertraut hat, um sie zu bewahren. Wir sind Gast auf einem schönen Stern.“

Am Ende des Gottesdienstes ermutigte der Präses auch im Namen von Bischof Ackermann diejenigen, die es können, sich gegen das Corona-Virus impfen zu lassen: „Impfen ist ein Akt gelebter Nächstenliebe.“ Das Antlitz des Nächsten sei auch das Antlitz des Menschen auf der Intensivstation oder das Antlitz der Pflegenden.

Im Gottesdienst wirkten auch mit Anna Werle, Ökumenereferentin im Bischöflichen Generalvikariat Trier, Dr. Jörg Weber, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Trier, sowie Pfarrer Thomas Luxa, Bettina Dreher und Rainer Herforth von der Evangelischen Kirchengemeinde Trier. Musikalisch wurde der Gottesdienst gestaltet vom Vokalensemble St. Paulin Trier unter der Leitung von Regionalkantor Volker Krebs, an der Eule-Orgel war Kirchenmusikdirektor Martin Bambauer zu hören.

(JR)

Zum Predigttext im Wortlaut